Constantine Allen in „No Men’s Land" mit Louis Stiens Foto: Beuttenmüller

22 Jahre jung ist Constantine Allen und bereits Erster Solist beim Stuttgarter Ballett. Da stehen noch einige Rollen auf seiner Wunschliste. An diesem Samstag und Montag tritt er als Prinz Desiré in „Dornröschen“ auf.

Stuttgart - Nein, eine Wunschliste habe er nicht heim nach Washington geschickt, sagt Constantine Allen. „Vielleicht ein neuer Wintermantel?“, fällt dem Tänzer nach einigem Überlegen ein, ein Smartphone und die elektronischen Dinge, die junge Leute so brauchen, habe er ja schon. „Hauptsache, die Menschen um mich herum sind glücklich und gesund.“

Constantine Allen ist bescheiden und auf wohltuende Art geerdet, wie es Tänzern zu eigen ist; sie sind gewohnt, nicht viel Aufhebens um sich selbst machen. Dabei hätte der junge Amerikaner allen Grund dazu. Mit 22 Jahren ist er bereits ganz oben beim Stuttgarter Ballett. Für den Weg an die Spitze der Tänzerhierarchie brauchte er nur drei Jahre, nachdem er 2012 nach der Ausbildung an der Cranko-Schule direkt im Corps de ballet eingestiegen war.

Bei der Gala für die Aktion Weihnachten unserer Zeitung konnte Constantine Allen seine Stärken unter Beweis stellen. Spontan war für den erkrankten Friedemann Vogel zur Stelle; vor allem aber zeigte er in „Le Grand Pas classique“, wie viel Prinz in ihm steckt und mit welcher Noblesse Ballett zelebriert werden kann, ohne an Virtuosität zu sparen.

„Mein Körperbau passt zum klassischen Repertoire; ich bin eher ein lyrischer Tänzer“, erklärt Constantine Allen die vielen Prinzenrollen in seinem Repertoire. An diesem Samstag und am Montag ist er genau in einer solchen zu sehen: An der Seite von Anna Osadcenko tanzt er Desiré in „Dornröschen“, bevor er ins Flugzeug steigt, um mit seiner Familie in Washington Weihnachten zu feiern.

„Ich war schon als Schüler nie einer der Tänzer, die springen und in der Luft diese verrückten Sachen machen. Ich bin einfach sehr groß und muss viel Körper bewegen“, sagt Constantine Allen. Als Prinz auf die Bühne zu gehen fühle sich dagegen „ganz normal an“. Das sagt der Tänzer, ohne dass es arrogant klingt. Wie sollte es auch aus dem Mund eines jungen Mannes, der mit seinem schwarzen Wuschelschopf und Brille aussieht wie ein Student.

Tanzen statt Wellenreiten

Auch in einer Basketballmannschaft könnte man sich Constantine Allen gut vorstellen. Seine Eltern hätten ihn jedenfalls gerne da gesehen, aber nach einem Musicalbesuch bei „Cats“ stand für ihn im Alter von fünf Jahren fest, dass er tanzen will. Dabei ist er geblieben, obwohl in Hawaii, wohin Constantine Allens Familie 1994 auf Wunsch des Vaters gezogen war, bei Jungs eher Wellenreiten angesagt war. „Klar war ich mit meinen Freunden zum Spaß surfen“, sagt der Tänzer aus Honolulu, aber seine Leidenschaft gehörte und gehört dem Ballett.

Mit einem Stipendium des Youth American Grand Prix kam er als 13-Jähriger an die Kirov-Academy in Washington; vier Jahre später entdeckte ihn Tadeusz Matacz bei einem Wettbewerb in Bulgarien und holte ihn an die Cranko-Schule. „Ich hatte viel von Petr Pestov gehört und dachte, der Unterricht bei ihm könnte ein konsequenter Schritt sein.“ Die Hoffnungen von Constantine Allen haben sich erfüllt, auch wenn er nur ein Jahr vom Wissen des 2011 verstorbenen Ballettlehrers profitieren konnte. Eine Zeit, wie heute jeder sehen kann, in welcher der Pestov-Schüler die klassische Linie verinnerlicht hat. Sicher war sich Constantine Allen nach der Ausbildung, dass er in Europa bleiben will. „Ich habe mich hier besser gefühlt“, sagt der Amerikaner, der mit einem griechischen Vater und einer indischen Mutter von der Vielfalt der Kulturen geprägt ist. „Hier gibt es mehr Geschichte, mehr Kultur und ungeschriebene Regeln, wie man miteinander umgeht. Ich erwarte hier mehr für die Entwicklung meiner Persönlichkeit.“

Leicht, luftig, schnell

Schätzen gelernt hat der Amerikaner in den drei Jahren beim Stuttgarter Ballett auch das Dramatische, er genießt Rollen wie Lenski, Herausforderungen wie Othello. „Eine Geschichte zu erzählen ist erfüllender als alles andere“, sagt der Tänzer, der im Glück ist, wenn wie bei Lucentio in „Der Widerspenstigen Zähmung“ noch das Leichte, Luftige, Schnelle ins Spiel kommt.

Überraschend lang für einen Tänzer am Beginn seiner Karriere ist die Liste der Rollen, die Choreografen eigens für Constantine Allen geschaffen haben. Ob mit Katarzyna Kozielska oder nun mit Marco Goecke für dessen neues Stück: „Ich liebe diese Zusammenarbeit, diesen stillen Respekt von Menschen, die auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten und einander vertrauen.“ So entstehe die für Stuttgart typische Atmosphäre, in der sich Tänzer furchtlos auf etwas einlassen könnten und keine Angst vor Fehlern hätten, in der Choreografen wie Edward Clug mit großer Offenheit auf die Tänzer reagierten.

Dass er bei Gastspielen Reisen und Arbeit verbinden kann, dass er so die Große Mauer in China erlebt hat und in Moskau tanzen durfte, dass ihm schon als junger Tänzer Großes anvertraut wurde: Constantine Allen hat Grund, wunschlos glücklich zu sein. Obwohl, ein paar Wunschrollen hat er schon: den Armand in „Kameliendame“ und ganz oben Onegin. Keine Frage, dass er diesem Charakter in nicht allzu weiter Zukunft alle Facetten zwischen Arroganz und Erniedrigung erspielen wird.