Noch nie war es in einem Oktober in Stuttgart so warm wie in diesem Jahr. Dazu regnete es auch noch genug – und das bei viel Sonnenschein.
„Das war nicht ganz schlecht“ gilt für viele Dinge als schwäbischer Superlativ, der keine Steigerung zulässt. Wenn man aber das Wetter im Oktober in Stuttgart betrachtet, dann muss man sagen „nicht ganz schlecht“ ist auch für schwäbische Verhältnisse untertrieben. Keine Frage, der Wettergott mochte zumindest im Oktober Putin nicht, er war zudem Freund von Landwirten und Gärtnern und sorgte auch noch dafür, dass man weder das Lichtvitamin D noch Johanniskraut gegen herbstliche Verstimmungen brauchte. Es braucht für das Oktoberwetter also einen neuen schwäbischen Superlativ. Vielleicht: Supersach.
Das Ganze in Zahlen: An der Messstation Schnarrenberg des Deutschen Wettdienstes (DWD) wurde für den Oktober eine Mitteltemperatur von 14,5 Grad gemessen. Das ist 3,8 Grad mehr als das langjährige Mittel und sogar satte 4,5 Grad, wenn man die ältere Referenzperiode (1961 bis 1990) zum Vergleich nimmt. Auf jeden Fall war es seit Beginn der Aufzeichnungen 1951 nie wärmer in Stuttgart als in diesem Oktober. Zum Vergleich: Vor einem Jahr lag das Mittel in Stuttgart bei 10,3 Grad. „Am 17. Oktober 2022 gab es mit 25,6 Grad sogar einen meteorologischen Sommertag“, sagt DWD-Meteorologe Andreas Pfaffenzeller, der noch mehr erstaunliche Fakten in der Statistik gefunden hat: „Dazu gab es noch einmal elf Tage, an denen die Temperatur über 20 Grad lag. Auch das ist ungewöhnlich für Oktober.“
Trotz Wärme viel Regen
Heizen musste man jedenfalls allenfalls das Wasser zum Duschen. Die meiste Zeit reichte es einfach, ab Mittag die Fenster zu öffnen und die warme Luft reinzulassen. Oft war es sogar deutlich wärmer als Ende September. Der Monat war insgesamt im Schnitt nur minimale 0,4 Grad wärmer als der Oktober. Eine Garantie, dass es mild weitergeht gibt es zwar nicht, aber der Oktober hat die Heizkostenabrechnung jedenfalls nicht belastet.
Die große Herbstwärme ist natürlich auch ein Anzeichen für den Klimawandel und würde normalerweise mit einer weiteren Austrocknung der Böden einhergehen. Aber auch hier war der Oktober zumindest nicht ganz schlecht. Knapp 70 Liter Regen pro Quadratmeter wurden am Schnarrenberg registriert, das sind 130 Prozent des langjährigen Mittels und ein Segen für die trockenen Böden, die ja auch schon im September überdurchschnittlich Wasser abbekommen haben. Dafür, dass es an 21 Tagen in Stuttgart trocken blieb, sind knapp 70 Liter doch sehr viel. Mehr als ein Viertel (19,2 Liter) fiel dabei alleine am 2. Oktober. „Viel Regen in kurzer Zeit ist eher ein meteorologisches Merkmal für einen Sommermonat“, erklärt Andreas Pfaffenzeller. Aber gefühlt war der Oktober ja auch eher Sommer.
Das richtige Wetter zur richtigen Zeit
Auch wegen der Sonne, die ebenfalls deutlich öfter als im Mittel zu sehen war und die für einen wahrhaft goldenen Oktober sorgte. Fast 140 Stunden Sonnenschein sind immerhin 120 Prozent des Mittels. Getrübt wurde das Licht am Ende des Monats immer mal wieder durch den Saharastaub in der Atmosphäre, was aber die außergewöhnliche Statistik nicht wirklich trüben konnte. Einen Monat, der in allen drei Parametern überdurchschnittliche Werte produziert, gibt es schließlich nicht oft. Dieser Oktober brachte aber vor allem das passende Wetter zur richtigen Zeit. Das gesparte Gas floss in die Reservetanks statt in die Heizung, der Regen wurde nicht gleich knapp unter der Oberfläche von Pflanzen in der Wachstumsphase weggesaugt und die Sonne hob die Laune bei weiter leider oft trüben Nachrichten.
Jetzt aber scheint sich das Wetter langsam zu normalisieren. Die große Wärme verabschiedet sich sukzessive, ob es bis zum Advent noch einmal zu 20 Grad oder mehr reicht, ist im Moment eher unwahrscheinlich. Der bisherige Rekord von exakt 22 Grad vom 2. November 2020 scheint zu halten. Aber wir dürfen jetzt wirklich nicht bruddeln und es müsste schon viel passieren, damit der Herbst 2022 (September, Oktober, November) nicht als extrem energiesparend und freundlich in die Statistik eingehen wird. Supersach.