Anlässe, wie die lange Einkaufsnacht, sorgen für eine belebte Königstraße. Foto: Julia Schramm/Julia Schramm

Frank Nopper sucht nach Wegen, die Stuttgarter Innenstadt fürs Umland wieder attraktiv zu machen. Das Auto, so der OB, dürfe dabei nicht verteufelt werden.

Stuttgart - Steht die Stadt tatsächlich so schlecht da? Ist ihr Ruf im Umland wirklich so schlecht, wenn es um die Themen Stau, Parken, Baustellen, Sicherheit, Sauberkeit und ÖPNV geht? Marjoke Breuning, Einzelhändlerin und IHK-Präsidentin meint nach Betrachtung der jüngsten Kennziffern zum Einzelhandel ja: „Stuttgart wird schlecht besprochen.“ Das wiederum passt nicht ins Welt- und Stadtbild von Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU): „Stuttgart ist kein Ort der Tristesse, sondern ein Ort der Zukunft.“ Erst jüngst hätten ihm das Gäste aus Nordrhein-Westfalen, die lange in Stuttgart gelebt haben, bestätigt, als sie bei einem Spaziergang erstaunt ausgerufen hätten: „Hier passiert ja unglaublich viel in der Innenstadt.“ Und wer die Aufbruchsstimmung nicht wahrhaben will, dem zählt Nopper gerne die Attraktionen und tolle Quartiere der Stadt auf: Begonnen beim bald sanierten Marktplatz bis hin zum Dorotheen-Quartier, das Breuninger geplant und umgesetzt hat. Sein Fazit: „Ich rate uns allen, die Innenstadt nicht klein- oder kaputtzureden.“

Was brachten die City-Gipfel?

Gleichwohl hatten zuletzt zwei so genannte City-Gipfel mit allen wichtigen Akteuren aus der Stadt stattgefunden. Ziel der Vertreter aus der Immobilienwirtschaft, dem Handel, der Gastronomie, der Touristik und der Verwaltung war es, Missstände aufzudecken und eine Verödung der Innenstadt zu verhindern. Bei verschiedenen Vertretern dieser Runde machte sich jedoch schnell Ernüchterung breit. Zu schwer sei der Rucksack, der fast allen Innenstädte in Folge des Strukturwandels im Handel sowie der Coronakrise auf den Schultern laste. Patentrezepte wurden nicht erwartet, große Lösungen schon gar nicht.

Geheime Liste mit 80 Wünschen

Der Eindruck mag sich bei manchem verstärkt haben, als es um das faktische Ergebnis der beiden Gipfel ging: eine geheime Liste von 80 Wünschen und Verbesserungsvorschlägen für die Stadt. Bisher genannt sind an erster Stelle größere und mehr Mülleimer. Damit ist freilich das grundlegende Problem des Besucherrückgangs und der sinkenden Passantenfrequenzen auf der Königstraße nicht gelöst: Wie gelingt es psychologische und echte Hemmnisse abzubauen, die Menschen aus dem Umland von einem Besuch in der Stadt abhalten? Dieses Phänomen betrifft nicht nur die Händler, sondern auch die Hotels und Gastronomiebetriebe. „Wenn die Innenstadt nicht funktioniert“, weiß Stuttgart-Marketing-Chef Armin Dellnitz, „dann findet auch kein Tourismus statt.“ Seine Zahlen belegen den Rückgang: Im Coronajahr 2020 sei die Zahl der Gäste um 60 Prozent zurückgegangen – von neun auf 4,5 Millionen Übernachtungen. Aber auch im ersten Halbjahr 2021 – ohne Lockdown – sei die Lage kaum besser. Für florierenden Tourismus, so Dellnitz, müssten alle Rädchen ineinandergreifen.

Wie lockt man Menschen aus dem Umland an?

Was also tun, um den Ruf der Stadt zu verbessern? „Mit einer Imagekampagne ist es nicht getan“, sagt Dellnitz und ist damit auf einer Linie mit OB Nopper. Beide sind sich einig: Zufriedene oder gar begeisterte Menschen müssen die Botschaft einer attraktiven Stadt verbreiten. Nach innen und außen. „Eine Stadt spricht für sich selbst. Das positive Image einer aufstrebenden Stadt kann mehr bewegen als eine Kampagne“, sagt Nopper. Bleibt die Frage: Wie lockt man die Menschen an? An diesem Punkt kommt der Citymanager Sven Hahn ins Spiel. Seine Antworten: Erstens durch Anlässe. Zweitens, indem man am Sesam-öffne-dich-Schlüssel „Erreichbarkeit“ dreht. Wünschenswert, aber wohl kaum finanzierbar, wäre in diesem Zusammenhang auch ein kostenloser ÖPNV an Samstagen. Oder verkaufsoffene Sonntage.

Finger weg von den Parkhäusern

Ganz und gar in die falsche Richtung geht es aus Sicht des Citymanagers und des Oberbürgermeisters jedoch, das Auto komplett zu verteufeln. Dabei denkt Nopper auch an Gäste, die etwa aus der Richtung Tübingen oder Reutlingen in die Stadt wollten. Sie seien mit Öffentlichen nicht so gut angeschlossen. Aber auch die sprachlichen Grenzen würden in der Diskussion ums Auto und Parken oft verschwimmen, meint der OB. Freilich sei es kein falsches Ziel, die Innenstadt weitgehend autofrei zu machen, aber dabei sei nie von ganz Stuttgart die Rede. Noch wichtiger als eine präzise Sprache sei jedoch die Klarheit, dass die Innenstadt nie komplett autofrei werden könne.

Auch an Menschen mit eingeschränkter Mobilität denken

Nopper verweist dabei auch auf Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und für ihre Besorgungen oder Ämtergänge aufs Auto angewiesen sind: „Wenn wir jetzt auch noch die Stellplätze in den Parkhäusern reduzieren wollen, senden wir das Signal aus, dass wir das Automobil verdrängen wollen. Und wir müssen uns klarmachen, dass Ältere sowie Mütter mit kleinen Kindern nicht so weit laufen wollen und Gehbehinderte nicht so weit laufen können.“ Damit müsse jedem klar sein: „Die Stuttgarter Innenstadt muss weiterhin auch mit dem Auto erreichbar sein. Ansonsten müssten wir auf eine wichtige Klientel verzichten - gerade auch aus dem Umland.“ Weiter sagt er: „Ich warne vor überzogenen Signalen gegen das Auto.“

Dritter City-Gipfel im Frühjahr geplant

Ungeachtet dieser Diskussion legt der OB Wert auf die Feststellung, dass man diese Diskussion auch unter den Gesichtspunkten von alternativen Antriebsformen und synthetischen Kraftstoffen führen müsse. Sven Hahn wirft ein weiteres Argument in die Runde, das einer total autofreien Innenstadt entgegensteht: „Die Landesbauordnung verlangt von Eigentümern Parkplätze vorzuhalten.“ Ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss würde damit gegen geltendes Recht verstoßen.

Damit sorgen Nopper, Hahn und Dellnitz nicht nur für jeder Menge Gesprächs- und Diskussionsstoff im Gemeinderat und der Stadtgesellschaft, auch der dritte Citygipfel im Frühjahr, dürfte auf Grundlage dieser Haltungen etwas habhafter werden.