Nach der Freilassung aus zehn Jahren Haft kümmert sich Kreml-Gegner Chodorkowski in Berlin jetzt erst einmal um seine Familie. Am Sonntag will er sich den Medien stellen.
Nach der Freilassung aus zehn Jahren Haft kümmert sich Kreml-Gegner Chodorkowski in Berlin jetzt erst einmal um seine Familie. Am Sonntag will er sich den Medien stellen.
Berlin/Moskau - Der freigelassene Kreml-Gegner Michail Chodorkowski will sich nach seiner Ausreise nach Deutschland an diesem Sonntag zu seinen Zukunftsplänen äußern. Der 50-Jährige lud in Berlin zu einer internationalen Pressekonferenz ein. Am Samstag traf er sich nach mehr als zehn Jahren Haft erstmals wieder in Freiheit mit seinen Eltern. Chodorkowski bekam von den Behörden ein Visum, das ihn dazu berechtigt, ein Jahr lang in Deutschland zu bleiben. Möglicherweise kehrt er aber auch nach Russland zurück oder reist in anderes Land weiter.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte seinen prominentesten Kritiker am Freitag nach mehr als zehn Jahren Haft überraschend aus humanitären Gründen begnadigt. Nach der Freilassung reiste Chodorkowski gleich nach Berlin. An der Lösung war auch der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher beteiligt. Der FDP-Politiker will sich aus der Angelegenheit jetzt aber zurückziehen. „Chodorkowski wird nun sein eigenes Leben gestalten“, sagte der 86-Jährige am Samstag.
Fotografen frieren vor dem "Adlon"
Nach unbestätigten Berichten hält sich der Kreml-Kritiker im Hotel „Adlon“ direkt am Brandenburger Tor auf. Vor der Luxusherberge wartete ein großes Aufgebot an Kameraleuten und Fotografen. Zu Gesicht bekamen sie ihn zunächst aber nicht. Am Vormittag landeten seine Mutter Marina und sein Vater Boris in Berlin. Sie kamen mit einer Linienmaschine aus Moskau. Zuvor hatte Chodorkowski bereits seinen ältesten Sohn Pawel (27) wiedergesehen, der normalerweise in New York lebt.
Chodorkowskis Mutter, die an Krebs leidet, war vor einiger Zeit bereits zur Behandlung in einem Berliner Krankenhaus. Berichte, wonach der einstige Milliardär nur in der Vermutung nach Berlin kam, dass seine Mutter immer noch in Deutschland ist, wurden aus der Umgebung der Familie aber dementiert. Chodorkowskis Frau Inna lebt in der Schweiz. Das Paar hat gemeinsame Kinder. Der älteste Sohn stammt aus seiner ersten Ehe.
"Das Wichtigste ist jetzt: Freiheit, Freiheit, Freiheit"
Die Pressekonferenz am Sonntag soll um 13 Uhr im Mauermuseum in der Nähe des ehemaligen Grenzübergangs Checkpoint Charlie stattfinden. Am Samstag wollte sich Chodorkowski vor allem um die Familie kümmern. „Nach zehn Jahren jetzt ist das ein unglaubliches Gefühl der Freiheit“, sagte er in einem kurzen Anruf bei der kreml-kritischen Zeitschrift „The New Times“ in Moskau. Er sei allen dankbar, die geholfen hätten, damit er das Straflager verlassen könne. „Das Wichtigste ist jetzt: Freiheit, Freiheit, Freiheit.“
Regulär hätte Chodorkowski nach zwei international umstrittenen Urteilen im August 2014 in Freiheit kommen sollen. Der frühere Chef des Ölkonzerns Yukos war unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Diebstahls verurteilt worden.
Chodorkowski kündigte aber auch schon an, sich für andere Häftlinge in Russland einsetzen. „Es gibt noch viel zu tun, die Freilassung der Geiseln, die noch im Gefängnis sind, vor allem Platon Lebedew.“ Lebedew war Geschäftspartner des einstigen Ölmilliardärs, der mit ihm unter anderem wegen Steuerbetrugs verurteilt worden war. Menschenrechtler haben Chodorkowski bereits eine führende Rolle beim Aufbau der Zivilgesellschaft in Russland angeboten.
US-Außenminister John Kerry begrüßte die Freilassung. Die USA hätten sich wiederholt besorgt über mutmaßliche Verstöße in Gerichtsverfahren und eine selektive Strafverfolgung in Russland gezeigt, erklärte Kerry in Washington. Zugleich rief er Moskau auf, Reformen fortzusetzen, die zu einem transparenten, unabhängigen und glaubwürdigen Justizsystem in dem Staat führten.
Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert ein dauerhaftes Bleiberecht für Chodorkowski in Deutschland. Wenn er dies wolle, sollte die Bundesregierung ihm einen Aufenthalt ermöglichen, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“. Der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko forderte Präsident Viktor Janukowitsch in der „Bild“-Zeitung auf, Putins Beispiel zu folgen und die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ebenfalls zu begnadigen.