Mercedes-Lkw-Chef Stefan Buchner bei der Präsentation des neuen Actros. Foto: Daimler

Die neue Generation des Flaggschiffs der Mercedes-Lastwagen kann jetzt automatisch lenken, bremsen und Gas geben. Damit sieht sich der Stuttgarter Konzern ganz vorn im Innovationswettlauf auf dem Weg zum autonomen Fahren.

Stuttgart - Daimler sieht sich im Innovationswettlauf der Lastwagenhersteller auf dem Weg zum autonomen Fahren ganz an der Spitze. Wer auf dem Beifahrersitz neben dem Mercedes-Lkw-Chef Stefan Buchner im neuen Actros eine kleine Spritztour macht, erkennt dies nicht unbedingt auf den ersten Blick.

Doch als plötzlich ein Tankwagen auf der Einfädelspur vor dem neuen Actros einschert, reagiert der 40-Tonner wie von Geisterhand. Der Mercedes bremst automatisch ab, bis der Abstand stimmt, und folgt dem Tankwagen, ohne dass Stefan Buchner etwas tun müsste. „Wir sind der erste Hersteller, der das teilautomatisierte Fahren der Stufe zwei auf den Markt bringt“, sagt Buchner. Dies bedeutet, dass das neue Lkw-Flaggschiff von Mercedes-Benz, das am Mittwoch in Berlin Weltpremiere feierte, selbstständig bremsen, Gas geben und lenken kann – und dies erstmals in allen Geschwindigkeitsbereichen. Ermöglicht wird dies durch eine Vernetzung von Radar- und Kameradaten. Dadurch werde der Fahrer entlastet und dieser Job attraktiver, meint Buchner. Dies sei dringend notwendig, weil der Fahrermangel ein großes Problem sei. Allein in Deutschland, so der Daimler-Manager, fehlten 50 000 Berufskraftfahrer – Tendenz steigend.

Zwei Kameras ersetzen erstmals die großen Außenspiegel

Kameras spielen auch eine Schlüsselrolle bei einer zweiten Innovation, die erstmals mit der neuen Generation des neuen Actros auf den Markt kommt. „Der neue Actros wird serienmäßig ohne die bisher üblichen, sehr großen Außenspiegel auf den Markt kommen. Damit verbessert sich die Aerodynamik, und es wird weniger Kraftstoff verbraucht“, sagt Buchner und nennt die Rückspiegel scherzhaft „Elefantenohren“.

Zwei Kameras ersetzen die Spiegel. Was hinten läuft, sieht der Fahrer auf zwei 15 Zoll großen Displays im Fahrerhaus rechts und links am Rand der Windschutzscheibe. Gemeinsam mit anderen Innovationen soll der Verzicht auf die sperrigen Spiegel insgesamt dazu führten, dass bis zu fünf Prozent Kraftstoff eingespart werden kann. Der neue Actros wird in zwei Wochen auf der Nutzfahrzeugmesse IAA in Hannover im Rampenlicht stehen. Die ersten Fahrzeuge sollen im Frühjahr des nächsten Jahres an die Kunden ausgeliefert werden. Seit dem Start der erstenActros-Generation vor zwei Jahrzehnten wurden rund 1,2 Millionen dieser schweren Lastwagen an Kunden rund um die Welt ausgeliefert. Rund ein Fünftel davon gehört inzwischen zur zweiten Generation, die seit 2011 produziert wird. Wie seine Vorgänger wird der Actros hierzulande im Werk Wörth produziert, wo weitere Lkw-Baureihen von Mercedes-Benz vom Band laufen. „In Wörth ist die Beschäftigung sehr gut, sowohl durch den Actros als auch durch die anderen Fahrzeuge. Vor Kurzem haben wir mit dem Betriebsrat weitere Zusatzschichten vereinbart, so dass in diesem Jahr an insgesamt acht Samstagen gearbeitet wird“, berichtet Buchner. Im größten Lkw-Montagewerk von Mercedes-Benz arbeiten 10 370 Männer und Frauen. Das Werk ist der zweitgrößte Arbeitgeber in Rheinland-Pfalz.

In Wörth werden mehr Zusatzschichten gefahren

Auch insgesamt zeigt sich Buchner mit der Geschäftsentwicklung in seinem Bereich recht zufrieden. „Die Auftragslage bei Mercedes-Benz Lkw ist gut. Insgesamt rechnen wir in diesem Jahr mit einem leichten Absatzplus“, so der Daimler-Manager. Der europäische Markt sei stabil. In Brasilien ziehe die Nachfrage deutlich an, allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau.

Die schwere politische und wirtschaftliche Krise hatte in den vergangenen Jahren einen Einbruch des Markts in Brasilien verursacht. Derzeit läuft es vor allem im Nahen Osten und auf dem türkischen Markt nicht rund. In der Türkei ist der Absatz im zweiten Quartal von 2900 Lkw im Vorjahr auf 1700 Fahrzeuge eingebrochen. Das Lkw-Werk in Aksaray ist erst vor kurzem kräftig ausgebaut worden. Aufgrund der aktuellen Krise ist die Produktion in der Türkei, wo der Lkw-Hersteller gemeinsam mit den Händlern 10 000 Mitarbeiter beschäftigt, leicht zurückgefahren worden. „Es hilft uns, dass wir aus der Türkei auch viele Fahrzeuge in andere Länder exportieren. Dies geht aber nicht zulasten anderer Standorte, wie etwa Wörth“, sagt der Daimler-Manager.

Trotz der schwierigen Lage in der Türkei steht Buchner zu diesem Standort. „Als großer Arbeitgeber in der Türkei haben wir dort genauso wie in Deutschland eine große gesellschaftliche Verantwortung. Wir wollen die Zukunft des Landes mitgestalten“, sagt der Truck-Chef von Mercedes.