Christine Hohmann-Dennhardt, ehemalige Bundesverfassungsrichterin und Vorstandsmitglied der Daimler AG, wechselt zu VW. Foto: dpa

Ein eigenes Ressort für „Integrität und Recht“ im Top-Management: VW hofft, auch mit dieser Strukturveränderung künftig Affären wie dem Abgas-Skandal vorbeugen zu können. Den Job bekommt keine Unbekannte.

Wolfsburg/Stuttgart - Der krisengeschüttelte VW-Konzern holt im Kampf gegen die Abgas-Affäre die Daimler-Vorstandsfrau Christine Hohmann-Dennhardt in seine eigene Führungsetage. Der Konkurrent aus Stuttgart habe dem Wunsch entsprochen und entlasse die ehemalige Bundesverfassungsrichterin frühzeitig aus ihrem bis Februar 2017 laufenden Vertrag, teilten die beiden Autobauer am Freitag zeitgleich mit. Hohmann-Dennhardt wechselt zum 1. Januar nächsten Jahres in den Vorstand der Volkswagen AG - als erste Frau in der Konzerngeschichte.

Die 65 Jahre alte promovierte Juristin soll Europas größtem Autobauer helfen, den Skandal um manipulierte Abgaswerte von Dieselmotoren zu bewältigen. Die Wolfsburger hatten die Schaffung eines neuen Ressorts für Compliance (Integrität und Recht) nach Informationen aus Konzernkreisen bereits ins Auge gefasst.

Neben ihrer Funktion als Richterin am Bundesverfassungsgericht war Hohmann-Dennhardt auch hessische Justizministerin für die SPD.

VW siedelt Thema auf höchster Ebene an

„Wir freuen uns, dass wir Frau Dr. Hohmann-Dennhardt für diese verantwortungsvolle Aufgabe gewinnen konnten und auf ihre herausragende Fachkompetenz und Erfahrung bauen können“, sagte VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch einer Mitteilung zufolge.

In den vergangenen Wochen hatten sich die Hinweise darauf verdichtet, dass VW das Thema auf höchster Ebene ansiedeln will. Die Schaffung eines entsprechenden Vorstandsressorts als Konsequenz aus dem Diesel-Skandal sei „der nächste logische Schritt“, hieß es in Kreisen des Unternehmens, wie der Rechercheverbund von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR berichtete.

Zwar hatte Volkswagen - auch als Lehre aus anderen Affären wie den Lustreisen von Betriebsräten auf Firmenkosten - den Kampf gegen Regelverstöße schon seit längerem als wichtige Unternehmensfunktion erkannt. In Person von Frank Fabian gab es im Konzern seit 2001 einen sogenannten Compliance Officer.

Eine Aufwertung des Postens in den Vorstand könne aber durchaus eine große Außenwirkung haben, hieß es aus dem Unternehmen. Siemens und Daimler hatten bei großen Schmiergeldfällen ähnlich reagiert, um die Behörden milde zu stimmen.

Biografie Christine Hohmann-Dennhardt

Die Juristin Christine Hohmann-Dennhardt kennt sich aus mit der Krisenbewältigung in großen Autokonzernen. Sie wurde 2011 als erste Frau in den Daimler-Vorstand nach Stuttgart geholt, um den US-Schmiergeld-Skandal bei dem Autobauer intern aufzuarbeiten und ein System der internen Kontrolle zu installieren. Die inzwischen 65-Jährige machte als Chefin des Ressorts „Integrität und Recht“ eine gute Figur.

Es dürfte zu einem gewissen Teil auch an der Rolle Hohmann-Dennhardts als Wächterin über die Einhaltung von Regeln liegen, dass Daimler als einstiger Problemfall hier neues Vertrauen gewonnen hat. Bei VW muss sie nun abermals die Scherben aufkehren, die vor ihrem Amtsantritt entstanden sind.

Nach einer Vorstandskarriere sah es bei Hohmann-Dennhardt lange nicht aus. Erst im Alter von 60 Jahren wechselte sie in die freie Wirtschaft, zuvor war sie zwölf Jahre lang als Richterin am Bundesverfassungsgericht tätig. Dort setzte sie sich für Bürgerrechte ein, den „großen Lauschangriff“ beispielsweise lehnte sie strikt ab. In den 1990er Jahren war die SPD-Politikerin hessische Landesministerin - erst als Ressortchefin für Justiz, später für Wissenschaft und Kultur.

Geboren in Leipzig, kam sie mit ihrer Familie als Kleinkind nach Westdeutschland, zunächst nach Essen, später nach Marbach am Neckar. Die Mutter zweier Kinder tritt immer sehr kontrolliert auf - spontane Äußerungen oder unbeherrschte Gestik sind ihr fremd.