Der Freiburger Soziologe Andreas Anton beschäftigt sich mit unbekannten Flugobjekten und anderen ungeklärten Phänomenen jenseits unserer kleinen Welt.
Das Universum ist voller Schurken. In der Filmkomödie „Mars Attacks“ verwüsten die Marsianer unsere Erde. In „Independance Day“ will eine außerirdische Spezies die Menschheit vernichten. In der Filmreihe „Alien“ ist der extraterrestrische Horror ebenfalls allgegenwärtig.
Aber es gibt auch die guten Besucher. E.T. und Alf, die in den 80ern die Herzen des Publikums eroberten. Oder der weniger bekannte kleine Zauberer Popilus, der im gleichnamigen Kinderbuch von Meister Rokodu auf die Erde geschickt wird, um dort Abenteuer zu bestehen. Geschrieben hat das Buch Herbert Walz aus Trossingen. Mit seinen fantastischen Geschichten entführte er seinen Enkel Andreas Anton schon früh in andere Welten und öffnete ihm das Tor zum Universum.
Freiburg, Wilhelmstraße. Hier ist der Arbeitsplatz von Andreas Anton. Nicht bei der Krankenversicherung IKK, die in dem Zweckbau aus Beton ihren Sitz hat. Sondern im Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, das hier auch beheimatet ist und auf das nur ein unscheinbares Schild hinweist.
Das IGPP, laut eigenen Angaben das weltweit größte Institut seiner Art, wurde 1950 vom Psychologie-Professor Hans Bender gegründet. Es erforscht „bisher unzureichend verstandene Phänomene und Anomalien an den Grenzen unseres Wissens“. Kann jemand fühlen, wie es anderen Leuten geht? Was sie denken? Hat jemand eine Nahtoderfahrung gemacht? Alles Fälle für das IGPP.
Was ist Fantasie? Was sind Fakten?
Der Soziologe Andreas Anton, 38, beschäftigt sich in dem Institut neben anderen Themen mit Verschwörungstheorien, ein in Zeiten von Fake-News und Corona recht ergiebiges Forschungsfeld. Sein Schwerpunkt sind aber unbekannte Flugobjekte. Was ist dran an den Berichten über Ufo-Sichtungen? Was ist Fantasie? Was sind Fakten?
Wie hält er es mit der ominösen Ufo-Landung vom 8. Juni 1947? Damals berichten Zeitungen, die US Army habe der Regierung den Absturz eines Ufos nahe der Kleinstadt Roswell in New Mexiko gemeldet. Die Army bestätigt dies zunächst, dementiert dann aber gleich wieder. Die Trümmer gehörten vielmehr zu einem abgestürzten Wetterballon.
Der Vorfall gerät in Vergessenheit, bis ihn drei Jahrzehnte später die Autoren Berlitz und Moore ausgraben. Ihre These: Die US Army habe damals tatsächlich ein abgestürztes Raumschiff gefunden. Die Leichen von Aliens seien heimlich untersucht worden und würden bis heute versteckt. Andreas Anton bezeichnet das Roswell-Ereignis als eine Art Mutter aller modernen Verschwörungstheorien. Letztlich sei es den Amerikanern bei dem Roswell-Vorfall darum gegangen, das streng geheime Militärprojekt „Mogul“ zu verschleiern, mit dem sie sowjetischen Atombombentests auf die Spur kommen wollten.
Antons Herz schlägt für das Weltall. „Aber nur mit wissenschaftlicher Distanz kann man wirklich tief in diese Materie eintauchen“, sagt er. Der Grundstein für seine Begeisterung wird im Haus der Großeltern gelegt. Schon als Grundschüler hängt der Junge seinem Opa Herbert an den Lippen, wenn der erzählt. Bei den Großeltern herrscht ein offenes Klima, alle Themen, alle Fragen sind erlaubt. Enkel Andreas wurde Soziologe und Musiker – er spielt Schlagzeug in der Freiburger Metalband Seven Empires. Als Politiker verpasste er vergangenes Jahr den Einzug in den Bundestag. Obwohl der FDP-Kandidat im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen mit 16,8 Prozent der Erststimmen das bundesweit zweitbeste Ergebnis aller FDP-Kandidaten holte.
Bücher von Erich von Däniken
Bei Opa Herbert diskutiert man über irdische Politik, aber auch viel über die Möglichkeiten außerirdischen Lebens. „Sind wir allein?“ Die Frage wird zum Nährboden für Andreas Antons Leidenschaft. Als Kind erfährt er, dass es da dieses Freiburger Institut gibt. Das interessiert ihn sehr. Als Jugendlicher verschlingt er Bücher von Autoren wie Erich von Däniken, der seit den 60er Jahren einige Bestseller gelandet hat. Von Däniken vertritt die These, dass Außerirdische die Erde schon einmal besucht haben. Wenn Andreas abends im Bett liegt, träumt er sich in ferne Welten mit Zauberern, Raumschiffen und Aliens.
Von Dänikens Thesen steht er heute kritisch gegenüber. Dass es irgendwo da draußen noch anderes Leben gibt, hält er aber für wahrscheinlich. „Sie sind da – wie der Erstkontakt mit Aliens unsere Gesellschaft verändern könnte“ so der Titel eines seiner Bücher.
