Wenn es um die Situation auf Straßen und Schienen in Baden-Württemberg geht, gibt es einige Luft nach oben. Das legt der aktuelle BaWü-Check im Auftrag der Tageszeitungen im Südwesten nahe.
Eigentlich ist die augenblickliche Stimmung der Menschen in Baden-Württemberg insgesamt gar nicht so schlecht. Denn bevor das Meinungsforschungsinstitut Allensbach im Rahmen des aktuellen BaWü-Checks seine Fragen rund um das Thema Verkehr gestellt hat, hat es den Bürgern ganz allgemein auf den Puls gefühlt. Seit November ist der Anteil der Bürgerinnen und Bürger, die den kommenden zwölf Monaten hoffnungsfroh entgegenblicken, immerhin von 21 auf 35 Prozent gestiegen, während die Gruppe mit ausgeprägten Befürchtungen im Gegenzug von 32 auf 25 Prozent geschrumpft ist. Das sind die besten Werte seit Beginn des Ukraine-Krieges. Beim Dauerbrenner Verkehrsprobleme hat sich die Stimmung hingegen verschlechtert, was vielleicht auch daran liegt, dass die Menschen im Vergleich zu Coronazeiten wieder mehr unterwegs sind.
Es stockt und staut
Das Urteil der Bürger ist eindeutig: Die Verkehrssituation in den vergangenen zehn Jahren ist im Land schlechter geworden. Für die Verkehrssituation insgesamt ist knapp die Hälfte (47 Prozent) dieser Meinung, wenn es speziell um die Situation auf den Straßen geht, ist es mit 53 Prozent eine Mehrheit. Dass es insgesamt besser geworden ist, glaubt mit 14 beziehungsweise neun Prozent nur eine kleine Gruppe.
Schon einmal hat Allensbach im Jahre 2020 nach den größten verkehrspolitischen Problemen in Baden-Württemberg gefragt. Und mit Ausnahme der Ergebnisse für die Verkehrsbelastung in den Städten, die wohl coronabedingt bisher noch nicht an frühere Negativwerte anknüpfen, ist das Urteil durchweg schlechter als vor drei Jahren.
Schlechte Noten für Schiene und Straße
Besonders deutlich ist der Einbruch beim Urteil über den Zustand der Schiene, den 2020 erst 17 Prozent als brennendes Problem ansahen – nun ist es ein Drittel. Auch was die Anbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr angeht, sind die Stimmen kritischer geworden: 40 Prozent im Vergleich zu 31 Prozent bei der letzten Umfrage. Konstant ein Viertel sieht den Radverkehr als Problem.
Aber auch der Stand des Straßennetzes bekommt schlechtere Noten: Statt 26 Prozent bemängeln jetzt 31 Prozent deren schleppenden Ausbau. Sahen vor drei Jahren noch 42 Prozent die Straßen in ihrem näheren Umfeld in gutem Zustand, so sind es jetzt nur noch 35 Prozent.
Bereitschaft zur Verkehrswende ist da
Wenn es um die Frage geht, wo das Land denn in Zukunft mehr investieren soll, sagt eine Mehrheit, dass der Schwerpunkt nicht die Straße sein soll, sondern der öffentliche Nahverkehr mit Bussen, Straßen- und Stadtbahnen sowie der Regionalverkehr der Bahn.
Wenn man beide Bereiche zusammenrechnet, wollen in der Gesamtbevölkerung hier immerhin 52 Prozent den Schwerpunkt setzen, während dies nur ein knappes Viertel für die Straßen wünscht. Bei jungen Leuten zwischen 18 und 29 Jahren gibt es sogar eine Zweidrittelmehrheit. Der Radverkehr bleibt mit acht Prozent Ausbaubefürwortern übrigens ein Minderheitenthema.
Auch ein generelles Tempolimit von 30 oder 40 Kilometern in der Stunde wäre prinzipiell unter den Befragten mehrheitsfähig. Jeder zweite ist der Idee gegenüber aufgeschlossen, abgelehnt wird dies momentan von 40 Prozent.
Große Interessengegensätze
Doch hinter solchen Zahlen steckt eine offenbar in unterschiedliche Lager gespaltene Bevölkerung. Die klimapolitisch sensibilisierte jüngere Generation der 18- bis 29-Jährigen drängt sehr deutlich auf eine Verkehrswende. Fast zwei Drittel wollen hier, dass mehr für Bus- und Schienenverkehr ausgegeben wird.
Regelmäßige Autofahrer sind auf der anderen Seite offenbar nur schwer zum Umsteigen zu gewinnen. Nur eine Minderheit von 28 Prozent kann sich unter ihnen vorstellen, vielleicht künftig mit Bus und Bahn zu fahren. Bei Autofahrern, die täglich mit ihrem Fahrzeug unterwegs sind, liegt das Umsteigepotenzial sogar nur bei 17 Prozent.
Kluft zwischen Stadt und Land
Auf dem Land halten zwei Drittel ihre Verkehrsanbindung für schlecht, in der Stadt ist es nur gut ein Drittel. Auf dem Land kritisiert man stärker als in der Stadt sowohl den Zustand der Straßen (56 Prozent) als auch die dürftige Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr (49 Prozent). Das gilt sogar für das Thema Stau, das man ja eher mit Ballungsgebieten verbindet.
Und entgegen der Intuition ist es bei der Frage, ob der Nahverkehr zu teuer ist, dann wiederum gerade umgekehrt. Diese Aussage bejahen mehr Städter (57 Prozent) als Menschen auf dem Land (44 Prozent). Und dies obwohl die Städter für ihr Geld ja auch ein deutlich besseres Angebot bekommen. Aber sie sind öfter mit der Frage konfrontiert, ob sie sich die Tickets leisten können.
Autofahrer fühlen sich nicht vertreten
Die Autofahrer fühlen sich insgesamt von der Verkehrspolitik des Landes nicht genügend wahrgenommen. Fast die Hälfte der Bevölkerung insgesamt glaubt, dass es die Landesregierung den Autofahrern eher schwer mache. Lediglich 17 Prozent halten die Landespolitik für autofahrerfreundlich. Bei den täglichen Autofahrern fühlen sich sogar fast zwei Drittel politisch ungeliebt. Diejenigen, die nicht mehrmals die Woche Auto fahren, sehen dies hingegen nur zu 36 Prozent so.
Dazu kommt die Angst, dass die Automobilbranche in Baden-Württemberg gefährdet sei. 40 Prozent der Befragten befürchten, dass der Südwesten als Autostandort an Bedeutung verliert.
Was ist der BaWü-Check?
Basis
Der BaWü-Check ist eine Umfrage im Auftrag der Tageszeitungen im Südwesten, die das Institut für Demoskopie Allensbach durchführt.
Zeitraum
In der Zeit vom 10. bis zum 20. März wurden 1000 volljährige Bürger befragt, die einen Querschnitt der Bevölkerung repräsentieren. Sie wurden per E-Mail zur Umfrage eingeladen und erhielten einen Fragebogen mit 15 Fragen, wo sie unter vorgegebenen Antworten auswählen konnten.
Stadt und Land
Es wurde bei den Antworten nach Dörfern und Kleinstädten mit bis zu 5000 beziehungsweise 20 000 Einwohnern sowie Mittelstädten bis 100 000 Einwohnern und Großstädten mit mehr als 100 000 differenziert. age