Wolfgang Petersen führt Regie: Szene am Set des Spielfilms „Das Boot“ (1981) Foto: imago images/epd

Wolfgang Petersen hat sich vom „Tatort“-Pionier zum deutschen Blockbuster-Regisseur in Hollywood entwickelt, mit Stars gearbeitet und einen Misserfolg gedreht. Nun wird er 80 Jahre alt.

Stuttgart - Als wäre man selbst im Innern eines deutschen U-Bootes unter Feindbeschuss, so fühlte sich Wolfgang Petersens Spielfilm „Das Boot“ (1981) an – er kam der klaustrophobischen Enge, dem schwelenden Lagerkoller und der eigenartigen Geräuschkulisse unter Wasser sehr nahe. Petersens Blick auf diesen speziellen Teil des Zweiten Weltkriegs hat als Inspiration für eine gleichnamige, international konkurrenzfähige Serie gedient (seit 2018), sein Geist ist die ganze Zeit über mit an Bord.

 

Petersen, 1941 geboren im ostfriesischen Emden als Sohn eines Marine-Offiziers, schrieb das Drehbuch selbst auf Grundlage des Romans von Lothar-Günther Buchheim. Der Regisseur erweckte eine Besatzung aus prototypischen Unterseebären zum Leben, allen voran den harten, einsilbigen Kommandanten, der Haltung bewahrt und sich den Zwängen des Naziregimes nicht beugen will. Jürgen Prochnow, ein Lieblingsschauspieler des frühen Petersen, gestaltete die Figur souverän und angespannt zugleich, der Druck der Verantwortung überträgt sich auf die Zuschauer. Auch das ausländische Publikum entwickelte Sympathien für diesen „anständigen Deutschen“.

Ein „Tatort“-Pionier

Petersen war da bereits ein angesehener Fernsehregisseur. Seine Inszenierungen der Fälle mit Klaus Schwarzkopf als Kieler Kommissar Finke prägten die junge Krimireihe „Tatort“. Im achten Film „Tatort: Blechschaden“ (1971) waren Ruth Maria Kubitschek und Götz George als Ehebrecher zu sehen, im 19. Film „Tatort: Strandgut“ (1972) Rolf Dieter Zacher als betrügerischer Erpresser auf Sylt, im 29. Film „Tatort: Jagdrevier“ (1973) Jürgen Prochnow als entflohener Häftling. Legendär geworden ist der 73. Film „Tatort: Reifezeugnis“ (1977): Nastassja Kinski spielt da die 16-jährige Schülerin Sina Wolf, die ein Liebesverhältnis mit ihrem Lehrer Helmut Fichte (Christian Quadflieg) hat und einen eifersüchtigen Mitschüler erschlägt, der sie vergewaltigen will.

Mit „Das Boot“ zeigte Petersen, dass er auch großes Kino konnte. Das war ganz nach dem Geschmack des aufstrebenden Filmproduzenten Bernd Eichinger („Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“). Er heuerte Petersen an, Michael Endes „Unendliche Geschichte“ zu verfilmen – gegen alle Einwände, das Buch sei unverfilmbar, weil es doch von individueller menschlicher Fantasie handelt. Petersen gelang es, Bilder zu finden, auf die viele sich einigen konnten; Ende selbst gehörte nicht dazu. Das Modell des Glücksdrachen Fuchur ist noch heute in den Münchner Bavaria-Studios ausgestellt.

Durchbruch dank Clint Eastwood

Dieser internationale Erfolg rief Hollywood auf den Plan. Zunächst durfte Petersen das verfahrene Science-Fiction-Filmprojekt „Enemy Mine – Geliebter Feind“ (1985) mit Dennis Quaid retten, das er in München und auf Lanzarote zu Ende drehte. Seine erster in den USA gedrehter Film wurde „Tod im Spiegel“, ein solider Film noir in Hitchcock-Tradition (1991), zu dem er auch das Drehbuch schrieb.