Dass die Bedingungen für wie auch immer geartete außerirdische Zivilisationen vorhanden sein könnten, dafür sprächen die Erkenntnisse von Astrophysikern und Astrobiologen, sagt Anton. Superteleskope wie das im vergangenen Dezember ins All geschickte James-Webb-Teleskop öffnen dem menschlichen Auge einen immer schärferen Blick auf die Entstehung des Universums, sie entdecken ferne Galaxien, zeigen die Geburt von Sternen und können womöglich Hinweise auf außerirdisches Leben geben, indem sie die Zusammensetzung von Atmosphären anderer Planeten untersuchen. Inzwischen bestätigt die US-Raumfahrtbehörde Nasa die Existenz von rund 5000 Exoplaneten – planetarische Himmelskörper, die sich außerhalb unseres Sonnensystems in der Milchstraße befinden.
Aufzeichnungen von US-Militärpiloten
Ein anderer Himmelskörper machte in den vergangenen Jahren Schlagzeilen: Das interstellare Objekt Oumuamua, das 2017 unser Sonnensystem passierte und dann wieder in den Tiefen des Alls verschwand. Sein zigarrenförmiges Aussehen, seine Flugbahn, seine Geschwindigkeit entziehen sich bekannten Mustern. Ein Phänomen, das manche Wissenschaftler rätseln lässt, ob es sich bei dem Objekt tatsächlich um einen Asteroiden handelt. Der Harvard-Astrophysiker Avi Loeb etwa hält Oumuamua für Alientechnologie.
Vor einem Jahr äußerte sich Barack Obama zu Himmelsobjekten, „von denen wir nicht genau wissen, was sie sind. Sie haben kein einfach erklärbares Muster.“ Der frühere US-Präsident bezog sich auf bisher unter Verschluss gehaltenes Bildmaterial und Aufzeichnungen von Militärpiloten, die erst kürzlich aus den amerikanischen Geheimdienstarchiven freigegeben wurden. Im US-Repräsentantenhaus gab es vor wenigen Wochen die erste Anhörung seit mehr als 50 Jahren zu „nicht identifizierten Luftphänomenen“. Ergebnis: Hinweise auf einen außerirdischen Ursprung gibt es nicht. Aber in vielen Fällen auch keine schlüssige Erklärung für die Phänomene.
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Bahnbrechend Neues habe die Anhörung nicht geliefert. Für Andreas Anton stellt sie aber einen Paradigmenwechsel dar. Die höchste politische Ebene der USA gebe damit ein Signal, dass entsprechende Berichte von Piloten ernst genommen und nicht der Lächerlichkeit preisgegeben werden.
Für den „Fall der Fälle“, also einen Kontakt mit Außerirdischen, hat Anton drei Szenarien entwickelt. Beim Signalszenario werden Radioteleskope Signale aus dem Weltraum empfangen. „Wahrscheinlich wäre es dann so, dass wir den Inhalt für lange Zeit nicht, vielleicht sogar niemals verstehen.“
Vorbereitung auf den Erstkontakt
Beim Artefaktszenario werden materielle Hinterlassenschaften einer außerirdischen Zivilisation entdeckt, etwa eine Raumsonde. Welche kulturellen Auswirkungen ein solcher Fund hätte, hinge von verschiedenen Faktoren ab: „Sicher wäre allerdings, dass er das Bild von der Einzigartigkeit des Menschen in Gottes Schöpfung ins Wanken bringt.“
Am gravierendsten wären die Folgen des Begegnungsszenarios. Darin hätten die Menschen direkten Kontakt mit einer biologischen oder künstlichen Intelligenz. Beim Durchspielen einer solchen Konstellation lande man unweigerlich im Science-Fiction-Genre, das im kollektiven Denken seine Spuren hinterlassen habe, so Anton. „Der Fremde als Feind und Eroberer – die Vorstellung ist nichts anderes als ein Spiegelbild menschlicher Ängste, die sich im Lauf der Geschichte mit Kriegen und Katastrophen eingegraben haben.“ Regierungen könnten sich also beim Erscheinen einer außerirdischen Raumsonde verleitet sehen, das Militär in Bewegung zu setzen.
Anton rät „nachdrücklich zu einer systematischen Vorbereitung auf den Erstkontakt“. Denn angesichts der unfassbaren Größe des Universums scheine es sehr wahrscheinlich, dass neben der irdischen Zivilisation eine Vielzahl außerirdischer Zivilisationen existiere. „Und je weiter die Wissenschaft in den Kosmos vordringt, desto wahrscheinlicher wird es, dass wir mit jenen Zivilisationen konfrontiert werden.“ Seine Empfehlung lautet, dass Politiker auf UN-Ebene gemeinsam Strategien entwickeln. „Alles andere wäre unverantwortlich“, sagt Andreas Anton.
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Auf seinem Balkon in Trossingen baut der Hobbyastronom in klaren Nächten sein Teleskop auf und beobachtet den sternenübersäten Himmel, den Mond und die Jupitermonde. Schon von Kindesbeinen an hat er einen Traum: „Ich habe mir immer gesagt: Wenn ich mal groß und reich bin, baue ich mir eine Privatsternwarte mit Kuppel auf die Garage.“ Vielleicht wird der Traum ja noch wahr.