Christine Westermann und Götz Alsmann gehen fortan getrennte Wege. Eigentlich unvorstellbar! Foto: WDR

„Zimmer fei“ war analog und echt. Privat. Total verrückt. Anarchismus pur, der allein durch das ungleiche Paar Christine Westermann und Götz Alsmann zur Vollkommenheit geführt wurde. An diesem Sonntag feiert die Show seine Abschiedsgala. Das ist jammerschade.

Stuttgart - Uhuhha ha yeah yeah. Uhuhhhaa yeaaaah. Wenn die Titelmusik von „Zimmer frei“ erklingt, hört sich das an wie Heimkommen. Gleich wird man Platz nehmen am WG-Tisch mit Götz Alsmann und Christine Westermann. Ganz selbstverständlich wird man als zugeschalteter Mitbewohner mit irgendeinem Gast sein Lieblingsessen verspeisen und den Plaudereien der drei lauschen. Gesprächen, die getarnt sind als Plaudereien. Wie immer wird sich die seriöse Geraderaus-Journalistin Christine Westermann hinter vermeintlich naiven Fragen verstecken, während Götz Alsmann dem Gast gleichzeitig tolldreist mit einer Frechheit in den Nacken hüpft. Und schwups, schon verliert der Gast die Kontrolle über sein Selbstbild und zeigt Seiten, die so im Fernsehen noch nie zu sehen waren.

Nirgends im Fernsehen hat man das Gefühl, näher an die Anne Wills, Olli Dittrichs, Roland Kaisers, Frank Plasbergs oder Axel Prahls ranrücken zu können als hier im Nischenprogramm des WDR. In einer Sendung, die für das Sommerloch erfunden und schnell Kult wurde. Einer Show, die an diesem Sonntag nach zwanzig Jahren eingestellt wird, um Platz zu schaffen „für Neues“, wie es beim Sender heißt. Für Neues, das einem ja doch wieder bekannt vorkommen wird, verzichtet der WDR auf Einzigartiges. Mal wieder. Mit der Absetzung eines ähnlich eigenwilligen Konzepts, „Anke hat Zeit“, hat der Sender bereits seine Mutlosigkeit bewiesen.

Achim Mentzel, der Superman

Nirgendwo sonst in der TV-Landschaft als in „Zimmer frei“ wurde man charmanter mitgenommen, um Menschliches hinter künstlichen Fassaden zu entdecken. Den Panzer aus all dem einstudierten Gehabe, den sich Schauspieler, Sänger oder Moderatoren gerne umschnallen, haben die wie eine Präzisionskneifzange zusammenarbeitenden Westermann und Alsmann so genüsslich und leicht geknackt wie Hummerscheren.

„Hier kommt man nur besoffen durch“, stöhnte da so mancher Gast schon am Anfang der Sendung. Jeder der sich dem WG-Test stellte, wusste: Sechzig Minuten – und das Image ist futsch. Oder im besten Fall besser. Achim Mentzel, der Musiker aus Ostberlin, wurde quasi über Nacht zum Superman, der Moderator Markus Lanz überdimensional eigenartig. In dieser einmaligen Melange aus Talk, Kindergeburtstagsspielen und Musik wurde der TV-Koch Johann Lafer nicht nur dank Kostüm zum steifen Würmchen, der Moderator Steffen Hallaschka zum locker mitalbernden Silberfischchen, und aus dem Ex-Mister-Universum – dem schauspielernden Muskelpaket Ralf Möller, der sich verbal so schön aufgepumpt hatte – wurde fix sämtliche Starallüren-Luft abgelassen.

Intim! Intim!

Die Sendung, die, wie der im besten Sinne wahnsinnige Götz Alsmann einmal sagte, „das Spiel mit Schlafbrillen zur Kunstform hochgejazzt hat“, konnte bei aller Leichtigkeit im Nu in bleischwere Ernsthaftigkeit kippen. Neben Einspielern wie der „ultimativen Lobhudelei“ oder der Homestory (am schönsten früher mit Jörg Thadeusz), bei der Bekannte oder Verwandte des Gastes oft genug die Chance vertaten, den WG-Bewerber besser dastehen zu lassen, gab es noch ein sehr schönes Ritual: Christine Westermann zog sich – intim, intim – mit dem jeweiligen Kandidaten auf sein potenzielles und passend eingerichtetes Zimmer zurück. Spätestens da war Schluss mit lustig. Die Spaßsocke Karl Dall erzählte hier schonungslos offen von seiner Kindheit voller Hänseleien, und dem Schauspieler Otto Sander hätte man einfach ewig zuhören können.

In „Zimmer frei“ gab es keine Bluescreens und keine Moderationskärtchen. „Zimmer fei“ war analog und echt. Privat. Total verrückt. Anarchismus pur, der allein durch das ungleiche Paar Christine Westermann und Götz Alsmann zur Vollkommenheit geführt wurde. „Götzimausi“ und Christine moderierten keine Unterhaltungsshow, sie lebten sie am Küchentisch, auf dem Sofa im Wohnzimmer – und wie nebenbei auf dem Bildschirm. Ein feines Kompliment – nicht für Uschi Glas, aber für die Show – stand auch schon anlässlich der 200. Sendung in dieser Zeitung: „Uschi Glas ist zu Gast. Kann man ohne weitere Bedenken gut einschalten.“