„Weil es am Ende nicht um Kontostände oder Karrieren geht“: Dani Heyne und seine Freunde haben sich einen Traum erfüllt. Foto: Motorliebe

Dani Heyne durchquerte mit zwei Freunden in 60 Tagen die USA - auf Motorrollern. Das Trio erlebte dabei den Reiz der Langsamkeit, wenige böse und viele freudige Überraschungen.

Herr Heyne, wie kommt man auf die irrwitzige Idee, auf einer Vespa quer durch die USA zu knattern?
Die Idee kam mir, als ich 2012 über einen Blog gestolpert bin. Ein Mädchen hat darüber geschrieben, wie sie ihre neue Vespa die 6500 Kilometer von San Francisco nach New York gefahren hat, als sie umgezogen ist. Ich dachte: Wow! Mir sind sofort die Bilder in den Kopf geschossen.

Was hat Sie gereizt an den USA?
Da wir zwei Journalisten und ein Grafiker sind, entstand nach und nach der Gedanke, eine Kultur-Tour zu machen, die wir auch medial verwerten können. Wir wollten zeigen, was die Kulturen in Ost und West in einer globalisierten Welt noch unterscheidet. Beginnen wollten wir mit der westlichsten Kultur von allen: den USA. Der Endpunkt soll in Japan liegen.

Das war keine einmalige Aktion?
Nein, im Gegenteil. Wir arbeiten uns langsam über den Globus. Als Nächstes wollen wir mit unseren Vespas durch Island fahren.

Die Route führte von Los Angeles nach New York. War jeder Kilometer genau vorhergeplant?
Wir wollten ein Bild bekommen, was Amerika eigentlich ist. Deswegen haben wir uns überlegt, 15 Amerikaner zu besuchen, die uns dieses Bild vermitteln können. An den Besuchen entlang entwickelte sich dann die 9232 Kilometer lange Route.

Was waren das für Menschen?
Zum Beispiel der Besitzer der ältesten Hotdog-Bude in Hollywood - seit 1938 in Familienbesitz. Oder der Betreiber eines riesigen Plattenladens. Oder ein Modedesigner für handgenähte Jeans. Es ging uns um Menschen, die das Land interessant repräsentieren. Sie haben wir interviewt.

Was ist anders, wenn man so eine Reise auf einem Gefährt mit 10 PS macht?
Für zwei von uns war Vespa-Fahren Neuland. Trotzdem war der Roller das ideale Transportmittel. Wir wollten nicht mit einem so hohen Tempo unterwegs sein. Die Vespa hat auf der Reise den Ton angegeben, das war eine tolle Erfahrung. Dadurch sieht man viel mehr von der Landschaft. Und wird überall sehr freundlich empfangen.

Wegen der Vespa?
Nun ja, eine Vespa ist immer ein Symbol für Freundlichkeit. Sie polarisiert nicht wie zum Beispiel eine Harley-Davidson. Entweder die Leute hatten gar keine Meinung zur Vespa oder eine positive. Außerdem haben wir über unsere Tour in den sozialen Medien geschrieben. Das hat dazu geführt, dass wir in vielen Orten schon von vielen Vespa-Fans erwartet wurden. Das war eine große Hilfe.

Inwiefern?
Kurz nach Los Angeles hatten wir schon mit einem unreinen Vergaser zu kämpfen. Das war aber nicht weiter schlimm. Happiger war es dann an der Grenze zu Arizona. Einer der drei Roller fing an zu qualmen und zog nicht mehr richtig.

Das klingt abenteuerlich.
Wie gesagt, wir wurden von der Vespa-Szene in den USA herzlich aufgenommen. Viele Leute waren sehr hilfsbereit bei der Reparatur. Insgesamt mussten wir die eine Vespa sechsmal reparieren. Ein Dichtring an der Kurbelwelle passte nicht richtig in die Fassung, was immer wieder zu diesem Problem führte. Das haben wir aber erst ganz am Ende der Reise herausgefunden: Zwei Italiener in Pittsburgh fühlten sich bei der Ehre gepackt und haben die Vespa zwei Tage lang auseinandergenommen, um den Fehler endlich zu finden.

Sind Amerikaner hilfsbereiter als Europäer?
Es ist erstaunlich, welchen Unterschied dieses einfache „Hi, wie geht’s dir?“ macht, mit dem sich die Amerikaner begrüßen. Dadurch sind wir mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen und haben die witzigsten Dinge erlebt. Einmal hat uns der Besitzer einer kleinen Brauerei an einer völlig abgelegenen Tankstelle angesprochen und uns spontan zu sich ins Restaurant eingeladen. Er hat uns sogar bei sich übernachten lassen. Obwohl wir für ihn drei wildfremde Typen waren. Diese Kultur der Hilfsbereitschaft scheint uns in Deutschland etwas abhandengekommen zu sein.

Apropos schlafen: Haben Sie sich von Motel zu Motel gehangelt?
Wir hatten ein Begleitfahrzeug dabei: einen umgebauten Camper-Van. Ein guter Freund von uns hat angeboten, auf der Tour mitzufahren. Außerdem waren darin das Gepäck und die ganze Foto- und Videoausrüstung untergebracht. Mit dem Van konnten wir immer anhalten und überall am Wegesrand nächtigen, wenn wir gerade wollten.

Klingt nach Lagerfeuerromantik.
Nach mehreren Stunden im Vespa-Sattel waren wir meist viel zu müde für Lagerfeuer. Das Naturerlebnis kam trotzdem nicht zu kurz: Unser Tag orientierte sich am Auf- und Untergang der Sonne.

Überhaupt muss das Naturerlebnis gigantisch gewesen sein?
Die Abwechslungsrate der Landschaft war atemberaubend. Wir sind in Los Angeles am Strand bei Sonnenschein mit kurzen Hosen und T-Shirts losgefahren. Zwei Stunden später waren wir im absoluten Nirgendwo. Es ist unglaublich, wie viel Platz die noch haben, wie viel Luft die noch haben. Zum Beispiel in Utah oder im Monument Valley. Erstaunlich war auch, wie wenig entwickelt das Land teilweise noch ist. Ganz anders als in Europa, wo gefühlt jeder Quadratmeter verplant ist.

Welcher Ort hat Sie am meisten beeindruckt?
Als wir den Pass am Pikes Peak in den Rocky Mountains in der Nähe von Denver hochgefahren sind. Die Straße ist eine ehemalige Rennstrecke, auf der schon Rallye-Ikone Walter Röhrl mit dem Ur-Quattro Bestzeiten in den Asphalt gestanzt hat. Da geht es auf über 4000 Meter rauf. Das hat unsere kleinen Vespa-Motoren ganz schön ins Schnaufen gebracht. Wegen des niedrigen Sauerstoffgehalts in der Luft hatten die gefühlt nur noch zwei von ihren ursprünglichen zehn PS.

Sie sind auch über die Route 66 gefahren. Was ist noch übrig von diesem Mythos?
Die Straße zerfällt in einer märchenhaften Aura. Offiziell gibt es den Highway ja gar nicht mehr, und es sind auch nur noch etwa 85 Prozent der Originalstrecke erhalten. Allerdings befinden die sich nicht in einem besonders guten Zustand. Außerhalb der USA ist dieser Mythos sehr stark. In dem Land selbst allerdings nicht so sehr. Aber: Jeder, der auf der Route 66 unterwegs ist, ist sich dessen bewusst. Das verleiht der Straße eine besondere Atmosphäre.