Einst war er der Motzki, nun zeigt er ein Stewardessen-Lächeln: Matthias Sammer, Sportvorstand beim FC Bayern München. Foto: dpa

Einst war er der Motzki, nun zeigt er beim FC Bayern sein Stewardessen-Lächeln: Einer wie Matthias Sammer fehlt dem VfB Stuttgart.

Stuttgart - Matthias Sammer ist ja seit längerer Zeit in einer durchaus verantwortlichen Position beim FC Bayern München. Motzki, wie man ihn auch schon nannte, ersetzt so ein bisschen die Schlechte-Laune-Attacken, die sonst von Uli Hoeneß ausgingen. Es ist sicher so, dass Uli Hoeneß noch ausreichend schlechte Laune auf Lager hat. Aber er kann sie derzeit aus persönlichen Gründen nicht ausleben. Noch nicht. Nach Ablauf seiner Gefängnisstrafe wird er, da bin ich mir sicher, wieder einschlägig auftreten.

Derweil also erledigt das Matthias Sammer. Aber er hat seit einiger Zeit eine ganz neue Verhaltensweise zusätzlich in sein Repertoire aufgenommen: Matthias Sammer lächelt. Ganz im Ernst. Er zeigt zwei strahlend weiße Perlenschnüre. Ich gehe davon aus, dass da eine kongeniale Zusammenarbeit zwischen Dentallabor und Medienberater stattgefunden hat. Der Medienberater sagte: Du musst mehr lächeln. Der Zahnarzt sagte: Da kann ich helfen. Sammer sächselte: „Nu guud.“ Und lernte anschließend auch noch Hochdeutsch.

Als ich Matthias Sammer während seiner Trainer-Zeit in Stuttgart kennengelernt habe, hat er zwei Dinge überhaupt nicht getan: Er hat nicht gelächelt, und er hat nicht geredet. Zum Reden hat er damals gerne Günther Schäfer vorgeschickt. Zum Lächeln wurde gar keiner geschickt. Lächeln war im Fußball eher unüblich. Auf sowjetischen Passfotos war es zu DDR-Zeiten sogar verboten. Vielleicht erklärt das, warum der gebürtige Dresdner in seiner Anfangszeit in Stuttgart relativ humorfrei rüberkam.

Lächeln und motzen

Ich hatte übrigens das Privileg, Matthias Sammer, wenn er dann doch mal was knurrte, von nahem zu sehen. Er hatte damals keine Perlenschnüre. Es war nicht perlweiß, und es waren keine Schnüre. Es war eher angsteinflößend. Ich habe das aber aufrichtig bewundert. Das war für mich Authentizität. Uneitel und aufrecht. Ein Kicker, der seinen schrägen Biss nicht nur zeigte, sondern damit eine ganze Mannschaft aufrichten konnte. Den VfB Stuttgart trieb er als Spieler mit seiner mentalen Energie auf dem Platz zur Meisterschaft 1992. Bei den Bruddel-Schwaben schien Motzki sich hervorragend einzuleben. Schien. Denn dann ging er zu meinem Bedauern weg aus Stuttgart, und einer wie er fehlt dem VfB bis heute.

Inzwischen tut er beides: lächeln und motzen. Irgendwie muss er ja seine Zeit bei den Bayern füllen. Jetzt hat er sich, rein metaphorisch gemeint, die Reißzähne ziehen lassen. Und weil er dauernd ganz vorne im Flugzeug sitzt, also da, wo die Flugzeugbedienungen tatsächlich noch freundlich zu den Passagieren sind, hat er sich das über die Jahre ziemlich gut abgucken können.

Aber auch wenn Sammer jetzt häufig lächelt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass hinter diesem Lächeln kein Sammer mehr sitzt. Der Mann hatte nie eine Attitüde. Er war kein Schwalbenkönig wie Jürgen Klinsmann, ein anderer großer Stuttgarter Spieler, der dem VfB bis heute fehlt. Klinsmann nannte man in England einen „Diver“. Sammer fiel nur, wenn er tatsächlich gefoult wurde. Schwalben waren nicht sein Ding. Das Vortäuschen falscher Tatsachen gehörte nie zu seinem Repertoire. Ein Sammer machte keine Schwalbe, und eine Schwalbe machte noch lange keinen Sammer. Er war hart, humorfrei und kein Schau- spieler. Jetzt aber lächelt Sammer. Das Motzen kaufe ich ihm ja ab, aber beim Stewardessen-Lächeln weiß ich nicht so recht.

In Spanien haben sie eine Redensart: ganar sin despeinarse. Gewinnen, ohne dass dir die Frisur verrutscht. Damit beschreiben sie so ein wenig das, was der FC Barcelona dem Rest der Fußballwelt antut. Das ist mein Trost in Sachen Sammer. Er war ja mal voller roter Locken auf dem Kopf. Aber jetzt hat er eine Frisur, die niemals verrutscht. Da macht er keinem was vor.