Aufmarsch am Narew: württembergische Soldaten überqueren eine Brücke. Foto: privat

Ein Münchner Hobbyhistoriker spürt im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten nach – und bietet Recherchehilfe für Familien aus Ludwigsburg.

Ludwigsburg - Wo hat Urgroßonkel Carl seine letzte Ruhe gefunden? Diese Frage ließ Florian Kreuter irgendwann keine Ruhe mehr. Der gelernte Förster lebt in München und gilt im Kreise seiner Verwandten „als der, der sich mit der Familiengeschichte beschäftigt“.

Der 100. Jahrestag des Kriegsbeginns 1914 brachte Kreuter irgendwann zu besagtem Onkel Carl, von dem die Familie nur wusste, dass er in Ludwigsburg gelebt und gedient hatte und 1915 an der Ostfront fiel, irgendwo in Polen. Kreuter begann zu recherchieren. Das Ergebnis ist ein Fundus, von dem viele Familien in Württemberg profitieren könnten. Kreuter forschte im Internet und in den Regimentschroniken, besuchte das Staatsarchiv in Stuttgart und fuhr schließlich sogar nach Polen, dorthin, wo im Sommer 1915 die sogenannte Narew-Offensive stattfand.

Der Volkstrauertag als idealer Veröffentlichungstermin

Nach der Auswertung aller Unterlagen hatte er knapp 400 Namen gefallener und in Polen begrabener Soldaten ermittelt – etliche davon aus Ludwigsburg und Umgebung (Infanterieregiment 121) sowie aus der gesamten Stadt und der Region Stuttgart (Grenadierregiment 119 und Infanterieregiment 125). Bis heute sei über den Verbleib dieser Gefallenen aus den Württemberger Regimentern der 26. Infanteriedivision nur wenig bekannt, sagt er.

Wann, wenn nicht jetzt? Der Volkstrauertag im Jahr 2015 schien Kreuter der ideale Zeitpunkt, mit seinen Ergebnissen an die Öffentlichkeit zu gehen. „Ich denke, jetzt gibt es eine letzte Gelegenheit, dann wird das Interesse irgendwann abflachen.“ Seine Generation (er ist Anfang 40) sei die letzte, die noch Zeitzeugen aus dem Ersten Weltkrieg kennengelernt habe – wenn auch im frühkindlichen Alter. Er wolle den Familien helfen, die wie seine Familie bis vor Kurzem zwar gewusst hätten, dass ein Verwandter irgendwo an der Ostfront gefallen sei, aber keine Ahnung gehabt hätten, wo genau er begraben wurde.

Bisher wusste man von einem Verwandten nur, dass er irgendwo an der Ostfront gefallen war

Zum Beispiel ist er bei seinen Recherchen auf einen gewissen Friedrich Krauss aus dem Freiberger Ortsteil Beihingen gestoßen. Dieser Ersatzreservist fiel offenbar am selben Tag wie Florian Kreuters Urgroßonkel Carl und liegt mit etwa 60 Kameraden auf dem Soldatenfriedhof Kunin auf einer kleinen Anhöhe am Ostufer des Narews begraben. Der Friedhof wurde im Jahr 1915 vom Stuttgarter Grenadierregiment 119 angelegt und durch einen Arbeitseinsatz von Reservisten aus dem niedersächsischen Meppen im vergangenen Jahr renoviert.

Der Urgroßonkel Carl liegt nur zwei Kilometer entfernt auf dem Soldatenfriedhof Wolka Kuninska, 100 Kilometer nördlich von Warschau, begraben. Dort haben rund 120 deutsche – überwiegend württembergische – und etwa 400 russische Soldaten ihre letzte Ruhestätte gefunden. „In unserer Familie hat das vorher niemand gewusst“, sagt Kreuter. Offensichtlich sei sein Verwandter mit etlichen anderen gefallenen Soldaten bereits im Jahr 1917 auf diesen Soldatenfriedhof umgebettet worden. Das ergaben die Recherchen in Stuttgart.

Demnächst plane er eine erneute Reise zum Staatsarchiv, um seine Namen mit dem dortigen Material abzugleichen und so festzustellen, wer tatsächlich auf diesen beiden Friedhöfen begraben wurde. Mittelfristig soll das bei den Grabstätten beispielsweise mit einem Gedenkstein dokumentiert werden. Wer Interesse habe, könne sich bei ihm melden, um mehr zu erfahren. „Diese Menschen haben alle einen Namen und ganz spezielle Schicksale“, sagt Kreuter. „Ich denke, es wird einige Familien geben, die das interessiert.“