Die Güterbahn fährt seit Jahren Verluste ein. Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Der Staatskonzern und die Regierung müssen die enormen Finanzhilfen und Verlustübernahmen für DB Cargo rechtfertigen. Das erhöht den Sanierungsdruck bei der hochdefizitären Güterbahn.

An diesem Donnerstag legt Richard Lutz die Halbjahreszahlen vor. Im März hatte der Chef der Deutschen Bahn AG bereits eingeräumt, dass der größte Staatskonzern in diesem Jahr erneut hohe Verluste von rund einer Milliarde Euro erwarte. Damit würde das Minus auf rund acht Milliarden Euro in den vier Jahren mit tiefroten Zahlen seit 2019 wachsen.

Überaltertes und überlastetes Netz, Baustellenflut, Betriebsstörungen, Rekordverspätungen – es gibt massive Probleme und Defizite in fast allen Bereichen. Neben der lange vernachlässigten Infrastruktur ist der Frachtverkehr das größte Sorgenkind. Die DB Cargo AG fuhr allein ein Minus von 858 Millionen Euro ein, das komplett vom Konzern ausgeglichen werden musste, der selbst klamm und von riesigen Staatshilfen abhängig ist.

Bald könnte noch mehr Ungemach drohen. Die EU-Kommission prüft nach Beschwerden von Konkurrenten seit Anfang 2022 die zahlreichen Finanzhilfen des DB-Konzerns und des Staates für das Frachtunternehmen. Es geht um vier Themen. Erstens um die unbegrenzte Verlustübernahme durch die DB AG seit 2012, insgesamt mehrere Milliarden Euro. Zweitens um mögliche Vorzugspreise für Dienstleistungen des Konzerns. Drittens um Vorzugsbedingungen und niedrige Zinsen für Kredite des Konzerns und viertens um die teilweise Bezahlung von Cargo-Beschäftigten durch das Bundeseisenbahnvermögen.

Der Konzern weist die Vorwürfe zurück

Zum Stand des Verfahrens ist wenig zu erfahren. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück. Es gebe „schon tatbestandlich keine Beihilfen“, heißt es bei DB Cargo. Das Ergebnis und Ende der vertieften Ermittlungen sei offen, betont eine Sprecherin von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gegenüber unserer Zeitung. Zunächst wurde die Bundesregierung zur Stellungnahme aufgefordert, dann die übrigen Beteiligten.

Auch gegen Frankreich ermittelt Brüssel. Die Regierung Macron steht unter Druck, weil die Staatsbahn SNCF mit Duldung der Politik zwischen 2007 und 2019 ihrer Frachttochter Fret SNCF erst mehr als vier Milliarden Euro Barvorschüsse gezahlt haben soll und danach bei der Neuaufstellung der Gütersparte 5,3 Millionen Euro Schulden gestrichen wurden – mutmaßlich unter Verstoß gegen EU-Wettbewerbsregeln.

Für Volker Wissing ist der Druck aus Brüssel wenig angenehm. Der Bundesverkehrsminister hat gerade erst bei Finanzminister und FDP-Parteifreund Christian Lindner erreicht, dass der Haushaltsentwurf weitere rund zwei Milliarden Euro Förderung allein für den hochdefizitären Einzelwagenverkehr von DB Cargo vorsieht. Das umweltschonende und bundesweite Netzwerk von Güterzügen, Gleisanschlüssen und Rangierbahnhöfen soll erhalten werden, denn es vermeide 40 000 Lkw-Fahrten pro Tag, so Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. Doch die private Konkurrenz protestiert scharf auch gegen diese Pläne und befürchtet, es gehe vor allem darum, das defizitäre Bundesunternehmen weiter zu subventionieren.

Milliardenschwere Verbindlichkeiten

Wie hoch die Verluste im Einzelwagenverkehr wirklich sind, erschließt sich aus den Geschäftsberichten nicht, da Details fehlen. Der DB-Konzern weist in seiner im März veröffentlichten Bilanz für DB Cargo insgesamt ein um 39 Prozent erhöhtes Minus von 729 Millionen Euro vor Steuern aus. Darin sind allerdings auch Auslandsgeschäfte und alle Tochtergesellschaften enthalten, zudem wird dort nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) bilanziert.

Der unlängst veröffentlichte Einzelabschluss der in Mainz ansässigen DB Cargo AG mit dem Jahresverlust von 858 Millionen Euro dagegen wird nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) erstellt. Diese Ergebnisse seien für den Verlustausgleich durch den Konzern relevant, sagt eine Sprecherin von DB-Finanzchef Levin Holle auf Anfrage. Bilanzen nach HGB und IFRS unterscheiden sich zum Beispiel bei der Berechnung von Abschreibungen und Pensionsverbindlichkeiten, dazu kann es zu erheblichen Abweichungen unterm Strich kommen.

Laut aktueller Bilanz hatte DB Cargo zum Jahreswechsel konzerninterne Kreditlinien von bis zu 750 Millionen Euro, von denen 572 Millionen schon in Anspruch genommen wurden. Offenkundig zu günstigen Konditionen, den die gesamten Zinszahlungen an den Konzern beliefen sich voriges Jahr auf gerade mal 34 Millionen Euro. Die gesamten Verbindlichkeiten gegenüber dem Konzern und verbundenen Unternehmen werden demgegenüber auf mehr als 2,8 Milliarden Euro beziffert.