Der Blick in die optische Werkstatt von Carl Zeiss im Jahr 1864 zeigt Mechaniker und Lehrlinge beider Arbeit. Foto: Carl Zeiss AG

Im Alter von 30 Jahren wagte Carl Zeiss 1846 den Sprung in die Selbstständigkeit. Die Anfangsjahre waren teils schwierig. Sein enger Kontakt zu Unis und Wissenschaften führte zum Erfolg.

Stuttgart - Deutschland um 1840: Es ist die Zeit der Industrialisierung, die von England ausgehend nun nach Festlandeuropa überschwappt. Dampfmaschinen und Lokomotiven bringen die Wirtschaft in Schwung. Bergbau, Eisen- und Stahlproduktion sowie der Maschinenbau werden zum Wachstumsmotor. Die Optik ist in dieser Zeit noch handwerklich geprägt, ist in einem geschichtlichen Abriss der Carl-Zeiss-Stiftung im Internet nachzulesen. Die Funktionsweise eines Mikroskops wurde noch nicht im Detail verstanden, heißt es dort weiter.

Auch Carl Zeiss, der am 11. September 1816 als fünftes von insgesamt zwölf Kindern in Weimar geboren wurde und dessen 200. Geburtstag in diesen Tagen gefeiert wird, faszinierte die Optik zunächst weniger. Im Frühjahr 1834 begann er eine Mechanikerlehre, parallel besuchte er an der Uni Vorlesungen etwa in Mathematik, Mechanik und Chemie. Nach Wanderjahren, die ihn auch nach Stuttgart geführt haben sollen, machte sich der damals 30-Jährige im Jahr 1846 selbstständig: er erhielt die Konzession zur Fertigung und zum Verkauf mechanischer und optischer Instrumente sowie zur Errichtung eines Ateliers für Mechanik in Jena. Das Startkapital von 100 Talern – umgerechnet 3000 Euro – lieh ihm sein Bruder.

Brillen hatte Zeiss von Beginn an im Angebot

Zeiss, der die gleichen Vornamen wie sein Patenonkel Erbgroßherzog Carl Friedrich trug, konstruierte, baute und reparierte zunächst als Ein-Mann-Betrieb chemische und physikalische Instrumente; nebenher verkaufte er Brillen, Fernrohre, Mikroskope und Thermometer, die er von Händlern bezog. Doch schon bald stellte er selbst einfache Mikroskope her, mit denen 15-, 30- und 125fache Vergrößerungen möglich waren. Sein Förderer und Berater Matthias Jacob Schleiden hat bei der Wahl des neues Arbeitsgebietes eine wesentliche Rolle gespielt. Der Botaniker gilt als Mitbegründer der Zelltheorie und Pionier der Mikroskopie. Er kam damals zu dem Schluss, dass keines der am Markt verfügbaren Mikroskope „den Anforderungen des Praktikers ganz entspricht“, hat Schleiden in den 1840er Jahren geschrieben. Zeiss, der stets engen Kontakt zu Universitäten und Wissenschaftlern hielt, sah seine Chance. Es versprach ein lukratives Geschäft zu werden, denn nicht nur Naturwissenschaftler, sondern auch Mediziner fragten zunehmend Mikroskope nach. Dass Zeiss damit die Grundlagen für einen Weltkonzern in der Optik legen sollte, war damals aber nicht abzusehen. Die Carl Zeiss AG setzte zuletzt mit knapp 25 000 Mitarbeitern 4,5 Milliarden Euro um.

Doch die Erwartungen, die Zeiss in Mikroskope gelegt hatte, haben sich in den Anfangsjahren beileibe nicht erfüllt. 1847 verkaufte Zeiss insgesamt 23 Mikroskope, fünf Jahre später war der Absatz auf nur 38 Geräte gestiegen, ist der jüngsten Biografie des Firmengründers nachzulesen. Wie schlecht die Geschäft liefen, zeigt sich auch daran, das Zeiss, der der Bürgerwehr der Märzrevolution von 1848 angehörte, in seiner Werkstatt Handfeuerwaffen modernisierte, steht in der Zeiss-Biografie.

„Pröbeln“ lehnte Zeiss ab

Der Firmengründer ließ sich nicht entmutigen. Vielmehr investierte er in neue Techniken, um bessere Mikroskope mit höherer Vergrößerung zu fertigen, die von den Kunden verlangt wurden. Bisher hatte Zeiss die sogenannten zusammengesetzten Mikroskope, die Konkurrenten anboten, nicht im Programm. Die extrem aufwendigen Probierverfahren – Experten sprachen vom „Pröbeln“ – bei der Herstellung befriedigte ihn nicht. Damals erreichte man eine höhere Vergrößerung nur, wenn man in jedem Einzelfall das Zusammenwirken der verschiedenen optischen Systeme schlicht ausprobierte. Zeiss strebte eine rechnerische Lösung an – und konnte den Physiker Ernst Abbe, Privatdozent an der Uni Jena, gewinnen. Es erwies sich als geradezu ideale Verbindung. Abbe, der zuvor unter anderem Direktor der Sternwarte Jena war, hat das Unternehmen maßgeblich geprägt. Er war es, der das Stiftungsmodell einführte, das in abgeänderter Form bis heute fortbesteht. Viele der sozialen Errungenschaften, die Zeiss-Mitarbeiter in den folgende Jahren erhielten, gehen auf ihn zurück.

