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Der Videobeweis sollte erweitert und optimiert werden werden, mit Einspruchsmöglichkeit für den Trainer.

Stuttgart - Weil die Menschen schon im Mittelalter darüber stritten, was gerecht ist im Leben und was nicht, und weil sie ahnten, dass es darauf keine Antwort geben könnte, verwiesen sie die Frage zur abschließenden Klärung an die höchste Institution. Und wenn die Gebete nicht erhört wurden? Pech gehabt.

Die Hand Gottes

Weil im Fußball aber mit Ausnahme von Diego Maradona („es war die Hand Gottes!“) niemand die Zeit hat, mit heiklen Fragen des Regelwerks die himmlischen Richter zurate zu ziehen, gibt es einen Schiri, zwei mit Fahnen bewaffnete Assistenten an den Seitenlinien und einen Streit schlichtenden Buddha zwischen den Coaching-Zonen. Alle über Funk miteinander verbunden. Weil das noch immer nicht reicht, um im Zirkus Hallibballi die Sehnsucht nach Gerechtigkeit hinreichend zu bedienen, ersannen die Dichter und Denker in den Schaltzentralen des Fußballs den Videobeweis, der nach fast einer Spielzeit vor allem eines belegt: in Fragen der Gerechtigkeit ist es wie im richtigen Leben, der eine bestimmt die Portion, er andere hat die Wahl. Das Missverhältnis ließe sich mindern, wenn die Trainer wenigstens einmal pro Halbzeit selbst den Videobeweis einfordern könnten. Das ist im Deutschen Fußball-Bund (DFB) bisher aber nicht erwünscht. Nicht auszuschließen ist stattdessen, dass in der nächsten Saison Hubschrauber mit Wärmebildkameras über den Arenen kreisen und zu jedem Spiel ein Omnibus voll Unparteiischer anreist.

Das Freiburger Drama

So betrachtet wäre es vermutlich keine gute Idee, mit Anhängern der Freiburger Glaubensgemeinschaft über die Streich-Ergebnisse aus jüngster Zeit zu diskutieren. Gefühlt ist es jedenfalls eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit, ein Drama. Anstatt die Maulhelden auf der seit Jahren abgetakelten HSV-Fregatte endgültig in den seichten Gewässern der zweiten Liga zu versenken, drohen die Breisgauer nun dort selbst auf Grund zu laufen. „Es ist Woche für Woche das Gleiche“, seufzte Trainer Christian Streich gestresst von der fortwährenden Inquisition durch die schwarz gewandeten Männer und Frauen. Und statt ein bisschen Demut zu zeigen, machte der Torschütze des Tages nach dem 1:0-Erfolg das, was sie an den Gestaden der Elbe offenbar noch immer am besten können: die Nase oben tragen. „In eurer Haut möchte ich nicht stecken“, drohte Lewis Holtby den Rivalen im Kampf gegen den Abstieg.

Keine Ahnung, in welcher Haut Christoph Kramer stecken möchte. Ganz sicher nicht in der eines Berufsstandes, dem ein gewisser Hang zur Langatmigkeit in der Bearbeitung amtlicher Vorgänge nachgesagt wird. Sein Freistoß-Tor nach einem Gedankenblitz begründete der Gladbacher jedenfalls mit der geistigen Trägheit der Wolfsburger Gegenspieler. „Ich wollte halt nicht warten, bis sie alle ihre Maurer wie die deutschen Beamten aufgestellt haben.“

Schmoren lassen

Wer weiß, vielleicht muss Kramer demnächst seinen Personalausweis verlängern. Sie sollten ihn dann ein bisschen schmoren lassen. Das wäre zwar kein Drama, aber ziemlich gerecht.