Beate Weik: Bei Rechtsverstößen in Unternehmen wollen wir herausfinden, ob es dahinter eine Struktur gibt. Foto: Martin Stollberg

Seit einem halben Jahr leitet Beate Weik die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen. Im Interview spricht sie darüber, wie sie ihre Aufgabe angeht – und wie sie das Verfahren gegen Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wahrgenommen hat.

Stuttgart - Frau Weik, Staatsanwälte werden in der Bevölkerung gemeinhin als Ankläger bezeichnet. Erkennen Sie Ihre Aufgabe in dieser Bezeichnung wieder?
Natürlich erheben wir in vielen Fällen Anklage. Trotzdem ist diese Bezeichnung zu kurz gesprungen, weil wir ja auch Verfahren einstellen – und das sind gar nicht so wenige. Wir sehen uns eher als eine Behörde, die bei einer Anzeige oder bei einem sich aufdrängenden Anfangsverdacht ermitteln muss – und zwar mit offenem Ausgang. Die Einstellung eines Verfahrens ist für uns deshalb auch keine Niederlage. In einem solchen Fall wurde entweder der Verdacht entkräftet, oder er ließ sich nicht hinreichend erhärten.
Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität führte in der Vergangenheit auch Verfahren gegen prominente Manager wie die Ex-Chefs von LBBW und Porsche. Ihr Vorgänger, Hans Richter, warnte seinerzeit, in Deutschland entstehe eine Zwei-Klassen-Täterschaft – mit der einen Klasse, deren Mitglieder sich teure Anwälte leisten können, und den anderen, die das nicht können.
Diese Befürchtung ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ich würde sie aber weniger am Preis der Rechtsanwälte festmachen als an der personellen Logistik, die sich große Kanzleien leisten können. Große Kanzleien haben Mitarbeiter, die sich stark spezialisieren und auch im Verlauf eines Verfahrens aufkommende Fragen besonders intensiv bearbeiten können. Das ist sicher ein Vorteil.
Sehen Sie in großen Strafverfahren die Waffengleichheit zwischen der Staatsanwaltschaft und Großkanzleien gegeben?
Unser Anspruch ist schon, ein Ungleichgewicht zu vermeiden. Und in der Regel gelingt uns das auch. Wir haben hier 35 Staatsanwälte, die sich mit den unterschiedlichen Formen der Wirtschaftskriminalität beschäftigen. Darüber hinaus haben wir fünf Wirtschaftsreferenten, deren ökonomischer Sachverstand uns zur Verfügung steht und die für uns auch Gutachten erstellen. Wir erreichen dadurch einen hohen Grad an Spezialisierung.
Reicht das auch für Großverfahren aus?
Mit solchen Verfahren sind mehrere Dezernenten über Jahre hinweg beschäftigt. Sie müssen ermitteln, prüfen, das Verfahren vorbereiten und die Staatsanwaltschaft dort vertreten. Das bindet natürlich sehr viele Kräfte. Und auch unsere Spezialisierung reicht in diesen Fällen nicht aus. Daher nutzen wir auch externen Sachverstand in Form von Gutachten.
Das Porsche-Verfahren endete mit Freisprüchen für die beiden Angeklagten – und mit einer Schelte durch den Richter, der den Vertretern der Staatsanwaltschaft vorwarf, keine Belege und Zeugen aufgeboten zu haben, die die Vorwürfe untermauern. Wie ist das bei Ihnen angekommen?
Ich möchte das Verfahren nicht kommentieren. Grundsätzlich müssen wir gerichtliche Entscheidungen hinnehmen, auch wenn wir mit dem Ergebnis vielleicht nicht zufrieden sind. Für diese Fälle gibt es ja die entsprechenden Beschwerdemöglichkeiten. Im Porsche-Verfahren haben wir Revision eingelegt und werden die Urteilsbegründung genau prüfen.
War die Anklage so substanzlos, wie Ihnen vorgeworfen worden ist?
Sie hat immerhin ausgereicht, damit das Gericht das Hauptverfahren eröffnet hat. Ob die Zeugen die Vorwürfe untermauern oder nicht, gehört ja gerade zu den Erkenntnissen, die eine Hauptverhandlung erbringen soll. Viele Dokumente und Urkunden, auf die unsere Position aufbaut, kommen im Verhandlungssaal allerdings gar nicht zur Sprache, weil sie im sogenannten Selbstleseverfahren eingeführt wurden. Sie fließen in die Urteilsfindung ein, sind der Öffentlichkeit aber nicht zugänglich. Es wäre ja auch unmöglich, den Inhalt von 200 Aktenordnern zu verlesen.
Ihre Behörde wurde in dem Verfahren von zwei Staatsanwälten vertreten. Macht es einen Unterschied, ob ein Verfahren wie der Porsche-Prozess unter großem Interesse der Öffentlichkeit stattfindet oder nicht?
