Soll abgerissen werden: Kirche St. Peter in Bad Cannstatt. Foto: Michele Danze

Die Katholische Kirche in Stuttgart stellt sich den Anforderungen der Zukunft. Gemeinden müssen sich anpassen. Das bedeutet Grundstücksverkäufe oder Kirchenabriss, wie ein Beispiel zeigt.

Stuttgart - In dieser Kirche hat sie die großen Feste des Lebens gefeiert: Taufe, Hochzeit, Firmung. Manchmal war für Gerda P. (52/Name geändert) die Kirche an der Winterbacher Straße auch einfach ein Ort des Trostes. Und jetzt soll ihre Kirche ein Opfer der Abrissbirne werden. St. Peter soll verschwinden. „Mir blutet das Herz“, sagt sie, obwohl sie begreift, „dass dies die beste Lösung für die Gemeinde ist.“

 

In diesem Zwiespalt – zwischen Gefühl und Vernunft – holt Stadtdekan Christian Hermes die Menschen in Bad Cannstatt ab. Auch zuletzt, als allen Gemeindegliedern die neuen Pläne präsentiert wurden: Abriss der Kirche, Neubau eines neuen sakralen Gebäudes, Verkauf von zwei Dritteln des 5800 Quadratmeter großen Grundstücks, Erweiterung der Kita sowie Ansiedlung eines sozialtherapeutischen Heims.

Einige empfinden die Veränderung als schmerzlichen Einschnitt, andere als Fortschritt. Für Dekan Hermes ist St. Peter das „Paradebeispiel“ für sein pastorales Projekt „Aufbrechen“ unter dem Motto Standortentwicklung. Denn diese Gemeinde sei nur einer seiner „Sorgenstandorte“. Ein anderer liegt zum Beispiel in Mönchfeld, wo die Gemeinde ein 5000 Quadratmeter großes Gelände besitzt.

Dabei geht es Hermes nicht um die allgemeinen Probleme, die alle Kirchen heute betreffen: Mitgliederschwund oder Vertrauensverlust. Die katholische Gemeinde St. Peter und Liebfrauen hat seit mehr als zehn Jahren konstant 2000 Gemeindemitglieder. Den Gottesdienst von Pfarrer Martin Kneer besuchen im Schnitt 70 Gläubige, an guten Tagen sogar 150. Kneer legt daher Wert auf die Feststellung: „Nicht die Gemeinde ist in einem desolaten Zustand, sondern die Immobilie.“

Allein Wände dämmen würde zwei Millionen Euro kosten

Diese Immobilie aus dem Jahr 1972, die auf ihren Kirchenbänken Platz für 450 Menschen bietet, ist ein Sanierungsfall. Es zieht durch alle Ritzen, an kalten Tagen frieren die Gottesdienstbesucher. Es riecht muffelig. „Wir brauchen pro Jahr Heizöl für 30 000 Euro“, klagt Pfarrer Kneer, „und das bei einer Steuerzuweisung von 83 000 Euro. Da bleibt nicht viel übrig.“ Allein um die Wände zu dämmen und alles abzudichten, müssten mindestens zwei Millionen Euro investiert werden.

Kosten und Nutzen verlören dabei die Relation, sagt Hermes und plädiert daher für einen neuen, kleineren sakralen Raum, der den Gottesdienstbesuchern mehr „Lebendigkeit und Atmosphäre“ gebe. Der Verlust an Quantität soll der ganzen Gemeinde am Ende mehr Qualität bringen. Auch durch den Neubau eines Heims für behinderte Menschen in Trägerschaft der Liebenau-Kliniken. Hermes weiß, dass die Konfrontation mit Behinderung bei manchen Menschen Argwohn und Ablehnung auslöst. Deshalb versucht er auch hier die Wogen zu glätten, bevor sie sich aufschaukeln. „Dies kann auch ein Impuls, ein neues Element für eine Gemeinde sein“, sagt Hermes, „da kann man jetzt mal etwas richtig Gutes tun und zeigen, wofür Kirche da ist.“ St. Peter könne so weit über Bad Cannstatt hinausstrahlen – „als Leuchtturm“. Wenn dies gelänge, hätte Hermes zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sein pastorales Motto „Aufbrechen“ ist dann nicht nur als Aufbruch zu einer zukunftsfähigen Katholischen Kirche in Stuttgart zu sehen. „Die Begegnung mit neuen Lebenswelten bedeutet dann auch das Aufbrechen von alten Denkmustern“, sagt Hermes.