Der FC Bayern bekommt seinen Hoeneß zurück und Hoeneß seinen FC Bayern. Im November kann er gewählt werden – neun Monate nach seiner Entlassung aus der Haft wegen Steuerhinterziehung Foto: dpa

Aus Sorge um sein Erbe: Der Spiritus Rector des FC Bayern München kehrt ins Präsidentenamt zurück

München - Es gibt Sportsfreunde in München, die sagen, dass ihr alter Spezi nachdenklicher geworden sei. Und schlanker. Ja, mei, und dass er halt auch net jünger geworden ist, der Uli. Aber für alle war es so sicher wie die 27. deutsche Meisterschaft des FC Bayern – dass er wiederkommen wird.

Seit Montag ist es offiziell: Der ehemalige Präsident des Branchenführers wird auch der nächste sein. Im November wird im Revier der Lederhosen wieder gewählt. „90 bis 95 Prozent der Stimmen sind ihm dann sicher“, sagt Manfred Kothe (44), der leidenschaftliche Bayern-Gänger aus Schorndorf, der sich freilich „ein wenig mehr Reue“ von Hoeneß gewünscht hätte. Günther Fuchs, Bayern-Gläubiger aus Wolfschlugen, hegt sogar Zweifel, ob Hoeneß nach all den Geschehnissen noch einmal „zu alter Form“ auflaufen kann. „Die Medien werden ihn noch mehr vor sich herjagen als zuletzt.“

Offen ist, ob Hoeneß auch Aufsichtsratschef wird.

Kurz vor seinem Haftantritt war der alte Kampfgeist in der „Abteilung Attacke“ des FC Bayern trotz allem wieder erwacht. Die Fan-Gemeinde stand vor Begeisterung auf den Tischen, als Uli Hoeneß vor der Mitgliederversammlung seine letzte Rede hielt, bevor der lange Arm des Gesetzes die vorübergehende Änderung seines Wohnsitzes verlangte. „Das war es noch nicht“, hatte er in den Saal gerufen. Und es schien, als wäre König Ludwig II. noch einmal in Anzug und Krawatte erschienen, um mit den Seinen in monarchischer Glückseligkeit zu ersaufen. Jetzt hält Hoeneß Wort. Und wenn es stimmt, was die Bayern mitteilten, dann hat der Hopfner Karl den Rückzug vom Präsidentenamt ganz und gar freiwillig angetreten. Was verwundert, weil er doch in den vergangenen zwei Jahren stets betont hatte, nicht nur als Statthalter des großen Manitu das Feuer am Lodern halten zu wollen.

Offen ist allerdings, ob Uli Hoeneß als künftiger Bayern-Präsident den eingetragenen Verein auch als Aufsichtsratschef der Aktiengesellschaft vertreten darf. Denn unter den dort amtierenden Anteilseignern Adidas, Audi und Allianz soll es den einen oder anderen geben, der an das Comeback des Patrons skeptische Fragen knüpft. Daran wird nach Lage der Dinge auch der weite Einwurf von Franz Beckenbauer nichts ändern: Er könne sich seinen alten Spezi jedenfalls nicht nur als „Präsident der Schachspieler und Basketballer“ vorstellen. Vieles spricht nun dafür, dass Hopfner den Chefsessel im Kontrollgremium behält und Hoeneß als gewöhnliches Mitglied im Hintergrund die Strippen zieht. Ein Fall von königlich bayerischer Diplomatie.

Noch sind sie sich die Kulturpfleger des „Mia san mir“ aber nicht ganz sicher, ob der Uli nach seinem Knastaufenthalt noch der alte ist. Und ob sein justiziabler Fehltritt nicht dauerhaft auf dem tadellosen Ruf des Klassenprimus lastet. Einig sind sie sich jedoch darin, dass er als Person „auf keinen Fall beschädigt“ ist.

Alte Weggefährten halten zu Hoeneß.

