Szene aus „Ich bin dann mal weg“. Foto: Warner

Nico Hofmann zählt zu den erfolgreichsten Filmproduzenten der Republik und sorgt auch international für Furore. Zuletzt hat er die Serie „Deutschland 83“ produziert, die in den USA besser lief als in Deutschland. Und im Kino ist derzeit „Ich bin dann mal weg“ zu sehen nach dem Jakobsweg-Bestseller von Hape Kerkeling.

Stuttgart -

Herr Hofmann, in Ihrem Remake von „Es geschah am helllichten Tag“ fragt ein kleines Mädchen: „Bist du der Zauberer?“ Was würde ein Filmproduzent darauf antworten?
Als Zauberer verstehe ich mich nicht, aber manchmal muss man Zauberkräfte haben, um Projekte nach vorne zu bewegen. Bei „Ich bin dann mal weg“ gab es viele Momente in den letzten fünf Jahren, in denen ich dachte, es gelingt nicht. Drehbucharbeit und Besetzung haben sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Zum Schluss haben wahrscheinlich die Zauberkräfte aller Beteiligten gewirkt, und es ist ein schöner Film geworden.
Ein Zaubertrick bleibt für Sie noch offen, nämlich die Besetzung von Michael Fassbender – Sie sind beide in Heidelberg geboren . . .
Als wir 2006 für das ZDF „Dresden“ produziert haben, wollten wir Michael Fassbinder unbedingt für die Rolle des britischen Piloten. Sein Casting-Band liegt heute noch in meinem Büro. Leider stand er damals in Dublin bei einem Theater unter Vertrag und konnte in unserem Film nicht mitspielen.
Zu der Zeit war Fassbender vermutlich noch günstiger zu haben als heute?
Fassbender war noch kein Star, aber auf den Casting-Bändern konnte man seine Qualitäten erkennen. Das war mit Christoph Waltz ganz ähnlich, der bei unserem Drama über die Oetker-Entführung im Jahr 2003 den Dieter Zlof gespielt hat. Bei gewissen Schauspielern kann man wirklich früh entdecken, dass eine große Karriere möglich ist.
Sie haben Regie studiert und preisgekrönte Filme gedreht. Warum sind Sie dann zum Produzenten geworden?
Ich habe nach zehn Jahren einfach gesehen, dass viele meiner Studenten an der Filmakademie in Ludwigsburg durchaus talentierter waren als ich selbst. Ein Auslöser war Stefan Krohmer, der bei mir studiert und den Grimme-Preis in Gold gewonnen hat. Ein anderer Grund für den Wechsel war die Begegnung mit Bernd Eichinger und Regina Ziegler, für die ich Filme gedreht hatte – da wurde mir klar, dass ein Produzent viel mehr bewegen kann als ein Regisseur. In der Ufa kann ich heute im Jahr 50 Projekte bewegen, als Regisseur wären es maximal drei.
Weicht die Kreativität dabei nicht dem Kaufmännischen?
Ich war eigentlich immer Kaufmann, als Regisseur sollte man das auch tunlichst sein. Schließlich geht es beim Film immer ums Budget. Bei wichtigen Projekten wie „Ich bin dann mal weg“ engagiere ich mich massiv, vom Schnitt bis zur Musikauswahl. Aber natürlich geht das nicht bei allen Projekten, mehr als fünf Filme pro Jahr kann ich persönlich nicht betreuen.
Das Pilger-Buch von Hape Kerkeling wurde fünf Millionen Mal verkauft – worin liegt dieser enorme Erfolg?
Es ist ein ganz bewegender, sehr persönlicher Stoff. Das Buch hat bei mir vieles angerichtet, es besitzt eine große Ausstrahlung und Kraft. Hape erzählt von innerer Einkehr – und das mit viel Humor. Diese Mischung wird auch als Film funktionieren, weil wir ihm eine eigene Form geben.
Wie sah die Zusammenarbeit mit Hape aus?
Wir haben drei Jahre lang Drehbuchversionen entwickelt. Hape las sie sehr sorgfältig, und zu Recht bestand er darauf, dass wir uns exakt an die Vorlage hielten. Er ist sehr detailgenau und auch sehr begeisterungsfähig. Es hat also recht lange gedauert, bis wir alle sagen konnten: Jetzt ist das Skript gut genug. Dass ich mich mit Hape so gut verstehe, liegt sicher auch daran, dass ich mich aufgrund des Buchs und des Filmprojekts sehr intensiv mit seiner Person und seiner Lebensphilosophie beschäftigt habe.
Sie haben an Originalschauplätzen am Jakobsweg gedreht – ein großer Aufwand?
Wir waren der Meinung, dass man so etwas nicht woanders oder gar im Studio herstellen kann. Da eigentlich nur fünf Schauspieler im Zentrum stehen, blieb der erhebliche Aufwand dennoch überschaubar. Im besten Fall, und das war bei dieser Dreherfahrung so, überträgt sich die Stimmung am Set auf das Spiel der Darsteller.
Was sagt ein Filmakademie-Professor zum Vorwurf, deutsche Kinofilmer riskierten nichts und präsentierten lieber weichgespülte Stoffe, die bei Fördergremien und Sendern problemloser durchgewinkt werden?
