Torwart Manuel Neuer steht gegen Armenien nicht im Tor. Am Donnerstag absolvierte der verletzte Keeper kein Torwart-Training, sondern übte locker mit dem Ball am Fuß. Foto: Bongarts

Mit einem überzeugenden Sieg gegen Armenien am Freitagabend will die DFB-Elf echte WM-Stimmung entfachen. Löw verspricht den Fans einen tollen Fußballsommer, denn der Bundestrainer weiß auch: Ein Vorrunden-Aus wäre sein persönlicher K.o.

Mit einem überzeugenden Sieg gegen Armenien am Freitagabend will die DFB-Elf echte WM-Stimmung entfachen. Löw verspricht den Fans einen tollen Fußballsommer, denn der Bundestrainer weiß auch: Ein Vorrunden-Aus wäre sein persönlicher K.o.

Mainz - Schluss mit schönen Worten - jetzt sollen Tore und weltmeisterlicher Fußball bejubelt werden. In der Karnevalshochburg Mainz möchte Joachim Löw am Vorabend der langersehnten Abreise der Nationalmannschaft nach Brasilien die abgekühlte WM-Stimmung in Deutschland neu entfachen. Der Bundestrainer weiß, dass nach einer von Störfällen gekennzeichneten Vorbereitung, einem schalen 2:2 gegen Kamerun und Zweifeln an der versprochenen WM-Punktlandung von Torwart Manuel Neuer schwungvolle 90 Minuten gegen Sparringspartner Armenien am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) zu einer Verpflichtung geworden sind.

„Wir wollen uns mit einem Sieg, einem guten Spiel und einem Lächeln aus Deutschland verabschieden“, sagte Löw am Donnerstag und versprach den in punkto Titelgewinn skeptisch gewordenen Fans einen tollen Fußballsommer: „Wenn es losgeht, werden wir auch den WM-Turbo zünden!“ Die Historie lehrt: Vor jedem der drei deutschen WM-Titel 1954, 1974 und 1990 gab es bei der Turnier-Generalprobe einen Sieg.

Ohne Sorgen wird Löw mit seinen 23 Spielern am späten Samstagabend aber auch bei einem gelungenen Probelauf gegen den Weltranglisten-38. nicht den Charterflieger nach Südamerika besteigen. Denn sein WM-Torwart Nummer 1 muss auch in der mit 27.000 Zuschauern ausverkauften Mainzer Arena erneut von Roman Weidenfeller vertreten werden. Neuers im DFB-Pokalfinale lädierte rechte Schulter lässt auch zehn Tage vor dem Ernstfall gegen Portugal keinen Länderspieleinsatz zu. Nicht einmal Torwarttraining kann der Münchner absolvieren.

Hinter Neuer steht weiter ein Fragezeichen

„Wir wollen kein Risiko eingehen, auch nicht minimal“, sagte Löw zum verschobenen Neuer-Comeback. Als neuen Plan musste er einen WM-Kaltstart des Keepers am 16. Juni in Salvador ankündigen. Die DFB-Ärzte sähen „keine Probleme“ für das erste Spiel, berichtete der Bundestrainer. „Wir haben im Moment überhaupt keine andere Pläne“, sagte Löw zur Alternativlösung mit Turnierdebütant Weidenfeller.

Das Fragezeichen hinter Neuer wird sich also frühestens in der Trainingswoche auf dem neu erbauten Fußballplatz beim doch noch rechtzeitig fertiggestellten DFB-Quartier Campo Bahia in Santo André auflösen. Zum offiziellen WM-Mannschaftsfoto stellte sich aber auch die Nummer 1 am Donnerstagabend in Mainz im Torwartdress auf.

Auf Grün umstellen sollen die WM-Ampel noch vor der Abreise ins WM-Land die angeschlagenen Kapitäne Philipp Lahm (Fuß) und Bastian Schweinsteiger (Knie). Das Bayern-Duo mischte nach einem gezielten Aufbauprogramm in München beim Abschlusstraining in Mainz mit und soll gegen die konterstarken Armenier um den Dortmunder Henrich Mchitarjan zumindest zu einem Teilzeiteinsatz kommen. „Natürlich brauchen beide Spieler Wettkampf-Rhythmus“, erklärte Löw.

Auch Miroslav Klose scheint bereit. Der Torjäger saß zuletzt beim 2:2 gegen Kamerun noch 90 Minuten auf der Bank, weil er nach dem Trainingslager körperlich in ein Loch gefallen war. „Ich gehe davon aus, dass ich beim Turnier bei hundert Prozent bin“, hatte Klose angekündigt. Ein starker Auftritt des erfolgreichsten deutschen WM-Torschützen (14 Treffer) gegen Armenien wäre nach heftigen Stürmerdebatten an den Fan-Stammtischen eine Beruhigungspille.

„Das Thema falsche Neun, richtige Neun ist in Deutschland rauf und runter diskutiert worden“, bemerkte Löw leicht genervt. „Wir haben genug Möglichkeiten im Sturm“, entgegnete der 54-Jährige und zählte neben Klose auch Reus, Müller, Götze, Schürrle und Podolski auf: „Der Spielertyp im Sturm hat sich verändert.“

Löw spürt den Druck, den Titel erspielen zu müssen

Der Druck steigt mit jedem Tag, den das Turnier näherrückt. An den „zwei schönen Tage zuhause“ hätte er kaum noch entspannen können, gestand Teammanager Oliver Bierhoff. „Man ist schon im WM-Tunnel drin.“ Auch Löw spürt, dass er bei seinem vierten Turnier als Bundestrainer liefern muss - im Grunde den Titel. „Jeder weiß, auch ich, dass ein Bundestrainer an einem Abschneiden bei einem Turnier bewertet wird“, sagte der seit 2006 als Chefcoach amtierende Löw. Bei einem krassen Misserfolg wäre auch sein bereits bis 2016 verlängerter Vertrag hinfällig. „Wenn wir in der Vorrunde ausscheiden, denke ich, ist klar, wird es wahrscheinlich notwendig sein, dass es eine Veränderung gibt“, sagte der 54-Jährige.

Ein Gewinner des Benefiz-Länderspiels steht schon fest. 4,5 Millionen Euro sollen als Reingewinn der Partie an die DFB-Stiftungen und die Bundesliga-Stiftung fließen. Seit der Premiere 1993 kamen in nun elf Partien insgesamt 32 Millionen Euro zusammen. „Wir müssen unsere gesellschaftspolitische Verantwortung auch leben“, erklärte Ligapräsident Reinhard Rauball zu den Hilfsmaßnahmen.

„Wir werden versuchen, auch in Brasilien Akzente zu setzen“, kündigte DFB-Präsident Wolfsgang Niersbach an. Das Nationalteam werde am Standort ihres Quartiers über vier Jahre ein Schulprojekt unterstützen, sagte Bierhoff: „Wir lassen als Nationalmannschaft auch was da.“ Es muss ja nicht gerade der WM-Pokal sein.