Von Eva KrafczykGULU. Margareth Aciro muss nur in den Spiegel sehen,

Von Eva Krafczyk

GULU. Margareth Aciro muss nur in den Spiegel sehen, um an jenen Tag vor fünf Jahren erinnert zu werden, der ihr Leben aus der Bahn warf. Die Spuren der Macheten sind weiter sichtbar, da hilft auch die Operation niederländischer Ärzte nicht, die die schlimmsten Entstellungen zu beseitigen versuchten. Doch die dicken Narben an den Lippen, die deformierte Nase, die Ohren, an denen die halbe Ohrmuschel fehlt, zeichnen das Gesicht der 29-jährigen Uganderin, die mit ihrem Mann und sechs Kindern am Rand von Gulu lebt, zeit ihres Lebens.

¸¸Es war ein normaler Morgen, und wir gingen Wasser am Fluss holen', erinnert sie sich. Damals lebten sie im Dorf ihres Mannes Patrick Opiro, und in Norduganda herrschte Bürgerkrieg. Margareth und Mary, die andere Ehefrau Patricks, gingen mit Nachbarinnen zum Fluss, in der Hoffnung, das sei sicherer. Die Soldaten des Joseph Kony, des Kommandeurs der Widerstandsarmee des Herrn (LRA), verschleppten immer wieder Frauen und Mädchen in den Busch. Die LRA mordete und folterte im Namen Gottes. An jenem Morgen tauchten die LRA-Kämpfer an dem Fluss auf, an dem Margareth mit vier anderen Frauen Wasser holen wollte. ¸¸Sie haben uns gefesselt. Dann haben sie eine Frau nach der anderen mit ihren Macheten abgeschlachtet.' Margareths Stimme klingt ruhig. ¸¸Ich wartete nur darauf, dass ich an die Reihe kam. Ich hörte Mary schreien und röcheln, dann war alles still.' Margareth, im neunten Monat schwanger, hatte mit ihrem Leben abgeschlossen.

Kony wollte mit seiner Armee im Norden Ugandas einen fundamentalistischen Gottesstaat errichten. Doch zugleich war bei den Rebellen mancher traditionelle Geisterglaube des Acholi-Volkes tief verankert. Das sollte Margareth das Leben retten: ¸¸Die Rebellen sahen, dass ich schwanger war, und sie hielten es für ein böses Omen, mich zu töten.' Die Mörder glaubten, der Geist des Kindes würde die schwangeren LRA- Frauen verfluchen. Margareth überlebte - aber die Rebellen schnitten ihr Teile der Lippen, Ohren und Nase ab und schickten sie blutend ins Dorf zurück.

Die allermeisten Täter waren 14 bis 16 Jahre alt. Die LRA ist berüchtigt für den Einsatz von Kindersoldaten. Rund 30 000 Kinder und Jugendliche entführten die Rebellen während des seit fast 20 Jahre andauernden Bürgerkriegs in Uganda. An das Schicksal von Kindersoldaten wird am ¸¸Red Hand Day' am 12. Februar erinnert.

Margareth wurde in ein Krankenhaus gebracht. ¸¸Als meine Familie mein verbundenes Gesicht sah, hat sie geweint', sagt die hochgewachsene Frau. ¸¸Aber ich habe ihnen gesagt, es gibt keinen Grund, um mich zu weinen - ich lebte doch noch.' Der eigentliche Zusammenbruch kam, als sie nach Hause zurückkehrte, ohne Verbände und mit dem verstümmelten Gesicht: ¸¸Mein dreijähriger Sohn brauchte Tage, bis er sich in meine Nähe getraut hat.' Plötzlich ist der Gleichmut in ihrer Stimme weg. ¸¸Damals habe ich mir manchmal gewünscht, sie hätten mich besser getötet, als so zu überleben.'

Die Frage, wie aus Kindern brutale Killer wurden, hat Margareth ins Aufnahmezentrum für ehemalige Kindersoldaten in Gulu getrieben. Dort hat die Hilfsorganisation World Vision eines von zwei Zentren. Jetzt sind die Zelte, in denen vor ein paar Jahren bis zu 200 ehemalige Kindersoldaten auf einmal Aufnahme fanden, leer. Aber noch immer finden hier ehemalige Kindersoldaten Therapeuten und Gesprächspartner.

Bei den Treffen lernte Margareth Jane kennen. Die 26-Jährige hat keine Narben im Gesicht. Aber auch sie ist ein Opfer von Kony. Sie war zwölf, als sie von seinen Männern verschleppt wurde. Damals brauchte Kony Kinder - als Killer und Lastenträger, als Sexsklavinnen der Offiziere. Auch Jane wurde einem Kommandeur zugeteilt. ¸¸Wenn du schreist, stirbst du', wurde ihr vor der ersten Vergewaltigung klargemacht.

Sie sollte vor allem Soldatennachwuchs für die LRA gebären. Doch anders als die Mehrzahl der Mädchen wurde Jane nicht schwanger. Stattdessen machte sie militärisch Karriere, stieg zum Commander auf - als eine von ganz wenigen Frauen - und gehörte zu Konys Leibwächtergarde. Jane klingt stolz, wenn sie von den Kämpfen gegen die Regierungsarmee berichtet. Und die Überfälle auf Dörfer, die Massaker an Zivilisten, die Verstümmelungen? Davon ist von Jane nichts zu hören.

Konys schmutziger Krieg geht weiter. Nach militärischen Erfolgen der ugandischen Armee hat er sich mit seinen Getreuen seit 2006 in einem Dschungelgebiet im Nordostkongo verschanzt. Von hier aus überfällt er Dörfer in der Umgebung, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik, entführt neue Kindersoldaten.

Wenn Jane an ihre verlorene Kindheit und Jugend denkt, bröckelt die Maske der selbstbewussten jungen Frau, die immer nur Stärke demonstriert. ¸¸Für ehemalige Kindersoldaten gab es längst nicht überall ein Willkommen', sagt sie. ¸¸Wir sind stigmatisiert.' Selbst Therapeuten und Sozialarbeiter geben zu, dass manche der ehemaligen Kindersoldaten psychisch so gestört und voller Aggressionen sind, dass sie nicht wirklich integriert werden können und in ihren Dorfgemeinschaften als tickende Zeitbomben gefürchtet werden.