Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky (rechts) bei einer Streikkundgebung vor dem Hauptbahnhof in Köln Foto: dpa

Er gilt als autoritär und humorlos. Tatsächlich führt er einen harten Arbeitskampf. Aber auf der anderen Seite steht nicht nur die Bahn – auch die Regierung. Da vergeht der Spaß.

Berlin - Man kann es sich ganz einfach machen, wenn es um Claus Weselsky geht, den Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL, die gerade mit dem achten Streit seit September für schlechte Laune bei Bahnkunden in der ganzen Republik sorgt. Er ist kein beliebter Mann. Nicht bei den Pendlern, die nicht wissen, wie sie morgen zur Arbeit kommen sollen, nicht beim Bahnvorstand, nicht bei den Politikern. Und nicht einmal in seiner Gewerkschaft. Dort respektiert man ihn, man folgt ihm, manchmal vielleicht sogar mit einem seltsam sektenhaften Gehorsam. Aber dass man ihn dort liebte, wird auch niemand behaupten. Nein, Claus Weselsky ist kein Sympathieträger.

Und Schluss. Dabei könnte es sein Bewenden haben. Aus diesem Mann wird auch der raffinierteste Medienberater – und er soll inzwischen tatsächlich einen engagiert haben – keinen charismatischen Arbeiterführer modeln, keinen Franz Steinkühler, keinen „Klotz“ Kluncker, schon gar keinen Hermann Rappe. Dazu passt weder, was er sagt, noch wie er es sagt.

Der Mann ist Sachse, der einzige Ostdeutsche an der Spitze einer wichtigen deutschen Gewerkschaft. Sächsisch finden die Sachsen richtig gut. Eigentlich nur die Sachsen. Ist das wichtig? Nicht wirklich. Oder doch. In einer gewissen Weise. Denn der Ostdeutsche steht eben nicht nur akustisch irgendwie quer im Stall, passt so gar nicht in das jahrzehntelang eingeschliffene Ritual bundesrepublikanischer Tarifauseinandersetzungen.

Geschmeidigkeit und Selbstironie gehören auch dazu

Ja, ein Franz Steinkühler konnte buchstäblich auf die Barrikaden gehen. Aber er konnte auch den Diplomaten geben. Wie alle erfolgreichen Gewerkschafter. Eine gewisse Geschmeidigkeit, das Gespür dafür zu erkennen, wann es genug ist mit all der Kampfrhetorik, ein Schuss Selbstironie – das alles gilt als notwendige Ausstattung eines guten Sachwalters von Arbeitnehmerinteressen.

Nichts davon steht dem 55-jährigen Weselsky zur Verfügung. Jedenfalls nicht in seinem öffentlichen Auftreten. Seine Sätze sind schroff, oft verletzend, lassen keinen Raum für Deutungen, geben dem Gegenüber am Verhandlungstisch kein Anknüpfungspunkt. Vom „Durchstreiken bis zum Ende“ hat er im Zusammenhang mit dem aktuellen Arbeitskampf gesprochen.

„Unanständig“ nennt er Verhandlungsangebote der Arbeitgeber. Eine „perfide Art“ bescheinigt er dem Bahnvorstand. Er weiß, wie er ist und wie er wirkt. Er sagt das auch. „Ich bin keiner, der ständig im Team arbeiten muss“, ist so ein Satz von ihm. Aber er sagt das nicht mit einem Lächeln im Knopfloch. Der präzise zu einem spitzwinkligen Dreieck rasierte Schnäuzer bleibt unbewegt. Wie gesagt, man kann es sich einfach machen mit diesem Mann.

Nur einfach ist oft falsch

Nur einfach ist oft falsch. Gut hier, böse da – so überschaubar ist es selten. Weselskys Lebenslauf ist von einer Geradlinigkeit, die durchaus respektabel ist. Bei der Reichsbahn hat er 1975 als Schienenfahrzeug-Schlosser angefangen. Mit der SED hatte er nichts am Hut, auch nicht mit dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund in der DDR. Er hat dafür einen Preis gezahlt. Lange Jahre ließ man ihn schmoren als Rangierer, ehe er erst Güter- dann schließlich aber auch Personenzüge fahren durfte.

1990 wurde alles anders, als die GDL einen Ostverband gründete. Die Lokführer kamen in Scharen. Weselsky übernahm den Vorsitz in Pirna, wurde 2002 hauptamtlicher Funktionär und stieg rasch auf. 2007 fiel er erstmals einer breiten Öffentlichkeit auf. Damals war er schon zweiter Mann der GDL, treibende Kraft in den Verhandlungen. Er erstritt einen eigenen GDL-Tarifvertrag und elf Prozent mehr Lohn. Im gleichen Jahr bot ihm die Bahn den Posten des Personalvorstands an – er lehnte ab. Das alles hat auch etwas Imponierendes.

Es gibt einen anderen Punkt, der das Bild verkompliziert. Dieser Tarifkonflikt ist untypisch. Die GDL will ihre Zuständigkeit ausdehnen, will das gesamte Personal im und am Zug vertreten, in Konkurrenz zur größeren DGB-Gewerkschaft. Da stehen sich nicht nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber. Die Politik sitzt als unsichtbare dritte Partei mit am Tisch. Weder Union noch SPD wollen den Einfluss kleiner Spartengewerkschaften größer werden lassen – und der Staat hat direkten Einfluss auf die Bahn. Die Koalition will eine gesetzliche Regelung. Es geht also um mehr als Geld und Arbeitsbedingungen. Es geht um Macht, letztlich um die Zukunft der GDL. Da kann man schon mal humorlos werden.