Denn die Weggefährten aus alten Zeiten zeigten auch dann noch Teamgeist, als Hoeneß manch alte Rechnung aufgemacht wurde. Gladbach-Legende Rainer Bonhof, Erzrivale aus den guten alten Zeiten und Teamkollege in der Nationalmannschaft, sandte ihm handgeschriebene Briefe in den Knast, die Hoeneß „unter Tränen auf dem Bett“ las. Ex-Bayern-Trainer Jupp Heynckes schnitt ein Video zusammen, das er dem Häftling zum 63. Geburtstag in die Justizvollzugsanstalt Landsberg schickte. „Ich habe noch nie etwas Emotionaleres gesehen“, verriet Hoeneß, nachdem er wieder in Freiheit war. Im März dieses Jahres hielt er in Gladbach die Laudatio, als Heynckes zum Ehrenbürger der Stadt ernannt wurde. Und wer den harten Knochen mit dem weichen Kern sprechen hörte, ahnte, dass er innerlich die Partie beim Club seines Herzens noch nicht abgepfiffen hatte. Trotz der schweren Zeiten.

Immerhin dreieinhalb Jahre Freiheitsentzug hatte das Landgericht München im März 2014 dem Delinquenten aufgebrummt. Weil er es mit der Steuererklärung nicht ganz so genau genommen und dem deutschen Fiskus 28,5 Millionen Euro von seinem Schweizer Zockerkonto vorenthalten hatte. 21 Monate saß er in Haft, seit Anfang vergangenen Jahres als Freigänger. Seit 29. Februar 2016 ist die Strafe verbüßt. Nach einem Familienurlaub und einer intensiven Phase des Nachdenkens ist Hoeneß jetzt wieder so frei: Der Architekt des wohl bestgeführten Fußballclubs der Welt will sein Lebenswerk zu einem guten Ende führen.

Der gebürtige Ulmer und Spross einer Metzger-Dynastie entschloss sich mit 19 Jahren, die Laufbahn als Berufsfußballer einzuschlagen. Er feierte im Nationalteam eine Europa- und eine Weltmeisterschaft, mit dem FC Bayern sammelte er in den 70er Jahren so ziemlich alles ein, was es an Titeln zu gewinnen gab. Mit 27 Jahren ging seine Karriere zu Ende: Knorpelschaden im Knie.

Hoeneß führte den Verein zu 19 Meistertiteln.

Er übernahm das Management des finanziell klammen FC Bayern und führte den Verein zu 19 Meistertiteln und elf DFB-Pokalsiegen. Zweimal jubelte er über den Triumph in der Champions League. Jetzt kehrt er wohl auch zurück, um die Zukunft des stolzen Flaggschiffs bayerischer Fußballkünste zu sichern. Dabei mag eine entscheidende Rolle gespielt haben, dass der frühere Präsident beim Freigang in der Jugendabteilung als „Assistent des Juniorteams“ jobben durfte. Die A-Junioren kicken künftig jedenfalls wieder an der Säbener Straße, weil auf sein Geheiß hin ein Trainingsplatz erweitert und die Flutlichtanlage umgebaut wurde. Ein Insignium wiederkehrender Macht. Unter dem spröden Karl Hopfner, berichten Kenner des Vereins, hätte man jahrelang darüber diskutiert.

Niemand glaubte auch mehr an Zufall, als der gesundheitlich angeschlagene Sportvorstand Matthias Sammer und der Club verkündeten, die Zusammenarbeit zu beenden. Zu den Aufgaben des Sportchefs hatte gezählt, die Jugendabteilung zu einer innovativen und kreativen Kaderschmiede auszubauen. Auch Markus Hörwick, über drei Jahrzehnte Pressechef des Branchenführers, packte neulich sein Bündel.

Ein streitbarer Geist ist beim FCB herzlich willkommen.

Die Zeichen deuten auf eine Zeitenwende hin. Weshalb es in der Natur der Sache liegt, dass Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge das Comeback seines langjährigen Konterparts freudig begrüßte. Dem ehemaligen Weltklassestürmer, heißt es an der Säbener Straße, falle es zunehmend schwer, die Aufgabenflut der einzigen international leuchtenden deutschen Fußballmarke unfallfrei zu steuern. Gerade jetzt, da die Liga-Konkurrenz im Streit um die Erlöse aus der TV-Vermarktung aufbegehrt, ist ein zusätzlicher streitbarer Geist herzlich willkommen.

Der Übervater des FC Bayern tritt in den nächsten Jahren an, um den Club für die Zeit fit zu machen, in der sich die Weltklassespieler von einst altershalber in die Ehrenloge zurückziehen. Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger, heißt es, sollen das große Erbe einmal übernehmen. Uli Hoeneß wird bis dahin alles daran setzen, dass die Konkurrenz weiter mit dem Fernglas nach dem FC Bayern schaut. Denn das war’s ja noch nicht.