Vitali Klitschko bleibt Boxweltmeister im Schwergewicht. Der 41-jährige Ukrainer besiegt Deutsch-Libanesen Manuel Charr durch technischen K.o.

Moskau - Blutüberströmt und uneinsichtig: Nach seiner verdienten Niederlage gegen Boxweltmeister Vitali Klitschko war Schwergewichtsboxer Manuel Charr kaum zu beruhigen. „Nicht Vitali hat den Kampf gewonnen, der Ringarzt hat den Kampf gewonnen“, tönte der 27 Jahre alte Wahl-Kölner nach dem technischen K.o. in der vierten Runde in der Moskauer Olympiahalle. Immer wieder bettelte Charr in der Pressekonferenz um eine Revanche. Doch „Dr. Eisenfaust“ ließ sich nach seinem 45. Sieg im 47. Kampf nicht erweichen. „Es gibt Regeln“, betonte der Ukrainer. Charr habe seine Chance gehabt - nun ist ein anderer dran.

War es das für Klitschko? Hängt er die Boxhandschue an den Nagel?

Denn der 41-Jährige hat noch nicht genug. Zwar ließ Klitschko zunächst offen, ob er seine Karriere nun fortsetzt oder nicht. Mit seiner Oppositionspartei Udar will der Zwei-Meter-Recke am 28. Oktober bei der Wahl ins ukrainische Parlament einziehen. Doch scheint ihn ein spektakuläreres, standesgemäßes Sport-Ende mehr zu reizen als eines, dass ihm der klar unterlegene Charr bieten konnte. Dafür drängt sich David Haye auf, dem Klitschko schon seit Jahren eine K.o.-Niederlage versprochen hat. Das Großmaul würde der WBC-Champion zu gern auf die Bretter schicken, zumal der Brite durch die Pay-per-View-Einnahmen auf der Insel die dickste Börse von allen derzeit zur Verfügung stehenden Gegnern verspricht. „Das war heute eine Katastrophe“, giftete Haye. „Klitschko sollte sich schämen: eine schlechte Leistung. Ich habe so viele Lücken gesehen, so viele Mängel in seiner Deckung. Ich bin sicher, dass Vitali mit mir niemals sechs Runden durchstehen würde.“

Charr versteift sich auf Regelverstoß

Charr, der „Koloss von Köln“, wollte seine Niederlage partout nicht anerkennen. So sehr versteifte er sich auf einen Regelverstoß, dass nacheinander Thomas Pütz, Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer, und Ringarzt Stefan Holthusen bei der Pressekonferenz das Podium erklimmen mussten. Nur der Ringrichter könne den Kampf abbrechen, betonte Pütz. Der Arzt könne nur eine Empfehlung geben. Und Holthusen erklärte, Charrs Blutung am rechten Auge sei nicht zu stoppen gewesen, daher habe er einen Abbruch vorgeschlagen. Auch Klitschko bedauerte das abrupte Ende. Mit ausgestreckten Armen entschuldigte er sich beim Publikum. „Ich hätte Manuel gerne richtig k.o. geschlagen“, sagte der Superstar.

Der Sieg war völlig verdient: Klitschko hatte seinen Gegner im Griff, nach Punkten lag er klar vorne. Anscheinend lässig trieb er Charr vor sich her. Als der Herausforderer in Runde zwei doch einmal zum Angriff ansetzte, konterte Klitschko ihn locker aus - und Charr landete am Boden. Einen Trost hat der Wahl-Kölner: Von der Börse gibt es die versprochene Einbauküche für die Mutter. Trotz des späten Anfangs von 1 Uhr Ortszeit stand das Publikum in der riesigen, nicht ausverkauften Halle von Anfang an hinter dem Ukrainer. Zu bewundern gab es Klitschko-Festspiele: Denn auch Ehefrau Natalia hatte ihren Auftritt. Kurz vor dem Kampf ihres Mannes gab die 38-Jährige „The Power of Love“ von Jennifer Rush zum Besten. „Ich habe wirklich eine tolle Ehefrau“, sagte Vitali später stolz.

Auch viele Landsleute waren mit Nationalflaggen behängt eigens zum ersten Profikampf ihres Idols in die russische Hauptstadt gereist. Dorthin musste Klitschko ausweichen, weil ihm sein Wunschort - das Olympiastadion in Kiew - verwehrt geblieben war. Im Wahlkampf wolle die Regierung um keinen Preis ihrem Gegner eine mögliche Show ermöglichen, meinten Experten in Kiew. Doch wahrscheinlich ist, dass die ukrainische Hauptstadt den Weltmeister doch noch im Ring erlebt.