Am 1. September startet das Ausbildungsjahr. Die Bewerberzahlen sind bei einigen Firmen rückläufig. Andere können sich vor Interessenten kaum retten. Fest steht: Nicht alle Firmen werden alle Lehrstellen besetzen können. Wir haben bei den Unternehmen in Baden-Württemberg nachgefragt.
Stuttgart - Am 1. September startet das neue Ausbildungsjahr. In Baden-Württemberg haben sich bis Ende Juli mehr als 34 400 Auszubildende für einen gewerblich-technischen oder kaufmännischen Berufen entschlossen; sie streben einen Abschluss bei einer der Industrie- und Handelskammern an. Im Vergleich zum Vorjahr war dies ein leichtes Plus. Das Handwerk im Südwesten vermeldet indes ein leichtes Minus von 1,6 Prozent. Gut 13 600 Ausbildungsverträge waren bis Ende Juli unterschrieben. Allerdings werden in den Wochen vor dem 1. September noch etliche Vereinbarungen erzielt. Die IHK Region Stuttgart veröffentlicht am Freitag neue Zahlen. Fest steht schon jetzt: Nicht alle Firmen werden alle Ausbildungsplätze besetzen können. Wie sieht es bei den Unternehmen im Land aus? Unsere Zeitung hat nachgefragt.
Allgaier hat keine Probleme
Umsatz: 478 Millionen Euro Mitarbeiter: 1920
Zwischen 20 und 25 junge Menschen starten jedes Jahr ihre duale Ausbildung oder ihr duales Studium beim Autozulieferer Allgaier. Probleme, die Ausbildungsplätze zu besetzen, hat die Firma, die Press- und Blechteile sowie Tanksysteme und Batteriegehäuse herstellt, nicht. Das Gros der neuen Azubis hat einen Realschulschluss oder Abitur, nur einer hat die Hauptschule absolviert, teilt Allgaier mit. Sie werden zu Industrie-, Werkzeug- und Konstruktionsmechanikern sowie zu Maschinen- und Anlagenführern ausgebildet. Das Unternehmen aus Uhingen will sich stärker in Richtung Prozesstechnik entwickeln und die Qualifikation rund um Elektro stärken. Um sich für die digitale Zukunft zu rüsten, müssen die jungen Menschen 40 Stunden IT-Architektur, Datensicherheit und Anwendersoftware büffeln.
Eberspächer hat 1000 Bewerber
Umsatz: 4,6 Milliarden EuroMitarbeiter: 9860
Eberspächer, Hersteller von Abgasanlagen, hat die Zahl der neuen Azubis am Firmensitz Esslingen leicht auf 14 erhöht; deutschlandweit ist die Zahl der Auszubildenden um sechs auf 33 gesunken. Ein Platz für ein duales Studium konnte nicht besetzt werden, teilt das Unternehmen mit. An der Zahl der Bewerbungen kann es nicht gelegen haben: Rund 1000 sind bei Eberspächer eingegangen. Der Schulabschluss der neuen Mitarbeiter reicht von der Mittleren Reife bis hin zum Abitur. Wichtige Berufsbilder sind für Eberspächer Wirtschaftsingenieure und -informatiker. Themen wie IT-Security und Datenschutz sowie im technischen Bereich elektronische Themen rücken stärker in den Mittelpunkt.
Daimler sucht schon für 2020
Umsatz: 167 Milliarden Euro Mitarbeiter: 298 680
Gut 30 Ausbildungsgänge und 13 duale Studiengänge – die Auswahl für junge Menschen bei dem Stuttgarter Autobauer Daimler ist groß. Rund 1900 haben im vergangenen Jahr an gut 50 Daimler-Standorten ihre berufliche Laufbahn gestartet, in diesem Jahr dürfte eine vergleichbare Größenordnung erzielt werden. Der Autokonzern erhalte viele Bewerbungen, sagt eine Sprecherin, ohne Zahlen zu nennen. Alle Stellen würden mit qualifizierten Kandidaten besetzt. Schon jetzt seien viele Ausbildungsplätze für 2020 vergeben.
Wittenstein bildet mehr aus
Umsatz: 436 Millionen Euro Mitarbeiter: 2940
Wittenstein, Hersteller von Antriebssysteme für Roboter, Werkzeugmaschinen, Medizintechnik sowie Luft- und Raumfahrt, hat die Zahl seiner Azubis in diesem Jahr deutlich erhöht. 75 werden am 1. September ihre Lehre beginnen; im Jahr zuvor waren es „nur“ 51. Wittenstein begründet die Steigerung mit der langfristigen Bedarfsplanung an Fachkräften und einer daraus resultierenden intensivierten Ausbildungsstrategie. Wittenstein spürt aber bereits die demografische Entwicklung: 444 Bewerbungen sind bei dem Familienunternehmen in Igersheim eingegangen; im Jahr zuvor waren es noch 590. Vor allem bei technischen Ausbildungsberufen seien die Bewerbungen rückläufig, trotz verstärkter Akquiseaktivitäten, wie das Unternehmen mitteilt. In Zukunft will Wittenstein verstärkt auch digitale Methodenkompetenz in allen Berufsbildern fördern. Deswegen wurde das Projekt Digital Scout ins Leben gerufen, wo jungen Menschen Themen rund um Industrie 4.0 nähergebracht werden sollen. Übrigens, Wittenstein macht dies auch in Kooperation mit anderen Ausbildungsbetrieben in der Region – wie EBM Papst und Würth.