Ein solcher Prozess ist schon etwas anderes. Für die Vertreter der Staatsanwaltschaft, die monatelang im Scheinwerferlicht stehen, kann das durchaus belastend sein. Sie können nach den Verhandlungstagen auch nicht wie die Verteidigung vor die Fernsehkameras treten und ihre Sicht der Dinge darstellen. Denn anders als die Verteidigung sind wir sind im Prozess keine Partei, sondern eine Ermittlungsbehörde, deren Arbeit im Gerichtssaal stattfindet.
Kann eine solche Richterschelte Staatsanwälte einschüchtern und dazu bringen, künftig gegenüber prominenten Angeklagten vorsichtiger aufzutreten?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich halte uns für so professionell, dass wir uns nicht davon abhalten lassen, das zu tun, was wir für richtig und notwendig halten.
Auch die Anwälte der Ex-Porsche-Vorstände haben die Staatsanwaltschaft ja heftig kritisiert – nicht zuletzt wegen der langen Dauer des Verfahrens. Müssen sich solche Verfahren wirklich über Jahre hinziehen?
Solche Verfahren dauern in der Tat sehr lange, denn es müssen umfangreiche und komplizierte Sachverhalte aufgeklärt werden. Die lange Dauer trifft aber nicht nur die Angeklagten in diesen Großverfahren selbst. Denn durch solche aufwendigen Prozesse bleiben auch andere Verfahren liegen. Auch dort müssen Angeklagte länger warten.
Bräuchte die Staatsanwaltschaft für große Verfahren mehr Mitarbeiter?
Natürlich kann man mit mehr Mitarbeitern schneller und effektiver arbeiten. Aber diese Aussage trifft auf die Justiz insgesamt zu. Auch die Wirtschaftsstrafkammern schieben einen Berg unerledigter Verfahren vor sich her. Wenn wir Anklage erheben, entstehen deshalb weitere Wartezeiten, bis sich das Gericht damit beschäftigen kann.
Das Porsche-Verfahren wurde von einer Reihe von Anwälten beobachtet, die im Auftrag von Finanzinvestoren nach Erkenntnissen suchten, die sie für ihre parallel laufenden Milliardenklagen gegen Porsche verwenden können. Üben solche Interessenlagen auf die Staatsanwaltschaft einen Druck aus?
Klar ist, dass Kläger in den Schadenersatzverfahren sich von dem Verfahren Einblicke in die Vorgänge bei Porsche versprechen, die sie im Zivilverfahren nicht bekommen können. Unsere Aufgabe ist es aber nicht, diesen Interessen gerecht zu werden, sondern den Sachverhalt zu ermitteln. Wir lassen uns vor keinen Karren spannen.
Zu den Aufgaben der Schwerpunktstaatsanwaltschaft gehören ja nicht nur aufsehenerregende Strafverfahren gegen Manager, sondern auch alltäglichere Gesetzesverstöße in Unternehmen. Wie ernst meinen es Firmen denn mit ihren Bekenntnissen zu absoluter Gesetzestreue?
Viele Unternehmen verhalten sich tatsächlich kooperativ und wollen bestimmte Verhaltensweisen, etwa in Form von Korruption, abstellen. Doch wir wollen nicht nur das kleine Licht vor Gericht sehen, sondern auch wissen, ob es dahinter eine Struktur gibt. Für uns stellt sich dann die Frage, ob übergeordnete Stellen das Fehlverhalten gefördert oder zumindest toleriert haben. Je größer die Verstöße sind, desto eher besteht der Verdacht, dass nicht ein einzelner Mitarbeiter auf eigene Faust gehandelt hat.
Welches Interesse hat ein Unternehmen überhaupt, die Staatsanwaltschaft bei Gesetzesverstößen einzuschalten?
Zum Teil wollen sie wie wir Fehlverhalten aufdecken, zum Teil haben sie aber auch andere Interessen als die Strafverfolgungsbehörden.
Welche sind das?
Wenn zum Beispiel im Ausland bereits Ermittlungen laufen, gibt es ein Risiko, dass diese über die Rechtshilfe hierher ausgeweitet werden. Da kann es vorteilhaft sein, die Flucht nach vorne anzutreten. Das Gleiche gilt, wenn in Deutschland die Entdeckung droht. Im Strafrecht wird die Mitwirkung an der Aufklärung ja generell honoriert, indem die Sanktionen geringer ausfallen. Und je früher diese Mitwirkung einsetzt, desto stärker honorieren wir das. Das gilt noch stärker im Wirtschaftsstrafrecht, weil mitwirkende Angeklagte unsere Arbeit hier sehr erleichtern. Ein Teil der Unternehmen wägt also durchaus ab, ob eine Anzeige ihnen im konkreten Fall einen Vorteil verspricht oder nicht.