Beim diesjährigen Volksfest-Umzug durften die Gespanne der Brauereien noch mitzuckeln Foto: Martin Stollberg / Lichtgut

Die ganze Welt ist noch nicht zu Gast beim Volksfest-Umzug, nur ein erklecklicher Teil der Stuttgarter. Das soll sich ändern: Die Organisatoren wollen, dass der Umzug ein Weltkulturerbe der Unesco wird.

Stuttgart - Die Kunde der Cannstatter Absicht hat sich bis zum Berg Kyffhäuser herumgesprochen. Dort in Thüringen hat Kaiser Friedrich Barbarossa seinen ewigen Schlaf unterbrochen und ist eilig gen Süden geritten, um Augenzeuge dieses vielleicht bald ausgezeichneten Umzugs zu werden. Seinen Enkel Friedrich II. hatte er auch gleich mitgebracht. Gemeinsam mit ihren 80 Gefährten von der Staufersaga Schwäbisch Gmünd ritten sie am Sonntag durch Bad Cannstatts Straßen und nahmen die Huldigungen von 150 000 Menschen entgegen.

Damit ihnen nichts Garstiges geschieht, hatten sie ihre Helmbatscher mitgebracht. Aber keine Angst, die Rittersleut’ sind eigentlich ganz friedliebende Gesellen. Vor drei Jahren hatten sie sich zusammengefunden, um zur 850-Jahr-Feier der Stadt Schwäbisch Gmünd die Staufensaga aufzuführen. Nächstes Jahr folgt auch ohne runden Geburtstag eine Neuauflage. In der Zwischenzeit vertreibt man sich die Zeit mit der Pflege des Brauchtums und zeigt sich bei Umzügen. So war man denn auch am Sonntag erstmals in Bad Cannstatt dabei. Übrigens waren unter den Helmbatschern und dem Spielvolk auch etliche dunkelhäutige Recken. Zu den 800 Mitgliedern des Vereins zählen auch viele Flüchtlinge. Die Geschichte Gmünds ist auch ihre geworden.

Wissenschaftliche Expertisen wurden erstellt

Ob solch kaiserliche Unterstützung bei den hochfliegenden Plänen des Cannstatter Volksfestvereins hilft? Der Erste Vorsitzende des Vereins, Robert Kauderer, ist zuversichtlich: „Wir haben zwei wissenschaftliche Expertisen erstellen lassen und bewerben uns dieses Jahr um die Eintragung.“ Eines dieser Gutachten hat der Leiter des Stuttgarter Stadtarchivs, Roland Müller, geschrieben. Darin begründet er, dass der Volksfest-Umzug alle Kriterien erfüllt, um als „immaterielles Kulturerbe“ anerkannt zu werden. Laut Definition der Unesco umfasst dies „Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazugehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen“.

In Deutschland gibt es bisher 40 Welterbestätten – die Weißenhofsiedlung möchte auch dazugehören –, aber bisher noch kein immaterielles Kulturerbe. So wie etwa den Tango, den mongolischen Kehlkopfgesang, das chinesische Schattentheater, die Mittelmeerküche oder die estnische Rauchsauna. Zu dieser Liste möchte bald auch der Volksfest-Umzug gehören. Kauderer: „Das wäre eine Adelung für diesen traditionsreichen Festzug, den es seit 1818 gibt, und für die Arbeit des Cannstatter Volksfestvereins.“