Zeiss wusste, was er an Abbe hatte. Im Katalog Nr. 19 warb er: „Die hier aufgeführten Mikroskop-Systeme sind sämtlich neuerdings auf Grund theoretischer Berechnung des Herrn Professor Abbe in Jena construiert“. Die Zeiss-Geräte galten als qualitativ hervorragend, trotz des deutlich höheren Preises riss die Nachfrage nicht ab. So konnte 1876 die Herstellung des 3000. Mikroskops gefeiert werden.

Otto Schott stößt zum Team

Doch Zeiss und Abbe waren mit der Qualität immer noch nicht zufrieden. Defizite sahen sie vor allem beim optischen Glas, das aus England, Frankreich und der Schweiz bezogen wurde. Die Qualität war mäßig, die Auswahl gering und es kam zudem zu Verzögerungen bei der Lieferung, steht in zeiss-Biografie. Die Lösung trug den Namen Otto Schott, ein Chemiker und Glasfachmann aus Witten, der 1879 Kontakt zu Zeiss aufnahm. In Jena errichtete er das Glaswerk Schott. Zeiss sollte den Erfolg nicht lange genießen. Er starb 1888. In diesem Jahr beschäftigte die Firma 340 Mitarbeiter. 1905 (dem Todesjahr von Abbe) standen bereits 1400 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste.

In späteren Veröffentlichungen werden denn auch häufig vor allem die unternehmerischen Leistungen von Ernst Abbe gewürdigt. Hatte der Firmengründer also vor allem Glück, dass er auf den richtigen Partner gesetzt hat? Wolfgang Wimmer, der Leiter des Zeiss Archivs, widerspricht. Er hebt den Weitblick des Gründers, über den es viele Legenden gebe, hervor, der stets enge Kontakt zu Wissenschaft und Universität hielt. So erkannte er frühzeitig die Defizite in der Mikroskopie. Nur deshalb nahm er Kontakt mit Abbe auf. Dass er den Physiker für sein Unternehmen gewinnen konnte, habe mit dem guten Ruf von Carl Zeiss als Unternehmer zu tun, so Wimmer. Es hat aber auch damit zu tun, dass zum damaligen Zeitpunkt die Lage für Privatdozenten an der Uni Jena eher prekär war. Der Gründer habe damit der Mikroskopie den entscheidenden Impuls gegeben. Zeiss-Chef Michael Kaschke lobt zudem das ausgeprägte Qualitätsbewusstsein, die Experimentierfreude, die Beharrlichkeit sowie die Risikobereitschaft des Gründers. In den nächsten Tagen feiert der Konzern und die Stadt Jena den berühmten Unternehmer. Start für die Feierlichkeiten ist der 11. September, am Tag des 200. Geburtstags. In Jena soll ein neues optisches Museum entstehen.

Meilensteine nach 1890

Um das Unternehmen nach den Tod des Gründers langfristig abzusichern, entschied sich Ernst Abbe für ein Stiftungsmodell. Mit dem Gewinn sollten Universitätsinstitute errichtet und Forschungsprojekte gefördert werden. Den Mitarbeitern etwa wurde ein Mindestlohn garantiert; zudem waren sie am Gewinn beteiligt.

Weltkrieg
Nicht nur im Ersten, vor allem auch im Zweiten wurde die Produktion auf optische Militärgeräte umgestellt. Im Zweiten Weltkrieg waren Flugzeuge, U-Boote, Panzer und Geschütze der deutschen Wehrmacht mit Zeiss-Geräten ausgerüstet. 14 000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene sollen in Jena gelebt und gelitten haben – den größten Bedarf hatten Zeiss und Schott. Nach der Kapitulation wurden zwei Zeiss-Werke aufgebaut – in Jena und in Oberkochen. An beiden Standorten wurden ähnliche Produkte gefertigt. Erst 1971 einigten sich die Unternehmen in London auf die Nutzung von Urheberrechten und Namen auf internationalen Märkten.

Vereinigung
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden beide Unternehmen wieder zusammengeführt; dies war mit Konflikten und Personalabbau verbunden. Aktuell umfasst das Zeiss-Portfolio vier Bereiche – die Lithografie-Optik zur Herstellung von Halbleitern, Mikroskope, Technik für die Augenheilkunde sowie Brillengläser und Objektive.