Mehr Bilder von Schweinsteiger gibt's hier. Foto: AP

Attacke gegen Argentiniens Team: Der Vize-Kapitän nimmt seine neue Rolle als Chef sehr ernst.

Pretoria - Herz der Mannschaft, Motor im Mittelfeld, Taktgeber des deutschen Spiels: Bundestrainer Joachim Löw hat Bastian Schweinsteiger viele Rollen zugedacht - auch die als "emotionaler Leader". Als solcher ging der Vize-Kapitän in die Vollen.

Unerhörtes trug sich im März dieses Jahres in München zu. Die deutsche Mannschaft hatte das Test-Länderspiel gegen die Gauchos gerade mit 0:1 verloren. Bei der Pressekonferenz erkannte Diego Maradona den damaligen Neuling Thomas Müller nicht. Argentiniens Trainer stand entrüstet auf und ging, als der Unbekannte sich neben ihn setzte. Womöglich dachte er, da habe sich ein Balljunge verirrt.

Thomas Müller muss heute schmunzeln, wenn er die Episode erzählt. Bastian Schweinsteiger, der  vor dem erneuten Duell am Samstag (16 Uhr/ZDF) in Kapstadt neben ihm auf dem Podium im DFB-Pressezentrum saß, passte der Vorfall aber bestens ins Konzept, das sorgsam vorbereitet schien.

Der Vize-Kapitän kniff die Augen eng zusammen, presste die Lippen aufeinander und setzte zum verbalen Rundumschlag gegen die Südamerikaner an. An das Viertelfinalduell bei der WM 2006 erinnere er sich nicht mehr so sehr, sagt er, nicht an die Verlängerung und nicht ans Elfmeterschießen - dafür umso mehr an die Raufereien nach der Partie. "Die stecken noch sehr in den Köpfen drin", erklärte Schweinsteiger. Leandro Cufre hatte Per Mertesacker einen Tritt in den Unterleib versetzt, Torsten Frings wurde für sein Einschreiten für das Halbfinale gesperrt. "Die Argentinier versuchen immer zu provozieren, im Spiel und vorher. So wie sie gestikulieren und versuchen, den Schiedsrichter zu beeinflussen - das ist respektlos, das gehört sich nicht. Aber so sind sie, das ist ihre Mentalität und ihr Charakter", polterte Schweinsteiger.

Fast wirkten die Tiraden abgesprochen zwischen ihm und Joachim Löw. Erst kurz vor der Weltmeisterschaft hatte der Freiburger den Bayern-Profi ja zum Vize-Kapitän und zum "emotionalen Leader" ernannt. Schweinsteiger, alles andere als begriffsstutzig, hat die neue Rolle blitzschnell angenommen - auch die auf dem Platz.

Aus Schweini wird Schweinsteiger

Wie sein Münchner Trainerkollege Louis van Gaal hat Joachim Löw den strategisch begabten Profi vom rechten Flügel ins zentrale Mittelfeld gezogen, weil dort Schweinsteigers Qualitäten als Taktgeber erst richtig zum Tragen kommen. "Auf dieser Position gibt er dem Spiel Symmetrie, Ordnung und Struktur", sagte der Bundestrainer. Beim FC Bayern München hat Schweinsteiger in Mark van Bommel, bei der Nationalmannschaft in Sami Khedira zwei Partner an seiner Seite, die sich ideal mit ihm ergänzen. "Mal geht der eine in die Offensive, mal der andere. Da verständigen wir uns per Blickkontakt. Wir sind ja beide taktisch gut ausgebildet", sagt Khedira über die Rollenverteilung.

Erleichtert hat sich Bastian Schweinsteiger den Wechsel ins ernsthafte Fach mit einem selbstverordneten Wandel seiner Persönlichkeit. Aus dem unbekümmerten "Schweini" der Weltmeisterschaft 2006 ist vier Jahre später der seriöse Schweinsteiger geworden. Früher sei das öffentliche Bild über ihn "anders gewesen, als ich wirklich war". Allerdings hat er früher auch wenig getan, um das Image des Luftikus zu korrigieren, "aber wir sind ja alle vier Jahre älter und reifer geworden".

Er habe auch "außerhalb des Platzes mehr Verpflichtungen", erklärte Bastian Schweinsteiger. Dazu gehörte auch der gestrige Auftritt als Provokateur. Schweinsteiger hofft am Samstag "auf einen Schiedsrichter, der ein Gefühl dafür hat, wer wen provoziert". Und wo er schon mal in Rage war, schimpfte er auf die argentinischen Fans: "Sie sitzen im Stadion zusammen, obwohl sie gar nicht die Tickets dafür haben. Dafür müssen sich dann andere hinstellen. Das zeigt schon ein bisschen ihren Charakter."

Dann beruhigte er sich. Wie ein Scherz mutete es an, als er sagte: "Wir dürfen uns am Samstag auf keinen Fall provozieren lassen."

Das Zündeln können sie aber nicht lassen. "Nach einem Sieg können wir ruhig wieder in den Infight gehen", sagte Thomas Müller und grinste. Sein erster Adressat ist dann wohl Diego Maradona.