So, so schön! Aber auch so, so gefährlich! Foto: IMAG//Cavan Images

Gute Reise! Jeden Sommer ist die Bestsellerliste voll mit Krimis und Ermittlungen in beliebten Urlaubsgebieten. Etwa an der Algarve wegen einer toten Haushälterin und in der Provence wegen eines erstochenen Ingenieurs.

Wer dieses Jahr nach Frankreich in den Urlaub fährt, den könnte womöglich allerlei Ungemach erwarten. Vielleicht droht ihm ein Generalstreik, weil sich die Gemüter über die Erhöhung des Rentenalters noch immer nicht beruhigt haben. Möglicherweise tut sich eine neue Protestbewegung mit Westen welcher Couleur auch immer hervor. Oder die Jugend der Banlieus plündert den Supermarkt im Urlaubsort, steckt das Mietauto in Brand und stürmt den Campingplatz. Man darf davon ausgehen, dass sich die meisten Reisenden diese Art von Urlaubserinnerungen allerdings ersparen möchten.

Urlaub auf Malle ist ungefährlich

Hingegen scheinen sich viele Leserinnen und Leser mit Hang zur Ferne jedes Jahr aufs Neue danach zu sehnen, in ihrem Lieblingsurlaubsort auf die eine oder andere gepflegte Leiche zu stoßen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass immer zur sommerlichen Reisezeit Krimis die Bestsellerlisten erobern, die in beliebten Urlaubsregionen spielen, meistens in jenen mit dem etwas besseren bürgerlichen Publikum.

Wer sich an den Goldstrand von Bulgarien oder zur Sauftour nach Mallorca aufmacht, scheint kein sonderliches Bedürfnis nach Toten und den entsprechenden kommissarischen Ermittlungen zu haben. In der Provence hingegen begegnen die Leser gerne dem Capitaine Roger Blanc und seinem fleißigen Team in „Stille Sainte-Victoire“ („Spiegel“-Bestseller Belletristik Paperback Platz 24; Dumont, 380 Seiten, 17 Euro). Denn in dieser südfranzösischen Landschaft lässt Cay Rademacher jedes Jahr ein paar arme Opfer eines unnatürlichen Todes sterben.

Das Bestseller-Buchcover /Verlag

Dieses Jahr trifft es am Fuße des Bergs Sainte-Victoire, den der Malerkünstler Paul Cezanne in seinen Gemälden unzählige Male festgehalten hat, als Erstes den Bauingenieur und Staudamm-Experten Roland Dallest. Der liegt tot im Gebüsch, von einem versteinerten Dinosaurierknochen durchbohrt. So recht kann sich Blanc zunächst keinen Reim darauf machen: Wer sollte diesem – wie sich bald herausstellt – Langweiler Gewalt antun wollen? Vielleicht hat der Mörder (oder die Mörderin) sein Opfer ja nur verwechselt? Denn Rolands eineiiger Zwillingsbruder ist der ebenso eitle wie berühmte Paläontologe Christian Dallest, der nicht weit vom Fundort der Leiche – Achtung! Möglicher Zusammenhang! – Ausgrabungen nach Dinosaurierknochen leitet.

Ein Dinoknochen wird zum Mordinstrument

Die Provence-Ermittler finden schnell heraus, dass viele Menschen ein Motiv gehabt hätten, den Wissenschaftler um die Ecke zu bringen: ein eifersüchtiger Kollege, der früher zudem mit Christians jetziger Ehefrau verbandelt war zum Beispiel; jene ehrgeizige Ehefrau selbst; ein neureicher Dinosaurierknochenhändler und ein streitsüchtiger Wildnis-Blogger. Oder doch eher der uralte Hobbypaläontologe, der schon 1946 am Staudamm mitgearbeitet hat?

Rademacher versteht es, in seinem Roman das eine oder andere Wissenswerte über Dinosaurierknochen ebenso wie über den Bau von Staudämmen unterzubringen. Und wie es sich für einen klassischen Whodunit-Krimi gehört, entpuppt sich eine der zunächst am wenigsten verdächtigen Personen als Täter (oder Täterin). Das ist flott geschrieben, und man muss nicht in früheren Sommerferien die vorherigen Romane gelesen haben, um sich in das ebenfalls natürlich thematisierte Privatleben des Ermittlungsteams einzufinden.

Das Bestseller-Buchcover /Verlag

Bei Gil Ribeiros (alias Holger Karsten Schmitts) „Dunklen Verbindungen“ („Spiegel“-Bestseller Belletristik Paperback Platz 13, Kiepenheuer & Witsch, 366 Seiten, 17 Euro) hilft es schon eher, wenn man um die Sonderrolle des deutschen Ermittlers Leander Lost in dem Städtchen Fuseta an der Algarve-Küste weiß. Lost hat nämlich, so lässt sich vermuten, obwohl es nirgends ausdrücklich erwähnt wird, das Aspergersyndrom. Ribeiro schildert das auch im sechsten Band seiner Portugal-Krimireihe „Lost in Fuseta“ mit Sympathie und Augenzwinkern. Die kleinen Missverständnisse im Alltag, die durch Losts Störung des Sozialverhaltens entstehen, geben der Geschichte ihre komischen Momente.

Mörder sind auch nur Menschen

Im Kern geht es jedoch um die Leiche einer Haushälterin im Pool eines exklusiven Golfresorts. Allerdings ist die Tote hier nur der Auftakt zu weiterem Schrecken. Hinter dem Mord steckt ein viel größerer Plan. Das zeigt sich sehr bald, als an der Algarve mehrere Werttransporter überfallen werden.

Immerhin: Der Autor schildert die Täter nicht als nur seelenlose Mordmaschinen, wie das in einigen früheren Bänden durchaus der Fall war, sondern verleiht ihnen menschlichere und im Falle des Haupttäters sogar sympathische Züge.

Vielleicht ist genau das die versöhnliche Botschaft, mit der die Autorinnen und Autoren der Urlaubskrimis die lesenden Erholungssuchenden in ihrer kostbarsten Zeit beglücken wollen: Manchmal sind Mörder ganz normale Menschen, die an irgendeiner Stelle ihres Lebens einfach falsch abgebogen sind. Das haben sie vermutlich mit den randalierenden Kids und Jugendlichen aus den französischen Banlieus gemein.