Der Stuttgarter Kessel ist im Ranking hinter München. Foto: dpa

Im Vergleich der deutschen Metropolen und Großstädte schneidet Stuttgart meist gut ab. Doch jetzt bescheinigt eine Studie der Landeshauptstadt nachlassende Dynamik.

Stuttgart - Es hat reichlich Trost gegeben für die baden-württembergische Landeshauptstadt bei der Vorstellung des im Zweijahresabstand durchgeführten Städterankings am Freitag. Das war nötig, denn Stuttgart ist von Platz fünf auf neun zurückgefallen. „Stuttgart gehört zu den herausragenden Wissensmetropolen, die durch attraktive Standortbedingungen hochqualifizierte Arbeitskräfte anziehen“, sagte Stefan Böhmerle, stellvertretender Niederlassungsleiter der Privatbank Berenberg in Stuttgart. Und diese Menschen arbeiteten in einer forschungsstarken Industrie und bei „wissensintensiven“ Dienstleistern. Auch vom Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Henning Vöpel, kam eine Erklärung für den Absturz Stuttgarts: „Da die Stadt eines der höchsten Niveaus in der Produktivität aufweist, ist es für Stuttgart ungleich schwerer, weitere hohe Zuwächse an der Produktivität zu erzielen.“

 

München nach wie vor auf Platz Eins

Gleichwohl muss das Ergebnis des gemeinsam vom HWWI und der Berenberg-Bank erstellten Rankings der 30 größten Städte Deutschlands in Sachen Zukunftsfähigkeit als ernüchternd für Stuttgart betrachtet werden. Denn die Maßstäbe des Städtevergleichs werden auf alle Städte angewandt. Im Test belegt München – eine ebenfalls prosperierende Großstadt – nach wie vor Platz eins. Hamburg hat seinen achten Platz locker verteidigt. Untersucht werden im Ranking die ökonomische Leistungskraft einer Stadt (Trendindex), ihre Bevölkerungsentwicklung bisher und in der Zukunft (Demografieindex) sowie harte Standortfaktoren wie Bildung, Innovation, Internationalität und die Erreichbarkeit, also Nähe zu Flughäfen, Autobahn und Schnellbahnen (Standortindex). „Sowohl bei der ökonomischen als auch bei der demografischen Entwicklung hat die baden-württembergische Landeshauptstadt etwas an Dynamik und Schwung verloren. Sie liegt in diesen Punkten unter dem Durchschnitt der 30 größten Städte“, sagen die Autoren.

Allerdings müssen die Rahmenbedingungen des Vergleichs erklärt werden: Gemessen werden nicht die absoluten Werte – etwa die Höhe des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor Ort –, gemessen wird die Dynamik der Entwicklungen. „Der Trendindex wird somit nicht von den Städten angeführt, die die höchste Zahl an Einwohnern und Erwerbstätigen hinzugewinnen konnten oder deren Produktivität die höchsten Werte aufweist, sondern von Städten, die die höchsten prozentualen Zugewinne im betrachteten Zeitraum verzeichnen konnten“, heißt es in der Untersuchung. Die Gewinner seien dynamische Städte.

Bei der Demografie schwächelt die Schwabenmetropole

Dabei bedeute ein schwaches Abschneiden nicht, dass sich eine Stadt negativ entwickle, es zeige nur, dass die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit woanders besser sei. So hatte Stuttgart im Zeitraum von 2008 bis 2011 bei der Entwicklung der Produktivität (BIP je Erwerbstätigen) noch ein Plus von fast zehn Prozent, was sich im zuletzt betrachteten Zeitraum von 2011 bis 2014 dann mehr als halbierte. Ein baden-württembergischer Aspekt am Rande: Sowohl Karlsruhe als auch Mannheim verzeichnete bei der Produktivität eine dynamischere Entwicklung. Auch was die Bevölkerungsentwicklung anbelangt, schwächelt Stuttgart vergleichsweise. Alle betrachteten 30 Städte haben an Einwohnern hinzugewonnen, sogar Gelsenkirchen, die Stadt, die beim letzten Städtevergleich noch Einwohner verloren hatte und jetzt wieder die rote Laterne trägt.

