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Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Stuttgart zum „größten Spaßfriedhof in Europa“ ernannt. Schwaben fällt’s schwer, von Bayern geliebt zu werden. Doch wollen wir das überhaupt? Beobachtungen von StN-Autor Uwe Bogen beim Südgipfel von Dirndl-Profis.

Stuttgart - Stuttgart und München – es ist die ewige Kompassfrage: Wer ist oben, wer unten? Seit Menschengedenken mögen die Weißwurst-Zuzler die Häuslebauer nicht sonderlich. Bei der geschätzten „Süddeutschen Zeitung“ wird das nicht so begehrte Korrespondentenbüro in Stuttgart redaktionsintern „München-West“ genannt. Die Zentrale aber war’s, die kürzlich uns Schwaben an prominenter Stelle ihres Blatts – im „Streiflicht“ auf Seite eins – köstlich abgewatscht hat. Gut, dass diese wunderbare Kolumne, die seit 1946 oben links ohne Autorenhinweis erscheint, gleich mit dem ollen Kehrwochen-Schwabenklischee beginnt, ist ungefähr so witzig, wie wenn der FC Bayern München 18-mal hintereinander in der Bundesliga gewinnt. Aber dann geht’s in der Glosse voll ab. Der „Streiflicht“-Anonymus ernennt Stuttgart – Brüller! – zum „größten Spaßfriedhof von Europa“.

Autsch, das tut weh! Aber wer ein bisschen Grips im Hirn hat, freut sich über das Lob. Überlegen Sie mal, liebe Schwäbinnen und Schwaben: Ist ein Spaßfriedhof der Ort, an dem Spaß begraben ist? Mitnichten! Denn auf einem Waldfriedhof ist auch kein Wald begraben. Ganz im Gegenteil. So ein Friedhof liegt idyllisch im Wald, ebendort, wo die Bäume in den Himmel wachsen. Ist klar, was die „Süddeutsche“ sagen will: Im „Spaßfriedhof Stuttgart“ sprießt der Spaß besonders schön. Danke nach München, so sehen wir das in München-West auch!

Wer von den Schwaben keinen Keller hat, geht zum Lachen zu einer bayerisch gefärbten Angermaier-Dirndl-Vip-Party. Der „Herr Angermaier“, wie alle Dr. Axel Munz, 63, nennen, den Chef eines Münchner Trachtenimperiums, hat den Umzug seiner Stuttgarter Filiale von der oberen in die untere Eberhardstraße mit etlichen Damen gefeiert, die, wie Bayern sagen, ordentlich Holz vor der Hütte haben (alle dabei: vom Wiesn-Playmate Denise Cotte bis zur Bachelor-Kandidatin Sarah Nowak, vom Model Mia Gray bis zu dem für XXL-Holz erforderlichen Schönheitschirurgen Christian Fitz). Man will schließlich sehen, wie das Trachtengeschäft expandiert, weil Doktor Munz, der vor 25 Jahren das Geschäft vom echten Herrn Angermaier übernommen hat, aus Prinzip keine Umsatzzahlen rausrückt.

Der fröhliche Herr, der über einen blond gefärbten Resthaarkranz verfügt und aussieht wie ein Bruder des ebenfalls anwesenden Schwabenwirts Jörg Mink, lebt in München, in Deutschlands Bussi-Bussi-Metropole, die so viele Baby Schimmerlose hat wie wir Kittelschurz tragende Kehrwochen-Monster. Also habe ich beim Googeln rasch entdeckt, was der in Göppingen geborene Munz über sich in bayerischen Leitmedien lesen konnte: Mit seinen 63 hat er eine schöne Münchnerin (die Dirndl-Designerin Astrid Söll)erobert, die nicht nur 20 Jahre jünger ist als er, sondern auch einen Kopf größer. In einer schwäbischen Klatschkolumne würde so was niemals stehen, nie!

Gelacht wurde viel bei dieser kleinen, feinen Trachtenparty. Ein Sindelfinger CDU-Stadtrat erzählte von einem 82-jährigen Bekannten, dessen Freundin noch keine 40 sei. Der 82-Jährige sei beim Arzt gewesen, der ihn gewarnt habe, dass man ab einem gewissen Alter beim Sex sterben könne. „Ist mir egal, wenn sie stirbt“, soll der Alte gesagt haben. Brüller!

Warum das Münchner Oktoberfest Jahr für Jahr vor dem Cannstatter Volksfest Nummer eins der Welt wird, ist klar. Auf der Wiesn gibt’s kein Frühlingsfest. Allein daran liegt’s. Auf dem Wasen hingegen öffnen die Bierzelte passend zum Frühlingsdurst unserer Gefühle in Kürze. Die Münchner sind bis zum Herbst so ausgetrocknet, dass sie viel massenhafter zum Saufen kommen.

Trotzdem – oder gerade deshalb? – ist’s auf dem Wasen schöner, wie die in München lebende Fechterin Monika Sozanska (bei Angermaier traf sie ihren Stuttgarter Modedesigner Tobias Siewert) findet. Auf der Wiesn stolpere man bereits am Vormittag über Bierleichen, während auf dem Wasen zu dieser Zeit noch tote Lederhose sei. Außerdem müsse man in München, um reingelassen zu werden, Ordnern am Zelteingang Bakschisch bieten. Auf einen weiteren Unterschied zwischen Wiesn und Wasen weist eine Mitarbeiterin hin, die Doktor Munz herbeiruft, weil ihm selbst keine Unterschiede einfallen: Während in München der Trend bei Dirndl zu gedeckten Farben gehe, würden in Stuttgart mehr Glitzer, Glanz und grelle Stoffe verlangt. Die Schwäbinnen seien in Modefragen viel mutiger. Ha wa, mir! Des isch halt des.

So umtriebig, schrill und spaßig sind wir Schwaben, dass wir auf dem Friedhof – na was wohl – finden? Unsere erste Ruhe!