Es geht blitzschnell: Den Griff in die Tasche merkt das Opfer meist zu spät. Foto: dpa

Wer würde nicht sofort helfen wollen, wenn eine ältere Dame stürzt oder jemand ein Pflaster braucht? Traurig, traurig: Manchmal steckt auch eine Masche von Taschendieben dahinter.

Stuttgart - Sie nutzen die Hilfsbereitschaft ihrer arglosen Opfer aus – und kein Trick scheint dafür dreist genug zu sein. Am Dienstagnachmittag kam ein 29-jähriger Taschendieb in Untersuchungshaft, nachdem er in der Nacht zuvor mit einem unbekannten Komplizen in der Innenstadt eine Schülerin bestohlen hatte. Die Masche: Ich bin verletzt, können Sie mir helfen?

Der etwas ungewöhnliche Fall spielte sich laut Polizei in der Nacht zum Dienstag im Akademiegarten im oberen Schlossgarten im Stadtzentrum ab. Dort hatte sich eine größere Gruppe von Schülern getroffen – unter anderem eine 17-Jährige mit ihren Freunden. Nach bisherigen Polizeierkenntnissen saßen die Schüler auf einer Mauer, als sich ihnen ein junger Mann näherte. Er zeigte seine verletzte, geschwollene Hand vor und bat um Hilfe.

Die 17-Jährige schöpfte keinen Verdacht. Zumal ihre Freundin erklärte, dass sie den Betroffenen vom Sehen her kenne. Die Jugendliche holte ein Desinfektionsspray aus ihrer Tasche und versorgte damit die Wunde des Unbekannten. „Und als sie das Spray in die Tasche zurücklegen wollte, war diese Tasche verschwunden, mitsamt Geldbeutel“, sagt Polizeisprecher Jens Lauer. Offenbar hatte ein Komplize zugegriffen. Als in der Gruppe die Aufregung losbrach, verschwanden die Langfinger unauffällig. Das Opfer erstattete in Begleitung von Freunden Anzeige beim Innenstadtrevier.

Masche bei Trickdieben nicht neu

Noch während sich eine Streife zum Tatort aufmachte, entdeckte die Gruppe die beiden Verdächtigen wieder. Nach kurzer Verfolgung konnte einer der beiden festgenommen werden. Ein 29-Jähriger, der den Geldbeutel noch in der Hand hielt. Die Tasche der 17-Jährigen war in ein Gebüsch geworfen worden. Der Unbekannte mit der verletzten Hand indes konnte entkommen.

Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich um einen Algerier ohne festen Wohnsitz, wegen Diebstahlsdelikten einschlägig polizeibekannt. Offenbar gehört er zu jenen Tätergruppierungen nordafrikanischer Herkunft, die bevorzugt in Innenstadt-Lokalen junge weibliche Opfer antanzen, um deren Wertsachen aus den Handtaschen zu stehlen. Der Beschuldigte wurde einem Richter vorgeführt, der Haftbefehl erließ.

So ungewöhnlich die Erste-Hilfe-Masche ist – für Trickdiebe ist sie nicht neu. Bereits im vergangenen Jahr gab es in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) eine entsprechende Inszenierung. Eine ältere Frau stürzte angeblich auf dem Gehweg, und eine 48-jährige Passantin wurde bei der Hilfeleistung von einem jungen Mann bestohlen. Wohl ein Komplize der gestürzten Frau.

In diesem Jahr gab es zahlreiche Fälle, bei denen vorwiegend osteuropäische Täter eine Notlage vortäuschten. Da ist die Autopanne und die Bitte um Spritgeld, wie beispielsweise im September in Markgröningen (Kreis Ludwigsburg). Da ist die Geschichte vom Mann, der sich aus seiner Wohnung oder seinem Auto ausgeschlossen hat und schnell Geld für ein Taxi benötigt – wie letztes Jahr mehrfach im Stuttgarter Süden. Den Preis zahlen diejenigen, die wirklich in der Klemme stecken. Langfristig wird vor lauter Misstrauen kaum jemand helfen wollen.