Das sehe ich überhaupt nicht so, ich sehe im Moment viele Studenten, die etwas riskieren und etwas wollen. Ein ganz aktuelles Beispiel ist der schräge Krimi „Trash Detective“, dem vom „Spiegel“ Ähnlichkeiten mit „Fargo“ bescheinigt wurden. Auch einem politischen Drama wie „Wir sind jung. Wir sind stark.“ kann man kaum vorwerfen, angepasstes Kino zu sein. Ich finde schon, dass viele junge Regisseure derzeit sehr unorthodox, engagiert und radikal arbeiten.
Sehr engagiert war die von Ihnen produzierte Serie „Deutschland 83“, die sich allem Kritiker-Lob zum Trotz als TV-Flop des Jahres entpuppte. Wie verarbeitet man so was?
Ich gehe sehr rational damit um. So enttäuschend die Quoten bei uns waren, so sensationell sind die Reaktionen im Ausland. In der Welt wurde in diesem Jahr keine Serie häufiger gesehen als „Deutschland 83“, in Italien gehen die Quoten regelrecht durch die Decke, und von der britischen „Times“ wurden wir zur „wichtigsten internationalen Serie des Jahres gekürt“ – das macht mich zu stolz, um mich ins Lamento zu begeben.
Was sind die Gründe für den Misserfolg?
Es war sicher ein Problem, dass „Weissensee“ direkt vor uns im Fernsehen lief. Wir hätten mit „Deutschland 83“ viel früher auf Sendung gehen müssen.
Wird es Konsequenzen geben?
Natürlich wird es jetzt mehr denn je eine Debatte darüber geben, was zur Hauptsendezeit im öffentlichen Fernsehen möglich ist und was serielle Programme sind, die sich die Zuschauer auf anderen Plattformen anschauen. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Mit „Deutschland 83“ habe ich mir quasi selbst eine Steilvorlage gegeben, an der man sieht, wie schwer sich so ein Programm im öffentlichen Fernsehen tut. Das konnte man übrigens auch bei „Homeland“ erleben, einer Serie, die bei Sat 1 wegen mangelnder Quoten eingestellt wurde – und die auf anderen Plattformen und bei DVD-Verkäufen unglaublich stark ist.
Ist lineares Fernsehen Geschichte?
Nein, überhaupt nicht. Wir sind im öffentlichen Fernsehen ja nach wie vor massiv erfolgreich. Die entscheidende Frage für die Zukunft lautet, welche Projekte man für welche Auswertung produziert.
Wie kommen Sie an Ihre Projekte? Verlassen Sie sich auf Bauchgefühl und Erfahrung, oder testen Sie Stoffe vorab beim Publikum?
Ich verlasse mich auf mein Bauchgefühl, eine Marktforschung für neue Stoffe, wie sie in Amerika manchmal gemacht wird, hat es bei uns noch nie gegeben. Die Filme selbst werden natürlich bei Zuschauern getestet, bei „Ich bin dann mal weg“ gab es gut 20 Vorstellungen, um zu erfahren, ob der Rhythmus stimmt und ob die Zuschauer mitgehen.
Sie haben zahlreiche Preise und Auszeichnungen, gelten als einer des erfolgreichsten Produzenten des Landes – was sind die drei wichtigsten Elemente für einen Filmerfolg?
Authentizität. Glaubwürdigkeit. Und das richtige Gespür für Zeitgeist.
Wie viele Stoffe haben Sie auf Lager?
Wir haben aktuell rund 350 Stoffe, an denen wir arbeiten. Zur Entwicklung kommen davon dann letztlich etwa gut zehn Prozent.
Wenn Sie in einer Talkshow zufällig Gregor Gysi treffen, denken Sie dann, der könnte der Stoff für einen Film werden?
An Gysi kommt man in Talkshows kaum vorbei (lacht). Aber er wäre für uns deshalb kein Thema, weil er selbst eine Persönlichkeit darstellt und zudem sehr medienaffin ist. Unsere Stoffe müssen „bigger than life“ sein, sie müssen einen Mehrwert bieten, der sie größer macht als eine dokumentarische Darbietung.
Til Schweiger plant derzeit einen Unterhaltungsfilm über das Thema Flüchtlinge – wie schätzen Sie die Chancen dafür ein?
Es ist ganz schwierig, derzeit einen Film über Flüchtlinge zu machen, weil die Zuschauer mit dem Thema einfach überfüttert sind. Das beste Beispiel ist das Drama „Dheepan“, das in Cannes die Goldene Palme gewonnen hat, gute Kritiken bekam – und dennoch kein Publikum lockt. Manche Themen benötigen einfach einen zeitlichen Abstand, um sie umzusetzen. Aber Til wird das gelingen.
Sind Sie durch „Ich bin dann mal weg“ selbst auf den Geschmack des Pilgerns gekommen?
Durch das Buch bin ich dazu angeregt worden, selbst einen Teil des Jakobswegs zu gehen. Dadurch öffneten sich mehrere Türen. Ich bin gläubig, wurde sehr protestantisch-religiös erzogen, und die Glaubensfrage ergibt sich ganz natürlich auf dem Jakobsweg – das ist eine Begegnung mit Gott. Bei Hape geht das noch weiter: Er findet eine Form innerer Gelassenheit.