Den Durchbruch verdankt Petersen aber Clint Eastwood, der ihn als Regisseur für den Thriller „In the Line of Fire – Die zweite Chance“ (1993) engagierte. Eastwood spielt darin einen alternden Secret-Service-Agenten in der Krise, und Petersen setzte bei diesem Film als einer der Ersten digitale Effekte ein. In „Outbreak – Lautlose Killer“ (1995) spielte dann Dustin Hoffman einen Virologen, der eine Seuche in Afrika gegen den Widerstand von Teilen des US-Militärs bekämpft. Nun war Petersen der zweite deutsche Blockbuster-Regisseur in Hollywood neben Roland Emmerich.

Die Stars standen Schlange

Überhaupt scheinen die Stars bei Petersen Schlange gestanden zu haben: Harrison Ford, nach „Star Wars“ und „Indiana Jones“ eher wählerisch, verkörperte in „Air Force One“ einen US-Präsidenten und Vietnam-Veteranen, der sich gegen russische Kidnapper seines Flugzeugs zur Wehr setzt. George Clooney wiederum spielte in „Der Sturm“ (2000) einen Fischer, der auf dem Atlantik in das Unwetter seines Lebens gerät.

„Entscheidend ist, dass der Regisseur am Set alle Fäden in der Hand hält und hundertprozentig weiß, was er will. Das spüren die Schauspieler“, sagte Petersen 2007 den Stuttgarter Nachrichten über seinen Umgang mit den Stars. „Ich bin kein Diktator, ich vermittle einen Glauben, eine Überzeugung, die den Schauspielern Sicherheit gibt. Alle Schauspieler sind unsicher. Und wenn der Regisseur nicht der Anführer ist, laufen die Dinge leicht aus dem Ruder.“

„Troja“ verunglückte zunächst

Ein Monumentalfilm hätte Petersens Opus magnum werden können, doch er verunglückte: „Troja“ (2004). Brad Pitt zeigte eine charismatische Meisterleistung als Achilles, an dem allein der Erfolg der Belagerung Trojas durch griechische Heere hängt. Pitt verkörperte ihn als penetrant unangestrengten Krieger von unbändiger Körperspannung, raubtierhafter Eleganz und gespenstischer Unbesiegbarkeit, die Kulisse war spektakulär bis hin zu einem gigantischen hölzernen Pferd. Doch das zweieinhalbstündige Drama, in dem auch Eric Bana als Hektor und Diane Kruger als Helena zu sehen waren, wirkte zerfahren und wenig stringent.

Er habe zwar den Final Cut, die Hoheit über die Endfassung, sagte Petersen damals. Doch in seinem Vertrag habe gestanden, „dass der Film nicht länger als zweieinhalb Stunden sein darf. Und die Gewalt- und Liebesszenen sollten so geschnitten sein, dass wir in den USA die Altersgrenze 13 erreichen. Immer wieder wurde herumgeschnitten, und ich dachte die ganze Zeit: Der bessere Film muss noch da sein.“ Also fertigte er in dreimonatiger Arbeit einen dreistündigen Director’s Cut an, und auf einmal war alles da: Zusammenhänge, Emotionen, Spannung, Leidenschaft.

Lieber kürzere Filme

„Das ist ein gewaltiges Epos mit vielen Figuren, das muss einfach länger sein“, sagte Petersen, der am 14. März 80 Jahre alt wird. „Dabei erscheint der Film jetzt fast kürzer, weil er die Zuschauer ganz anders in seinen Bann zieht. Ich bin nur ein bisschen wehmütig, dass die meisten Leute den besseren Film nicht im Kino gesehen haben.“ Was auch an der gewaltigen Überlänge lag, die er tatsächlich selbst für problematisch hält: „Die meisten Filme sind kürzer besser. ,Titanic‘ und der ,Herr der Ringe‘ sind Ausnahmen. Schon ,King Kong‘ hätte kürzer sein können. Bei ‚Troja‘ hingegen hat die zusätzliche halbe Stunde dem Film eindeutig genutzt.“