Ganz der alte: Obelix muss zunächst darben, blüht am Ende aber so richtig auf Foto: Ehapa Egmont Verlag

Im zweiten Anlauf gelingt Texter Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier Conrad ein Kunststück: Sie bringen die Comic-Reihe „Asterix“ wieder auf das humoristische Niveau ihrer Glanzzeit und setzen ihr zugleich ein Denkmal.

Berlin - Für viele Freunde der unbeugsamen Gallier wird dieses Leseerlebnis sein wie ein Heimkommen: „Asterix“ fühlt sich fast wieder an wie früher, als René Goscinny und Albert Uderzo in Bestform waren. Auf eine naheliegende Idee sind diese erstaunlicherweise nicht gekommen: Julius Cäsars berühmte Schrift „Commentarii de Bello Gallico“ („Der gallische Krieg“) in ein Abenteuer einzubauen. Das tun jetzt die von Uderzo (86) berufenen Gralshüter Jean-Yves Ferri (56) und Didier Conrad (54).

In ihrem ersten Band („bei den Pikten“) haben sie Form und Tonfall noch geübt; nun sind sie zu würdigen Erben gereift. - Sie rücken Cäsars Publikation ins Zentrum einer Geschichte, in der es um Informationen geht und darum, wer wie damit umgeht, umgehen darf. Gewitzt schlagen Ferri und Conrad eine Brücke von der Antike in die Moderne und halten den Menschen den gallischen Spiegel vor – was ganz dem ursprünglichen Geist der Reihe entspricht und sie immer ausgezeichnet hat.

Cäsar hat sein Buch auf viele Papyrusrollen diktiert, als sein Berater Syndicus ihm rät, den Teil mit dem unbeugsamen kleinen Dorf wegzulassen – der Imperator soll einfach behaupten, er hätte ganz Gallien erobert, um den Senat zu beeindrucken. Cäsar folgt der Empfehlung, doch die fragliche Papyrusrolle wird entwendet und dem Kolporteur – heute würde man sagen: Whistleblower – Polemix zugespielt, der sie nach Gallien bringt.

Die abergläubischen Gallier lesen nur eins: das Horoskop, das ihr Leben durcheinanderbringt

Was folgt, ist eine brillante Satire auf die Informationsgesellschaft: Fakten treffen auf Gerüchte, Enthüllungsjournalismus auf Lauschangriffe; schlampiges Mithören produziert ebenso große Missverständnisse wie die „stille Post“ schon beim ersten Weitersagen; Kurznachrichten werden mit Tauben verschickt und auch akustisch verbreitet, es gibt „Notfallprotokolle“, Legionäre tragen Namen wie Datenflus und Antivirus.

Die abergläubischen Gallier indes lesen nur eins: das Horoskop, das ihr Leben nachhaltig durcheinanderbringt und Obelix sogar „völlig verstört“ – weil er sich mäßigen soll, wo es ihn am meisten schmerzt: bei Wildschweinen und Konflikten. „Viele neigen dazu, zu glauben, was geschrieben steht. Ein seltsames Phänomen!“, sagt Druide Miraculix. Er gibt sich als unbeugsamer Hüter der Tradition mündlicher Überlieferung, deren Tücken er freilich bald spürt bei einer Reise zu seinem Großmeister Archaeopterix in den Karnutenwald.

Der Intellektuelle Asterix und der Bauchmensch Obelix sind einmal mehr ein unschlagbares Duo aus Geist und Kraft, das seine Gegensätze durchaus auslebt – was beider Freundschaft, und das ist das Wunderbare, keinen Abbruch tut. Obelix, bei den Pikten arg schwer von Begriff, ist nun wieder der Alte und hat viele köstliche kleine Szenen in seiner liebenswerten Einfalt.

Die Piraten stehlen nun Informationen

Ferri und Conrad spielen mit überspitzten Klischees wie früher Goscinny und Uderzo. In nahezu jedem Bild steckt ein hintersinniger Witz, und mancher zieht sich nach guter Tradition durchs ganze Heft. So kann auch „Der Papyrus des Cäsar“ Erwachsene wie gleichermaßen Kinder begeistern, weil der Band Komödie, Abenteuer und Satire in einem bietet, weil Schlägereien nirgends lustiger anzuschauen sind, weil beim Lesen die Sehnsucht erwacht, selbst ein wenig so zu sein wie dieses standhafte Dorf.

Die Piraten stehlen nun Informationen, die römische Dekadenz („Die spinnen, die Römer“) äußert sich in einer ausartenden Orgie zur Veröffentlichung von Cäsars Werk und in einer Dienstreise nach Gallien, auf die Syndikus „nur das Nötigste“ mitnimmt – was sich großzügig auslegen lässt. Der eitle Gallier-Häuptling Majestix ringt mit seiner Frau um die Autorität und möchte selbst ein Buch schreiben, der Barde Troubadix führt ein ganzes Arsenal fürchterlicher Instrumente vor.

Der Kolporteur Polemix, der glaubt, die Papyrus-Rolle werde „das ganze römische Reich erschüttern“, ist im Dorf auf der Suche nach der nächsten großen Schlagzeile. Er wirkt als Einziger zwiespältig, was vor allem an Begriffen hängt. Polemik stand ursprünglich für Streitkunst, heute gilt als polemisch, wer unsachlich argumentiert und andere herabwürdigt. Kolportage stand einst für das Überbringen von Nachrichten, bezieht sich heute jedoch auf Behauptungen und Gerüchte. Beides passt nicht zu einem investigativen Enthüller, der für Informationsfreiheit streitet, und dessen Sehnsucht nach großen Geschichten ist eine logische Folge seiner Berufung.

Ferri und Conrad nähern sich zusehends dem Original

Davon abgesehen hat das Asterix-Universum, unter Uderzo als Texter zunehmend aus den Fugen, seine Balance wieder. Das sympathische Zentrum bildet nun wieder der selbstironische französische Blick auf fröhliche, widerständige Vorfahren, die mit Vorliebe das Dasein genießen.

Die Bilder im gallischen Spiegel erheitern, machen nachdenklich, rühren an wie einst. Ferri und Conrad nähern sich dem Original und erweitern es behutsam, etwa wenn die Helden tiefer in den mythischen Karnutenwald eindringen als je zuvor. Und Conrads Zeichnungen, bei den Pikten noch etwas skurril, schließen nun an eine stilistische Entwicklung an, die Uderzo über die Jahre selbst stetig betrieben hat.

Am Ende steht diesmal nicht allein das Festbankett, mit dem die Gallier den guten Ausgang ihres Abenteuers feiern, sondern eine handfeste Überraschung. Uderzo dürfte begeistert sein; Goscinny hätte sie geliebt.