Aber bei den Wanderungssalden (der Differenz zwischen Zuzügen und Fortzügen) liegen andere Städte weit vor Stuttgart: Berlin lockte fast 160 000 Menschen an, München rund 69 000 und Hamburg knapp 53 000. Auch Leipzig, Frankfurt und Köln liegen vor Stuttgart, das auf rund 25 000 Bürger mehr kommt. Immerhin sind die Aussichten für Stuttgart besser, denn der demografische Ausblick bis 2030 sei positiv. Die Studie prognostiziert der Landeshauptstadt einen Bevölkerungsanstieg von 5,8 Prozent, auch bei den Erwerbspersonen wird ein „erfreulicher Zuwachs“ erwartet.

„Stuttgart zeigt seit Jahren eine weitgehende Konstanz und offenbart keine wesentlichen Schwächen“, sagt HWWI-Direktor Vöpel, die Zukunftsaussichten seien positiv. „Allerdings kann die Stadt in keinem der drei untersuchten Teilbereiche mit Bestnoten punkten. Stuttgart sollte seine Potenziale besser ausschöpfen und mehr Fahrt aufnehmen, um den Strukturwandel weiter voranzutreiben.“

Der Ruhrpott ist das Schlusslicht

Auf der Habenseite steht, dass in Stuttgart fast jeder Zweite (49,8 Prozent) in einem „wissensintensiven“ Unternehmen arbeitet, das ist ein Spitzenwert, und Stuttgart liegt damit vor München und Düsseldorf. Beim Anteil der Beschäftigten mit Fach- oder Hochschulabschluss (29 Prozent) liegt die Stadt hinter München auf dem zweiten Platz, die Schlusslichter bilden hier NRW-Städte wie Gelsenkirchen und Mönchengladbach.

Auch bescheinigt die Studie der Landeshauptstadt, im Kulturstädteranking 2016 die Nummer eins zu sein – vor München und Dresden. Stuttgart habe ein „vergleichsweise breites Kulturangebot, verbunden mit einer hohen Kulturnachfrage“. 7,6 Prozent der Beschäftigten arbeiten hier in der Kulturwirtschaft, das ist weit über dem Bundesdurchschnitt von 2,9 Prozent.

Zu den Auffälligkeiten gehört, dass mit Leipzig erstmals eine Stadt aus den neuen Ländern den Sprung auf Platz zwei schaffte. „Die größte Stadt Sachsens hat seit 2008 eine rasante Aufholjagd hingelegt“, sagt Vöpel. Mit einem Bevölkerungszuwachs von zehn Prozentpunkten und einem Plus von sieben bei den Erwerbstätigen erzielt Leipzig Rekordwerte. Ähnliches gilt für Dresden, das einen „gewaltigen Schritt“ nach vorn gemacht und auf den vierten Rang geklettert ist. Die Bankenstadt Frankfurt konnte sich leicht verbessern auf Platz drei.

Berlin hatte beim Städteranking 2015 noch Platz zwei, es fiel nun wegen seiner schwachen Produktivitätsentwicklung auf den fünften zurück. Selbst im Gesamtbild schwache Städte können in einzelnen Disziplinen punkten: Chemnitz etwa, für das die höchsten prozentualen Verluste an Erwerbspersonen prognostiziert werden, das andererseits als Unistadt einen Spitzenzuwachs von ausländischen Studenten hat (plus 10,1 Prozentpunkte). Jeder vierte Student kommt dort aus dem Ausland. Als Sorgenkinder gelten erneut die alten Industriestädte im Westen. Unter den letzten zehn Städten im Ranking liegen acht in Nordrhein-Westfalen.