Der große Frust: Joshua Kimmich kann die deutliche Niederlage gegen Manchester City nicht fassen. Foto: dpa/Tom Weller

Nach dem bittern 0:3 bei Manchester City und dem drohenden Aus in der Champions League steuern die Bayern auf eine schwache Saisonbilanz zu.

Hinterher waren es vor allem die Emotionen und Widersprüche, die in Erinnerung blieben von diesem denkwürdigen Dienstagabend bei Manchester City. Da war Innenverteidiger Dayot Upamecano, der traurig und wortlos aus dem Etihad Stadium ging, nachdem ihm bei der 0:3(0:1)-Niederlage des FC Bayern vor dem zweiten Gegentor ein so überflüssiger wie vorentscheidender Ballverlust unterlaufen war. Da war aber auch der regelrecht schwärmende Trainer Thomas Tuchel, der sogar davon sprach, sich „schockverliebt“ zu haben in seine neue Münchner Mannschaft. Und das, obwohl diese nach dem Viertelfinal-Hinspiel schon so gut wie sicher ausgeschieden ist aus der Champions League – eine Woche nach dem Aus im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Freiburg.

Der FC Bayern steuert damit wie in der vergangenen Saison erneut auf eine enttäuschende Bilanz zu. Diesmal ist allerdings nicht einmal der Meistertitel sicher. Der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn gab sich später beim Bankett im Kimpton-Clocktower-Hotel bei schottischem Lachs, Cheshire Beef und Chantilly-Möhren alle Mühe, kämpferisch und zugleich gelassen zu klingen. Zudem versuchte er, all jenen Debatten schon einmal entgegenzuwirken, die rasch einsetzten.

Schnell war es ja auch um die Frage gegangen, ob der Zeitpunkt des Trainerwechsels von Julian Nagelsmann zu Tuchel vor knapp drei Wochen und unmittelbar vor der entscheidenden Saisonphase weise gewählt worden war. Hinzu kam die vertraute Frage, ob der Kader von Sportvorstand Hasan Salihamidzic wirklich klug aufgestellt worden war, mit nur einem echten Mittelstürmer, dem 34 Jahre alten und diesmal verletzt fehlenden Eric Maxim Choupo-Moting. In dieser Gemengelage wirkte es, als schwebe über dem FC Bayern ein Gefühl, das einen anschreit wie ein Schriftzug in einem Comic. Das Gefühl lautete: Autsch!

„Es sieht nicht so gut aus“

Im Fußball werde „immer alles am Ergebnis festgemacht“, sagte Kahn in seiner Rede und warb um eine differenzierte Betrachtung. Es bringe „jetzt auch nichts, groß zu lamentieren und alles negativ zu sehen“, man habe vielmehr noch „die große Möglichkeit, deutscher Meister zu werden“. Das Publikum lauschte, von den Spielern bis hin zu Präsident Herbert Hainer blickten die meisten Menschen im Saal aber einfach nur enttäuscht und wenig begeistert drein. „Wir können es uns nicht erlauben, groß in Gedanken zu versinken, sondern wir müssen sofort am Samstag nachlegen“, rief Kahn wegen des engen Titelrennens in der Bundesliga. „Und dann, dann gibt’s immer noch ein Rückspiel. Ja, es sieht nicht so gut aus. Nur: Ich habe im Fußball schon Unglaubliches erlebt“, sagte Kahn. Danach wünschte er noch einen „entspannten Abend“. Trotz allem.

Es hat beim FC Bayern schon einige bemerkenswerte Bankettreden gegeben. Allen voran die des damaligen Präsidenten Franz Beckenbauer, der sich 2001 nach einer 0:3-Niederlage bei Olympique Lyon an die „Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft“ erinnert gefühlt hatte. Zu solch einer Schelte bestand diesmal kein Anlass, nachdem die Münchner Pep Guardiolas Manchester City lange Zeit sehr ernsthaft gefordert hatten. Sie hatten aber eben auch immer wieder individuelle Fehler eingestreut, die drei Gegentore von Rodri (27.), Bernardo Silva (70.) und Erling Haaland (76.) zugelassen und selbst nicht getroffen. Die Mannschaft wirkte im garstigen englischen Regen mit viel Wind im übertragenen Sinne nicht ganz wetterfest.

Hilfloser Appell

Kahns Rede klang auch deshalb ein wenig nach Durchhalteparolen und einem etwas hilflosen Appell. „Wir werden im Rückspiel alles versuchen“, beteuerte zwar Mittelfeldspieler Leon Goretzka pflichtschuldig, „aber es ist natürlich eine miserable Ausgangsposition.“ Das Ergebnis sei „absolut katastrophal für uns“, ergänzte Thomas Müller, es sei wie ein „Schlag in die Magengrube“ nach einer weitgehend guten Leistung. Für den Offensivspieler kam hinzu, dass er in eigener Sache ebenfalls „nicht super happy“ war, weil er 80 Minuten lang auf der Bank gesessen hatte. Doch damit könne er umgehen, sagte Müller, und Tuchel mache es „bisher wirklich super“. Zu den Fragen nach der strategischen Entscheidung von Kahn und Salihamidzic, den Trainerwechsel kurz vorm Saisonendspurt zu vollziehen, wollte sich Müller lieber nicht einlassen. „Da könnt ihr Hasan fragen, da werde ich mich nicht zu äußern, weil die Debatte birgt natürlich Zündstoff“, sagte Müller.

Salihamidzic wich diesen Fragen aus. Dass ein Stürmer fehle, finde er nicht, man habe genug torgefährliche Spieler. Und ja, „die Ergebnisse im Pokal und in der Champions League stimmen nicht“, sagte er, „trotzdem haben wir gesehen, dass wir guten Fußball spielen“. Die Mannschaft und der neue Trainer bräuchten „ein bisschen Zeit“. Diese hatte Tuchel seit dem Amtsantritt noch nicht, weil in den englischen Wochen kaum trainiert werden kann. Am Samstag kommt Hoffenheim, am Mittwoch steht das Rückspiel gegen Manchester City an.

Salihamidzic setzt deshalb auf eine Entwicklung unter Tuchel in der Zukunft, er sagte: „Ich bin optimistisch, dass wir bald ein anderes Level haben.“ Doch vorerst deutet viel darauf hin, dass die Enttäuschungen in dieser Saison erneut überwiegen werden.