Erich Mühsam versucht gerade, in einem kleinen Schweizer Dorf ein tagebuch-taugliches Heft zu kaufen. Foto: Edition Moderne

Jan Bachmann porträtiert in „Mühsam – Anarchist in Anführungsstrichen“ den 1934 von den Nazis ermordeten Dichter Erich Mühsam. Trotz des ernsten Themas ist das eine sehr heitere, Neugier weckende Graphic Novel geworden.

Stuttgart - Der kränkelnde, mittellose deutsche Dichter Erich Mühsam, von seinen Brüdern mit wenig Taschengeld versehen, sitzt im Sommer 1910 zur Kur in einer Schweizer Klinik. Einer Freundin zu Hause schreibt er, er liebe sie. Und bittet sie, einer anderen Frau auszurichten, die liebe er auch. Naiv und offen erklärt er das in seinem Tagebuch: „Die Frauen, die ich liebe, sollen es zumindest wissen. Das ist dann so eine Art Ersatz für Gegenliebe.“

Wem da nicht das Herz aufgeht und ein Grinsen aufs Gesicht kommt, der ist für Jan Bachmanns Comic „Mühsam – Anarchist in Anführungsstrichen“ wohl verloren. Der 1986 geborene Basler, der in Berlin Film studiert hat, mischt Mühsams Tagebucheinträge mit witzig und treffend erfundenen Dialogen und ulkig verzerrenden Bildern. Mühsam ist ein oft erstaunt blickendes Brillenträgermännchen mit gerade verwilderndem Vollbart und einer Nase, wie Pinocchio sie beim Lügen bekam.

Keine traurige Opfergeschichte

Der bisexuelle Mühsam, 1878 als Kind jüdischer Eltern in Berlin geboren, früh ein Linker, dann Anarchist im Kaiserreich, war 1919 einer der Ausrufer der Münchner Räterepublik. Dafür musste er fünf Jahre Festungshaft absitzen. 1934 haben ihn die Nazis im KZ Oranienburg ermordet. Es wäre leicht, sein Leben als das eines Opfers zu erzählen oder als das eines furchtlosen Kämpfers, aber immer ganz pietätvoll und gedeckt. Wer überhaupt die Comicform wagte, könnte schnell in Versuchung kommen, mit belegter Stimme und melancholischen Bildern zu arbeiten.

Diese Versuchung ist an Bachmann ganz vorbeigegangen. Dies ist keine um Seriosität ringende und in Langeweile endende Biografie. Es ist eine Feier von Mühsams Leben, von Witz und Fröhlichkeit, eine Verneigung vor dem ewigen Widerspruch von innerem Himmelssturm des Herzens und äußerem Kriechen im Rinnstein des Alltags. Dabei ist jedes Bild von ansteckender Zuneigung durchdrungen, die Mühsam dem Vergessen entreißen könnte.

Jan Bachmann: Mühsam – Anarchist in Anführungsstrichen.
Edition Moderne, Zürich. 96 Seiten, 19 Euro.