Auf insgesamt 830 m² Wandfläche kommen Boulderfans im Kletterzentrum auf der Waldau künftig auf ihre Kosten. Foto: Pressefoto Baumann

Bouldern liegt im Trend. Dem wird der Deutsche Alpenverein (DAV) jetzt noch besser gerecht als bisher. Auf der Waldau in Degerloch können Kletterer aber auch für ihre Sicherheit üben.

Stuttgart - Gerhard Lorch ist sichtlich stolz. Der Technische Geschäftsführer der Sektion Stuttgart des Deutschen Alpenvereins (DAV) steht an der Außenwand des Kletterzentrums auf der Waldau und begutachtet seine Erfindung: einen sogenannten Sturzstand. Das Trainingsgerät ragt 16 Meter in die Höhe und sieht aus wie eine Mischung aus Treppenlift und Flaschenzug. Kletterer können daran üben, einen Partner richtig zu sichern – ohne dabei den Gesicherten in Gefahr zu bringen.

Denn oben am Seil hängt kein Mensch, nur eine Menschenpuppe mit 80 Kilogramm Gewicht. Der Stand ist Teil des neuen Anbaus an der Kletterhalle, die der DAV an diesem Freitag eröffnet. „Mit dem Sturzstand lassen sich alle Situationen, die beim Klettern auftauchen können, simulieren“, sagt Lorch. Gerade durch unsachgemäßes Sichern passieren in dem Sport immer wieder Sturzunfälle.

Zwar gab es im Kletterzentrum des DAV schon lange keinen mehr. Doch Lorch will mit dem Sturzstand noch besser vorsorgen. Ein vergleichbares Gerät gebe es für Kletterer bislang nicht. „Nicht in Deutschland, nicht in Europa und wohl auch nicht im Rest der Welt“, sagt er.

Neben dem Sturzstand weiht der Alpenverein an diesem Freitag auch seine neue Boulder-Halle ein. Insgesamt 500 m² Kletterfläche in zwei Räumen stellt der DAV auf der Waldau damit zusätzlich zur Verfügung. Und die sind ausgestattet mit modernster Technik: LED-Leuchten sorgen für die passende Beleuchtung, eine Wand lässt sich bis zu 45 Grad neigen, und die Boulderer können durch Überhänge, Löcher, Kluften und Schrägen kraxeln. Ganz oben unter der Hallendecke wartet auf die Gipfelstürmer ein kleiner Balkon.

In den Hallen hat der DAV darauf geachtet, möglichst viel Holz zu verbauen. Auch aus energetischen Gesichtspunkten ist der Neubau auf dem aktuellsten Stand. Doch die Renovierung kam den Alpenverein nicht gerade billig. All das verschlang rund eine Million Euro. Geld, das der DAV fast alleine aufbringen musste.

Die einzige Unterstützung kam vom Württembergischen Landessportbund (WLSB), der 50 000 Euro zugeschossen hat. „Die Stadt hat ihre Schatulle nicht geöffnet“, sagt Lorch mit Bedauern. Der Anbau war allerdings dringend nötig: Immer mehr Kletterer verlangten nach Flächen zum Bouldern. Ein entsprechendes Angebot gibt es auf der Waldau zwar seit 2005. Doch es genügte den Anforderungen bald nicht mehr.

Zu wenig Platz, zu dunkel und zu versteckt waren die Boulder-Möglichkeiten im Kletterzentrum. „Mittlerweile gibt es für diese Disziplin auch viele andere Angebote in Stuttgart und Umgebung. Viele Leute gehen lieber dorthin. Auch deswegen wollten wir uns da neu aufstellen“, sagt Gerhard Lorch. Doch was macht das Bouldern eigentlich so reizvoll?

Im Vordergrund steht dabei eher die Herausforderung, bestimmte „Probleme“ zu lösen. Also über einen vorher bestimmten Pfad auf der Wand von A nach B zu gelangen. „Das führt zu den wildesten Verrenkungen, und findet vielleicht gerade deshalb immer mehr Anhäger“, sagt Lorch. Außerdem benötigt man weder Gurt noch Partner zum Sichern. Wohl aber spezielle Wände mit Weichbodenmatten davor. Gebouldert wird immerhin an bis zu 4,50 Meter hohen Wänden.

Nötig wurde der Anbau aber auch, um den Wettkampfkletterern einen Rückzugsraum zu geben. Da es auf der Waldau vor allem abends zu voll ist, blieb für sie oft kein Platz mehr, um in Ruhe zu trainieren. In dem neuen Multifunktionsraum im ersten Stock sollten sie dazu jetzt ausreichend Gelegenheit haben. Er hat eine Höhe von 3,70 Metern und ist mit dreischichtigen Weichbodenmatten ausgelegt. Der zweite Raum geht mit sechs Metern Höhe schon fast als Halle durch.

Im gesamten Zentrum wird es damit 4500 Quadratmeter Kletterfläche geben. Gerhard Lorch hofft, dass das Angebot mindestens so viele Besucher wie in den vergangenen Jahren anzieht: 120 000 pro Jahr. Im Frühsommer will der DAV auf der Waldau sogar den millionsten Besucher seit der Eröffnung 1994 begrüßen.