Samstag, 13 Uhr: St. Pauli gegen FSV Frankfurt und 1. FC Kaiserslautern gegen 1. FC Nürnberg – ein Selbstversuch. Foto: dpa

Sie rennen viel, grätschen oft und liegen häufig am Boden. Unser Kolumnist und VfB-Anhänger Reiner Schloz gönnte sich einen Schnuppertag in der zweiten Liga. Sein Fazit: lieber nicht!

Ich weiß nicht, was Sie am frühen Samstagnachmittag so treiben. Ich hole meistens Getränke. Eine nützliche Beschäftigung, um sich bei der Familie mal wieder beliebt zu machen. Aber am vergangenen Samstag wollte ich mich der Wahrheit stellen, dem Unvermeidlichen. Ich entschied mich, den Tatsachen ins Auge zu blicken, mich an das Grauen zu gewöhnen.

Ich habe zweite Liga geschaut.

Ich schaue nie zweite Liga. Ist was Persönliches, das Ergebnis einer Theorie, die über die Jahre gereift ist. Kennen Sie ein hoffnungsvolles Talent, das jemals als Berufsziel die zweite Liga angegeben hätte? Im Grunde will dort keiner spielen. Tatsächlich aber ist sie für die meisten eine Endstation, die nie einer gebucht hat, ein Dschungelcamp, aus dem sie niemand rausholt. Ein hohes Frustpotenzial steht da auf dem Rasen. Und so spielen die meisten Teams auch.

Sie verbreiten die Aura der Übereifrigen mit dem Hang zur Unvollkommenheit. Das ist einfach zu deprimierend. So wie damals das 2:3 des VfB Stuttgart gegen den SSV Reutlingen. Es regnete, 1200 Zuschauer (und ich) im Neckarstadion. Das ist jetzt 40 Jahre her. Man wird es nie wieder los. Danach war ich fertig mit dieser Liga.

Ende der 80er Jahre, zur großen Zeit der Stuttgarter Kickers, entwickelte sich vorübergehend noch einmal so etwas wie Sympathie. Aber seither pflege ich wieder meine Abneigung gegen die Zweitverwertung des Fußballs. Am Samstag habe ich sie überwunden.

13 Uhr, FC St. Pauli gegen FSV Frankfurt, 1. FC Kaiserslautern gegen 1. FC Nürnberg. Die erste Überraschung war, dass es offensichtlich viele Menschen gibt, die samstags keine Getränke holen müssen. Es waren Zuschauer da. Und Ewald Lienen. Und Benno Möhlmann. Ich wusste nicht, dass die beiden immer noch Fußball arbeiten. Der eine trainiert St. Pauli, der andere Frankfurt. Angeblich im Kampf gegen den Abstieg. Keine Ahnung, ob das für oder gegen die zweite Liga spricht.

Ein Spieler fiel besonders auf

Auch ein Spieler fiel besonders auf. Ein junger Mann namens Rakovsky. Er steht in Nürnberg im Tor und machte mit seinen Händen ein paar unglückliche Bewegungen, weshalb Kaiserslautern schnell 2:0 führte. Der Reporter sagte, Herr Rakovsky sei in Nürnberg nicht unumstritten. Martin Wagner, früher ein guter Bundesligaspieler und jetzt offenbar Zweitliga-Experte, analysierte zur Pause, dass es sich um ein Spiel auf „sehr hohem Niveau“ handelt.

Der FC St. Pauli machte in der Halbzeit kurz mal Pause vom Kampf gegen den Abstieg. Sie haben dann die Blitztabelle gezeigt. Eine Mannschaft aus Ingolstadt wird eventuell in die Bundesliga aufsteigen. Ich wollte darüber nicht nachdenken. Außerdem haben es ein paar Kleinstädte aus der näheren Umgebung in die zweite Liga geschafft. Sollte der VfB Stuttgart also tatsächlich absteigen, kann er für ein paar Auswärtsspiele den Regionalzug nehmen. Immerhin.

Nach dem Seitenwechsel war auf St. Pauli immer noch Kampf ums Überleben in Liga zwei. Sie sind alle ziemlich viel gelaufen. Sie haben viel gegrätscht. Es lag auch immer wieder einer auf dem Boden. In Kaiserslautern machten sie sich auf die Suche nach dem hohen Niveau. Sie haben es nicht mehr gefunden. Laut Reporter waren daran die Nürnberger schuld. Der Club, so der Vorwurf, „bringt nicht genug auf die Kette“. Der Reporter ließ offen, ob es sich dabei um die Dreier-, Vierer- oder Fünferkette handelt. Zu sehen war eigentlich nichts.

Derweil änderte sich der Kampf gegen den Abstieg auf St. Pauli grundlegend. Aus einem Null-null wurde ein Eins-eins. Sie liefen immer noch ziemlich viel.

Vielleicht hätte ich doch Getränke holen sollen. Aber in Stuttgart muss man sich langsam den Tatsachen stellen, dem Grauen, der Wahrheit. Die lautet: Man spielt am Samstag um 13 Uhr eigentlich keinen Fußball. Aber für die zweite Liga reicht’s.