EBM Papst sucht noch
Umsatz: 2,2 Milliarden EuroMitarbeiter: 15 060
1050 Bewerbungen sind bei EBM Papst in diesem Jahr eingegangen, nach 1300 im Jahr zuvor. Dennoch konnte der Hersteller von Ventilatoren nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Aktuell seien am Firmensitz Mulfingen noch einzelne Plätze frei – etwa beim dualen Studiengang Elektrotechnik oder Wirtschaftsingenieur; auch wer den Berufswunsch Elektroniker für Geräte und Systeme oder Verfahrensmechaniker für Beschichtungstechnik hat, hat in Mulfingen vielleicht noch eine Chance. Insgesamt starten an den deutschen Standorten von EBM Papst im September 113 junge Menschen ihre Ausbildung, im Jahr zuvor waren es 114.
Stihl modernisiert Ausbildung
Umsatz: 3,8 Milliarden Euro Mitarbeiter: 17 120
2017 waren es 48, dann 60 und in diesem Jahr sind es bereits 86. Innerhalb von zwei Jahren hat Stihl die Zahl der neuen Azubis um 80 Prozent erhöht. Der Hersteller von Motorsägen ist bei Jungen offensichtlich beliebt; aus 2000 Bewerbungen konnte Stihl wählen. Für das Waiblinger Unternehmen sind Jobs rund um Mechatronik, Elektronik, Informatik sowie Akku-Technologien wichtig. Bei Stihl haben sich die Methoden in der Ausbildung stark verändert. So wurde etwa das gesteuerte selbstverantwortliche Lernen mithilfe digitaler Medien wie Lernplattformen oder Apps ausgebaut. Auch die Fremdsprachenvermittlung und Auslandseinsätze werden wichtiger.
Festo will stärker für sich werben
Umsatz: 3,2 Milliarden Euro Mitarbeiter: 21 200
Beim Automatisierungsspezialisten Festo starten demnächst 114 Auszubildende an den Standorten Esslingen und Rohrbach. Das Unternehmen sei zufrieden mit den Bewerberzahlen, auch wenn sie tendenziell etwas rückläufig seien. „Wir spüren den Trend zum Studium und zu weiterführenden Schulen“, heißt es bei Festo. Und: „Neue Berufsbilder, beispielsweise Kaufleute im E-Commerce, müssen wir noch etwas stärker bewerben und den jungen Menschen schmackhaft machen.“ Für Festo sind das Berufe mit vielversprechenden Perspektiven. Mehr als 20 Ausbildungsberufe und duale Studiengänge bietet das Familienunternehmen. Und seit Jahren wird das Ausbildungsrepertoire an die Anforderungen von Industrie 4.0 angepasst. Wie sich die Trends in Sachen Ausbildung entwickeln, ist derzeit im russischen Kasan zu sehen. Dort findet die Weltmeisterschaft der Berufe statt, die Worldskills. Diese Leistungsschau der besonderen Art wird seit 1950 veranstaltet. Mehr als 1500 junge Fachkräfte treten derzeit gegeneinander an – auch drei Festo-Azubis sind dabei.
Lapp wird digital
Umsatz: 1,2 Milliarden EuroMitarbeiter: 4250
Der Stuttgarter Kabelhersteller Lapp ist offensichtlich ein begehrter Arbeitgeber. 1219 Bewerbungen gingen ein – vergeben wurden 21 Ausbildungsplätze. Nicht alle Stellen wurden besetzt. So sei ein angehender Azubi kurz vor Ausbildungsstart abgesprungen, weil er seine Traumstelle bei einem Stuttgarter Autohersteller bekommen habe. Auch die Lapp-Azubis haben überwiegend Mittlere Reife bis hin zum Abitur. Lediglich drei haben einen Hauptschulabschluss. Lapp hat seine Ausbildungsinhalte auf die digitale Zukunft umgestellt. „Die Berufsbilder werden seitens der IHK leider nur nach und nach an das Thema Digitalisierung angepasst“, kritisiert das Familienunternehmen.
Bosch-Azubis programmieren Apps
Umsatz: 78,5 Milliarden Euro Mitarbeiter: 410 000
Der Stuttgarter Bosch-Konzern kann seine 1500 Azubis unter 20 000 Bewerbungen auswählen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der technischen Ausbildung. Jeder vierte Ausbildungsplatz ist ein dualer Studiengang wie Elektrotechnik oder Maschinenbau. Die meisten Azubis werden rund um die vernetzte Fertigung gesucht – dazu zählen Mechatroniker, Elektroniker für Automatisierungstechnik und Fachinformatiker. Digitalisierung und Industrie 4.0 werden immer wichtiger; das gehe von der Programmierung von Apps oder der Konfiguration von Robotern bis hin zur Nutzung von Virtual-Reality-Anwendungen.
Heller bildet auch für andere aus
Umsatz: 558 Millionen Euro Mitarbeiter: 2600
29 Azubis starten in diesem Jahr bei dem Werkzeugmaschinenbauer Heller in Nürtingen – 30 waren es ein Jahr zuvor. Heller bildet nicht nur die eigenen Azubis aus, sondern übernimmt diese Aufgabe – je nach Bedarf die Grundausbildung oder Teile der Fachausbildung – auch für kleinere Unternehmen in der Region. Heller sucht technisch orientierte Azubis – angehende Industrie- oder Zerspanungsmechaniker oder Mechatroniker.