Smudo, Thomas D und Michi Beck finden auch das deutlich kleiner gewordene Stuttgarter Publikum auf dem Wasen spitze: "Ihr macht uns glücklich!" Foto: dpa

Die Fanta 4 spielen ihr Tour- Abschluss-Konzert wieder in Stuttgart - bei S21 neutral.

Stuttgart - Die Fantastischen Vier sind die dienstältesten deutschen HipHopper. Ein Gespräch mit Thomas Dürr, besser bekannt als Thomas D und Andreas Rieke aka And.Ypsilon über Heimat, Stuttgart 21 und die Zukunft der Musikindustrie.

Herr Dürr, Herr Rieke, Ihre Tour heißt wie das Album "Für dich immer noch Fanta Sie". Wollen Sie nun von Ihren Fans gesiezt werden?

Dürr: Wir siezen uns jetzt gegenseitig. Als Band, aber nicht als Einzelpersonen. Das heißt dann: "Sie die Fantastischen Vier, kommen Sie bitte!" Aber: "Du Thomas, stell' dich mal da hin und mache deinen Job." Aber nein, jetzt im Ernst: Das Wortspiel ist naheliegend. Wir entziehen uns jeglicher Greifbarkeit und bleiben in der Welt der Fantasie. Und andererseits müssen wir jetzt schon seit zwanzig Jahren über unser Alter sprechen. Diesen Punkt wollen wir abhaken. Wir sind noch am Leben. Wir machen die Musik, die uns gefällt. Wir sind authentisch. Es kann doch niemand sagen, wann man zu alt für HipHop ist. Wir sind die Ältesten in diesem Genre. Also entscheiden wir, wann das ist. Es gibt so lange kein Verfallsdatum, bis wir es selbst anbringen.

Sie machen keinen Hehl daraus, dass dem noch lange nicht so ist.

Dürr: Wir dachten schon oft, dass das nicht mehr lange gut geht. Dass die Band kein neues Album machen kann. Doch die Band entwickelt sich weiter, wir verstehen uns prima. Es gibt keinen Grund, das nicht mehr zu tun, was man so gerne macht. Nämlich Musik.

Gibt es Dinge, die heute auf Tour anders laufen als noch vor zwanzig Jahren?

Dürr: Auf Tour weniger. Aber die äußeren Umstände sind komplett andere. Wir haben Familien, wohnen nicht mehr in derselben Stadt. Es hat sich komplett verändert. Nur auf Tour ist alles wie immer. Wir teilen uns einen Bus, gerne auch mit unserer Band. Wir freuen uns, haben morgens einen Kater und spielen abends wieder ein Konzert.

Bei welchen Songs gibt es Streit, ob man die ins Programm aufnehmen möchte?

Rieke: Es gibt durchaus unterschiedliche Geschmäcker. Doch wir entscheiden uns auch im Laufe so einer Tour, was live am besten funktioniert.

Dürr: Bei uns gibt es Hits, Hits, Hits. "Tag am Meer" war nie ein Radiohit, aber einer der ein echter Live-Hit ist. Es geht von vorne bis hinten ab. Das ist noch gar nicht lange so.

Rieke: Mit diesem Album haben wir die Komfortzone erreicht. Jetzt haben wir die nötigen Puffersongs. An so einem Abend gibt es eine ausgeklügelte Dramaturgie. Einen ganz bestimmten Showablauf. Auch wenn unsere Songs alle Hits sind, gibt es ruhigere Stücke und Abgeh-Songs.

Sie haben es angesprochen: Alle vier wohnen inzwischen in anderen Städten. Bekommen Sie mit, was in Ihrer Heimatstadt passiert?

Dürr: Natürlich wissen wir, was gerade mit Stuttgart 21 passiert. Wir wurden schon gleich zu Beginn angefragt, ein Konzert zu spielen. Wir hatten uns rausgehalten, weil wir zu wenig Information hatten, um die Lage zu beurteilen. Wir haben alle vier eine andere politische Meinung. Wir wollen das nicht in die Band einbringen, sondern als die Fantastischen Vier neutral bleiben.

Rieke: Ich will darauf nicht angesprochen werden. Es ist eben nicht demokratisch, dass von uns verlangt wird, dass wir uns einmischen müssen. Ich weiß, dass es da um mehr als nur den Bahnhof geht. Es geht um Demokratie. Wir wollen uns vor keinen Karren spannen lassen. Wir haben das lange diskutiert.

Dürr: Wir haben unsere Gefühle geäußert. Doch die Band hat damit nichts zu tun. Wenn du von außen auf die Sache schaust, ist es schon komisch. Die Menschen könnten für Afrika auf die Straße gehen. Oder weil wir die Meere leer fischen.

