Wird der Sieger in der Diskussion bestimmt? Oliver Kahn wäre ein potenzieller Verhandlungspartner. Foto: dpa

Fußball ist einfacher zu verstehen als die Politik – und daher vermutlich auch populärer. Unser Kolumnist zieht den Vergleich zu Landtagswahlen.

Stuttgart - Dass Fußball die wichtigste Nebensache der Welt ist, ist hinlänglich bekannt und im deutschen Sprachgebrauch weitgehend akzeptiert. Was hierzulande die wichtigste Hauptsache ist, darüber besteht hingegen weitaus weniger Einigkeit. Nicht weil man sich darüber streitet, sondern weil das einfach noch nie gesagt wurde. Also traue ich mich jetzt mal vor.

Die wichtigste Hauptsache der Welt ist die Politik, wie man am vorvergangenen Wochenende merken konnte. Weil Wahl war, wurden selbst Fußballsendungen im Fernsehen verschoben, und die Zahlen aus der Politik interessierten weitaus mehr als die Zahlen aus dem Fußball. Die Zahlen sind da durchaus komplexer, in der Politik steht es zwischen Grün, Schwarz, Blau, Rot und Gelb am Ende häufig 30,3 zu 27,0 zu 15,1 zu 12,7 zu 8,3. Oder so ähnlich. Die Sieger werden anschließend in Koalitionsverhandlungen untereinander ausgemacht.

Im Fußball steht es am Ende meistens zwei zu eins, die Sieger sind immer die mit den zwei Toren. Auch wenn es viele Fußballer gibt, die gerne während des Spieles diskutieren – es gibt, Gott sei Dank, das wichtige Instrument der Tatsachenentscheidung. Das sorgt dafür, dass Fußball durchschnittlich 93 Minuten dauert und man nachher nicht in einer offenen Diskussionsrunde den Sieger ausmachen muss. Obwohl auch das ein reizvolles Fernsehformat sein könnte: Am Tag wird gespielt, und am Abend entscheidet die Fußball-Elefantenrunde (mit Oliver Kahn, Stefan Effenberg, Thomas Helmer und Lothar Matthäus) über die Sieger. Bei Stimmengleichheit gibt Kaiser Franz den Ausschlag.

Übrigens spielen Farben bei Haupt- wie Nebensache eine Rolle: Rot und Gelb im Fußball. Grün, Schwarz, Blau, Rot und Gelb in der Politik. Auch da also ist die Hauptsache komplizierter als die Nebensache, was wahrscheinlich ein Grund dafür ist, dass die Nebensache meistens mehr Zuschauer hat. Man begreift Fußball einfach schneller. Das gilt jedenfalls für mich. Wenn der Mann in Schwarz gelb zeigt, weil der Fußballer rot gesehen hat, ist allen alles klar. Warum die Gelben nicht mit den Roten wollen und die Schwarzen deshalb die Grünen antanzen, erschließt sich dagegen erst nach ausreichender Zeitungslektüre.

Die Grüne Karte im Fußball?

Wobei jetzt auch im Fußball die in Schwarz mit Grün antanzen sollen. Der Vorschlag, eine Grüne Karte einzuführen, ist nicht neu, hat aber bislang wenig Erfolg gezeitigt. Wahrscheinlich, weil es den Fußball unnötig verkompliziert. Dieser Vorschlag geht so: Grün sieht, wer was für Fußballer Untypisches macht: also zum Beispiel zugibt, dass ein Foul keines war, obwohl der Schiri schon auf Freistoß entschieden hat. Wer dem Gegner hilft, den Schiedsrichter unterstützt oder eine falsche Entscheidung trotz eigener Nachteile korrigiert, der kriegt Grün. In Italien probiert man das schon aus. Fairness soll belohnt werden.

Ich muss zugeben, dass ich über die Jahre ein wenig den Glauben an das Gute im Fußball verloren habe. Die einzige grünwürdige Aktion, an die ich mich überhaupt erinnere, war die von Aaron Hunt. Dem hatte Schiedsrichter Manuel Gräfe einmal einen Elfmeter zugesprochen, den Hunt aber gar nicht haben wollte. Er gab zu, mit Absicht eingefädelt zu haben. Hätte Bremen damals nicht gegen Nürnberg gewonnen, sondern verloren, dann wäre Hunt zum Fußball-Idioten des Tages erklärt worden. Vermutlich ohne vorherige Verhandlungen.