Für die Flüchtlinge werden dringend Wohnungen benötigt Foto: dpa

In der Region Stuttgart werden nicht weniger, sondern deutlich mehr Menschen wohnen als noch vor kurzem prognostiziert. Mindestens 2,8 Millionen Menschen dürften es in den nächsten Jahren werden. Ein Grund ist die Flüchtlingswelle, die neuen Wohnraum erfordert.

Stuttgart - Die Zeiten, da in der Region Stuttgart für die nächsten Jahre und Jahrzehnte noch sinkende Bevölkerungszahlen prognostiziert wurden, sind vorbei. Vor allem die aktuelle Flüchtlingswelle mit Zehntausenden neuankommenden Menschen, die in den nächsten Monaten Wohnungen benötigen, erfordern schnelle Lösungen.

Entsprechende Überlegungen stellten denn auch sämtliche Redner im Planungsausschuss des Regionalparlaments am Mittwoch an. Angesichts des Flüchtlingsproblems, erklärte Wilfried Wallbrecht von den Freien Wählern, „haben wir eine Zeitenwende vor uns, und damit müssen wir umgehen“. Sein CDU-Kollege Jürgen Lenz ergänzte: „Es brennt vor Ort, alle haben das gleiche Ziel, dass man das Thema schnell abarbeitet und nicht auf die lange Bank schiebt.“

Das Pestel-Institut war im Jahr 2006 noch von einer Stagnation oder gar Abnahme der Bevölkerung in der Region Stuttgart ausgegangen. Vor neun Jahren lebten im Großraum Stuttgart 2,67 Millionen Menschen. Für 2025 prognostizierten die Experten eine leichte Steigerung auf 2,7 Millionen. Die jüngste Berechnung, zu finden im Regionalverkehrsplan, geht von 2,8 Millionen Menschen aus. Doch auch das könnte zu niedrig gegriffen sein. In einer schriftlichen Stellungnahme erklären Wallbrecht und Freie-Wähler-Fraktionschef Andreas Hesky: „Der durch die Flüchtlingsströme verursachte Bedarf für die Anschlussunterbringung ist aktuell abzuschätzen und hinzuzurechnen, er ist bisher völlig unberücksichtigt.“

Französische Vorstädte als warnendes Beispiel

Eine der Folgerungen der Freien Wähler: Angesichts dieser drohenden Entwicklungen sei „eine großzügige Handhabung“ der im Regionalplan vorhandenen „Öffnungsklausel“ sinnvoll, die es einzelnen Kommunen erlaube, einen „besonderen Bedarf“ für eine erhöhte Flächenausweisung darzulegen. Ähnlich sieht es CDU-Mann Lenz: „Wir werden gezwungen sein, Sonderlösungen zu finden“, vor allem im ländlichen Raum. Was er damit meint: Neuer Wohnungsbau darf sich in der regionalplanerischen Vorgabe nicht wie bisher ausschließlich an Entwicklungsachsen und Anschlüssen des Öffentlichen Personennahverkehrs orientieren.

Eine Haltung, die bei Grünen, SPD und Linken auf Skepsis stößt. Seine Fraktion, so formulierte es etwa der Linke-Vorsitzende Christoph Ozasek in einem Haushaltsantrag, sei „besorgt über die wiederkehrende Forderung von Wirtschaftsverbänden und Bauträgern nach immer neuem Bauland und damit nach mehr Flächenversiegelung“. Den Bedarf an preiswertem Wohnraum gerade angesichts der Zuwanderung erkennt auch FDP-Fraktionschef Kai Buschmann. Allerdings erhöhe dies „die Gefahr, dass unter dem Druck der Situation Bauformen gewählt werden, die den Keim zu sozialen Brennpunkten in sich tragen“. Die etwa in den französischen Vorstädten, den Banlieus, immer wieder ausbrechenden Unruhen müssten ein warnendes Beispiel sein.