Rieke: Der Schwarze Donnerstag hat sicher dazu beigetragen, dass der Protest nicht abebbt. Das ist inzwischen in einer politischen Dimension, die so mit dem Thema nichts mehr zu tun hat. Insofern wird die Volksabstimmung durchaus spannend. Ich habe keine Ahnung, was dabei herauskommt.

Noch so etwas, was sich im Laufe der Jahre geändert hat, dass Sie nun alle Väter sind. Wird da Tour und Plattenveröffentlichung auf das Familienleben abgestimmt?

Dürr: Es ist wahnsinnig kompliziert, alles aufeinander abzustimmen. Ganz furchtbar! Das Erstaunliche aber ist, dass wir jetzt viel weniger Zeit aufbringen, um eine Platte zu machen. Und das Ergebnis gefällt mir besser. Wir nutzen die Zeit effektiver. Auch in meinem Privatleben erkenne ich das, dass ich viel weniger Zeit habe, aber mehr auf die Reihe bekomme.

Nicht nur Ihr privates Umfeld hat sich geändert, sondern auch die Musikindustrie.

Dürr: Auch furchtbar.

Rieke: Es hört mit der Veränderung auch nicht auf.

Dürr: Als wir angefangen haben, war schon noch etwas von der Goldgräberstimmung zu spüren.

Was hat sich für Sie als Band verändert, seit nicht mehr viele Platten verkauft werden?

Dürr: 1992 haben wir den Song "Die da" an Hohes C verkauft und die haben damit ganz furchtbare Radiowerbung gemacht. Daraufhin haben wir uns jahrelang gegen Werbung gewehrt. Irgendwann haben wir dann doch wieder mit der Industrie zusammen gearbeitet. Aber mit ganz anderen Parametern, da wir bestimmen, was wie gemacht wird. So bekommt man das Geld, was man im Plattenmarkt nicht mehr verdient. Man kann dieses Geld dann in die Produktion seiner Alben stecken. Wer weiß, was da in Zukunft noch passieren wird. Vielleicht wird Musik von Firmen vertrieben, die das nur nebenher machen. Firmen, die zu ihrer Werbung die passende Band suchen. Darüber hat der Künstler eine Plattform und wird gehört. Da muss man offen sein. Schließlich werden wir gerne gehört.

Rieke: Es ist auch wahnsinnig, wie viele Bands auf einmal live unterwegs sind. Da hat sich viel verschoben. Die Kuh wird sehr intensiv gemolken.

Zu sehr?

Dürr: Es gibt nur eine gewisse Nachfrage. Die wird nicht automatisch mehr, nur weil man ein größeres Angebot hat. Es gibt nicht so viele Leute, die auf Konzerte gehen. Dann kommen weniger zu den einzelnen Konzerten. Das macht es dann schwieriger für alle Bands.

Rieke: Die Großen halten das eine Zeit lang aus. Die Kleinen trifft es zuerst. Das ist wie im Plattensektor.

Dürr: Dann gehst du halt zu deinem Phil Collins, deinen Stones oder deinen Fantas. Aber nicht zu der kleinen Band, die in der Kneipe am Eck spielt und zehn Euro Eintritt verlangt.

Wie könnte eine Zukunft der Musikvermarktung aussehen? Musik wird es doch immer geben.

Dürr: Man macht vielleicht immer billigere Musik. Die entbehrt dann aber einer gewissen Tiefe. Sie ist schnell gemacht und muss nicht lange halten. Das führt zu einer Verflachung. Gute Musik braucht Zeit.

Rieke: Irgendwie entwickeln sich die Verhältnisse zurück. In der klassischen Musik war es so, dass man einen Mäzen hatte. Es gab nur wenige Komponisten in einer Generation, die die Gelegenheit hatten, komponieren zu dürfen, weil ihnen jemand das Leben bezahlt. So ist die Welt aber nicht mehr. Durch die schnelle Kommunikation kann man die Vielfalt vermitteln. Man muss irgendwie das richtige Maß finden zwischen Verflachung und Verengung des Marktes.

Kaufen Sie selbst noch Platten?

Dürr: Ich kaufe nur noch digital.

Rieke: Das würde ich auch machen, wenn es die volle Qualität gäbe. Jetzt kaufe ich die Lieder als mp3-Dateien. Und wenn es mir wirklich gut gefällt, dann bestelle ich mir die CD im Internet.

Am 22. Dezember spielen die Fantastischen Vier in der Stuttgarter Schleyerhalle. Karten unter www.easyticket.de