Die neue Spitzbubenbar in der Almhütte Royal lockt auch die Mädels an. Foto: /Andreas Engelhard

An Tagen wie diesen ist der Wasen-Wahnsinn kaum zu bremsen. Das Volksfest ist das Party-Epizentrum der Stadt. In den jungen Bars der Zelte, die länger aufbleiben dürfen, geht’s besonders wild zu. Was unser Kolumnist bei seinen Streifzügen zu Events erlebt.

Laut, wild, heftig: Ohrenschützer sind fürs Volksfest nützlicher als Dirndl und Lederhose. Wenn es Nacht wird auf dem Wasen, wird die Musik in den Zelten noch weiter aufgedreht. Mein Gefühl, dass diesmal alles noch mehr dröhnt, bestätigt ein Wirt. Dies müsse er tun, so seine Erklärung, damit die Leute, die draußen vorbei laufen, von starker Mucke reingezogen werden.

Bei den Wasenbesuchern, hört man oft, sitzt das Geld nicht mehr so locker. Damit die Umsätze stimmen, sind neuen Ideen gefragt. Die Fülle an Specialevents, Motto-Partys und Bars mit DJs ist so groß wie nie zuvor.

Bei „Cordula Grün“, „An Tage wie diesen“ „Skandal im Sperrbezirk“, „Pocahontas“ sowie vor allem bei „Layla“ und „Bumsbar“ von unserer heimischen Mallorca-Rakete DJ Robin – nach meinem Eindruck sind das die Wasenhits 2023 – gibt es kein Halten mehr. Unter der Woche sind zwar etliche Biertische leer in den Zelten, aber bei den VIP-Partys in den Logen, die sich am Rand befinden oder auf der Empore, bleibt selten ein Platz frei. Was heißt VIP auf Schwäbisch? Ein Gast hat mir den Begriff so übersetzt: VIP heiße die „Onnötige“. In den Logen seien „Onnötige“ versammelt, also jede Menge Kommunalpolitiker, Wirtschaftsbosse, Vorstandschefs, Society-Größen, Promis der unteren Buchstabenkategorie, Schlossherren, Fußballfunktionäre sowie der Strobl mit dem Hagel.

Der ältere Noch-Landeschef der CDU sowie sein möglicher Nachfolger treffen sich mehrfach beim Feiern. Etwa bei der Party des „Top-Magazins“ von Kirsi Fee Wilhelm. Vorgängerin Karin Endress hat mit Hans-Peter Grandl den württembergischen Trachtenhype begründet. Ballettstar Eric Gauthier wird mit CDU-Fraktionschef Manuel Hagel fotografiert und kennt ihn nicht. „Wer ist das?“, fragt der Choreograf. „Unser Ministerpräsident nach Kretschmann in drei Jahren “, behauptet ein Gast. Hagel schmunzelt und erwidert: „Vielleicht in 100 Jahren.“ Eine Frage begleitet ihn: „Wer ist der junge Mann?“

Harald Glööckler war not amused

In der ersten Woche ist der Höhepunkt der Specialevents der Auftritt von Schlagercover-Star Dieter Thomas Kuhn. Breuninger hat ihn für seine Kunden gebucht (Gagenhöhe unbekannt). Den Wasen kennt der Quando-quando-quando-Sänger gut. Hier hat der 58-Jährige im Juli 25 000 Fans beglückt. Jetzt verwandelt er exklusiv für „nur“ 3000 Gäste das Göckelesmaier-Zelt in einen Hexenkessel. So viel Power explodiert, dass man fürchtet, gleich zerfetzt es die Zeltdecke.

Apropos explodiert: Designer Harald Glööckler ist’s fast vor Wut, weil ihn OB Frank Nopper zwar zum Fassanstich eingeladen, aber nicht auf der Bühne begrüßt hat. Das hätten die SWR-Moderatoren tun sollen, sagt der Rathauschef. Als Nopper ihn am Tag danach ins Rathaus einladen wollte, gab ihm Glööckler – angeblich aus Termingründen – einen Korb. Der Eintrag ins Goldene Buch sei ihm nicht wichtig, teilt er unserer Redaktion mit, er habe sich auf dem Wasen auch so amüsiert. Der Glamour, zeigt sich mal wieder, gehört nicht zur Kernkompetenz des Volksfestes. Na und? Wir wollen keine Kopie des Oktoberfestes sein – und deshalb überrascht es nicht, dass in dieser Stadt einige gegen den Strom schwimmen. Abseits-Chef Winni Klenk ist so einer. In der Taos-Lodge von Martina Böhringer-Zinser bei Klauss & Klauss führt er Mode-Alternativen zur Tracht für den Wasen vor. Vorsicht: Schlaghosen und Schulterpolster kommen wieder.

„Man spürt immer noch Ressentiments“

Beim Pink Sunday ging der Heiratsantrag eines schwulen Paars ans Herz. Und doch gab es Proteste danach. Weil die Moderatorin „ein Hoch auf Homos“ mittags gerufen habe, habe sich eine Familie beschwert, die mit Kindern im Festzelt war, berichtet Veranstalter Konstantin Wulle. „Man spürt immer noch Ressentiments“, sagt er. Die Macher überlegen nun, im nächsten Jahr mit dieser neuen Partyreihe auf den Abend zu gehen.

Die jungen Bars dürfen länger machen als der Zeltrest

Noch mehr Events gibt’s: Blaulicht-Party, Herrenwasen, Damenwasen, Weißwurst-Frühstück, Gaydelight, Schlagernacht. Fazit der ersten Woche: Die Leute haben viel Spaß, das Wetter passt, die Stimmung ist besser als im Vorjahr, das Publikum brezelt sich auf zum Feiern mit Stil, muss aber wegen der Lautstärke mehr schreien als früher. Jeder Wirt oder jede Wirtin darf einen Ort des Zeltes länger auflassen als den normalen Rest, unter der Woche bis 24 Uhr, freitags und samstags bis 1 Uhr. Dies nutzen die Zeltbars für ihre jungen Gäste aus. Ob in der Spitzbubenbar, Schatzi-Bar oder Equipe-Bar – dort geht’s besonders wild zu. Früher zog das Partyvolk weiter in die Clubs der Stadt. Heute bleibt man auf dem Wasen. Und liebt es!