Während Brombeeren schlecht wuchsen, gedieh der Rhabarber in Büsnau gut. Foto: Hintermayr

Hanna Schäfer ist die wohl am längsten in Büsnau lebende Bürgerin. Die 95-Jährige hat über die Geschichte des Stadtteils eine Chronik geschrieben.

Büsnau - Die Lage nah am Wald, an den Seen und dem Bärenschlössle habe ihr immer gefallen, sagt Hanna Schäfer. „Büsnau ist ein wunderschöner Ort zum Leben.“ Mit elf Jahren kam Schäfer nach Büsnau. Im Januar 1933 zog ihre Familie in eines von damals fünf Häusern mit fünf Morgen Land in dem Ort, der damals noch „Büsnauer Hof“ hieß und nicht zu Stuttgart, sondern zu Böblingen gehörte. Zusätzlich zu den Wohnhäusern gab es einen Bauernhof, etwa auf dem Gelände, wo heute die Steinbachschule steht. „Meine Eltern kamen aus Untertürkheim, wo sie Weinberge hatten“, erinnert sich Hanna Schäfer, geborene Schwarz. Ihr Vater sei auf der Suche nach einer neuen Existenz auf Büsnau gestoßen, die Familie mit den drei Kindern Hanna, Gerhard und Elisabeth war eine der ersten Bewohner der vom Freiwilligen Arbeitsdienst errichteten Gebäude. „Die Häuser waren zunächst nicht verschalt, es war bitterkalt im Winter. So kalt wie damals, so kalt wird es heute nicht mehr. Und wie viel Schnee wir hatten!“, sagt Schäfer und zeigt stolz ein paar Bilder aus ihrem Fotoalbum. Zu Beginn habe es weder fließend Wasser noch Strom gegeben.

Schäfers Vater schlug vor, eine Wohnsiedlung zu bauen

Die Kälte war es, die der Familie den Anbau von Obst und Gemüse schwer machte. Die Brombeerpflanzen erfroren im Winter. Die Erdbeeren wurden von den Rehen gefressen. Rhabarber hingegen wuchs, die Blätter wurden groß wie Regenschirme. „Aber Büsnau war immer drei Wochen später dran als der Rest von Stuttgart, da hatten sich die Leute schon satt gegessen an Rhabarber“, erzählt Schäfer, die am 13. Dezember 2016 ihren 95. Geburtstag feiert. Lediglich Kartoffeln, Weizen und Roggen konnte die Familie für den Eigenbedarf anbauen, allerdings reichte es nicht, um vom Verkauf zu leben.

Hanna Schäfer zog nach Büsnau, als dort erst sechs Gebäude standen. Foto: Sandra Hintermayr
Schäfers Vater sei es gewesen, der vorschlug, in Büsnau eine Wohnsiedlung zu errichten, weil die Böden für die Landwirtschaft nicht geeignet waren. Sein Vorschlag fand bei einem Obersturmbannführer von der SA Gehör. In einem ersten Schritt wurden 300 Häuser geplant. Die ganze Geschichte Büsnaus hat Hanna Schäfer schriftlich festgehalten. Ihre kleine Chronik hat sie durch Fotos ergänzt.

Die Brauerei Robert Leicht hatte für die Arbeiter eine Baukantine aufstellen lassen, die Schäfer und ihre Mutter betrieben. Sie kochten für die Bauarbeiter und später für die Soldaten, die in Büsnau eine Scheinwerfer-Abteilung aufbauen sollten, um die feindlichen Flugzeuge beim Anflug auf Stuttgart ins Visier zu nehmen.

Im Zweiten Weltkrieg fielen Bomben auf Büsnau

Wie ein Großteil der Häuser wurde auch die Baukantine während des Krieges zerstört. Auch in das Wohnhaus der Familie Schwarz fielen Bomben. „Ich danke Gott, dass wir das überlebt haben“, sagt Schäfer. Von den 34 Häusern, die bis Kriegsende gebaut wurden, seien vier total zerstört worden, kein Haus sei ohne Schäden geblieben, ist in Schäfers Auszeichnungen zu lesen. Eine Mutter und ihre zwei Töchter wären umgekommen. Im Jahr 1945 seien französische Soldaten nach Büsnau gekommen, hätten Lebensmittel verlangt. Es habe Ausgangssperre geherrscht. „Zum Glück dauerte die Besetzung nur ein paar Tage. Wir alle waren gut davongekommen“, schreibt Schäfer.

Zur Schule an der Katzenbachstraße in Vaihingen mussten die Kinder kilometerweit laufen oder mit dem Fahrrad fahren, erzählt Schäfer. Auch eine Kirche gab es in Büsnau zunächst nicht, die Gottesdienste wurden im Haus der Familie Schwarz abgehalten. Hanna und ihre Schwester Elisabeth veranstalteten den Kindergottesdienst. Erst 1956 ist die heutige Kirche erbaut worden. In einem kleinen Laden, den ihr Vater zunächst in der Scheune eingerichtet hatte, verkaufte die Familie Schwarz einige Lebensmittel wie Obst und Milch.

„Mich hat es nie fortgesehnt“

1946 kamen die ersten Buchenlanddeutschen nach Büsnau. Sie arbeiteten als Bauhandwerker für die Stadt Stuttgart und durften sich als Gegenleistung in Büsnau niederlassen, wo sie zunächst in Baracken untergebracht worden seien.

1976 sei das alte Holzhaus der Familie Schwarz als letztes seiner Art abgerissen worden. Auf dem Grundstück, auf dem die Familie früher ihr Ladengeschäft führte, wurden Reihenhäuser gebaut. Dort lebt Hanna Schäfer noch heute. Geheiratet hat die wohl am längsten in Büsnau lebende Bürgerin 1965, Kinder hat sie keine. Sie wohnt heute mit ihrem schwarzen Kater, „dem Peterle“, in einer Erdgeschosswohnung mit kleinem Garten in Büsnau. „Mich hat es nie fortgesehnt“, sagt die 95-Jährige.