Mehr als 150 Tänzer und Sänger treten bei den „Jahreszeiten“ auf. Foto: factum/Bach

Ludwigsburg feiert 300. Geburtstag – zu diesem Anlass sind 300 Musiker zu einem Großprojekt auf die Bühne gekommen. Sie feiern nicht nur die Musik und die Stadt, sondern auch sich selbst.

Ludwigsburg - Die Arme schwingend springen die Tänzer in bunten Röcken über die Bühne, als würden sie von den Klängen des Orchesters getragen. „Schon eilet froh der Ackersmann / Zur Arbeit auf das Feld“, besingt der Bass diese Frühlingsszenerie. Eine arbeitsreiche, friedliche Atmosphäre entsteht – als plötzlich zahlreiche, dunkel gekleidete Figuren über die Bühne wuseln.

Sie eilen hektisch mit Laptoptasche und Kaffeebecher umher oder hasten mit Einkaufstaschen und Kopfhörern von einer Bühnenseite zur anderen. „In langen Furchen schreitet er / dem Pfluge flötend nach“, schallt dazu der Gesang durch den Saal.

Am Donnerstagabend hatte das musikalische Großprojekt „Die Jahreszeiten“ im Forum am Schlosspark Premiere. „Eine Stadt macht Oper“ lautete das Motto des Musiktheaters, das anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums der Stadt aufgeführt wurde. Gewaltig ist die Inszenierung zu Joseph Haydns Oratorium, mit mehr als 150 Sängern, dem Sinfonieorchester Ludwigsburg, verschiedenen Tanzensembles – und einer großen Bürgerbeteiligung: Amateurtanzgruppen und Hobbychöre wurden ergänzt durch professionelle Tänzer und Sänger. Leitung und Regie oblagen ebenfalls Profis.

Passend zum Stadtjubiläum

Geschaffen haben die Akteure eine Inszenierung, die sich auf der einen Seite mit der Schönheit und der Naturgewalt unserer Erde befasst: Vom fröhlichen Frühling, über knallbunte Sommerszenen und ausgelassene Herbstfeierlichkeiten bis hin zu den düsteren Winterklängen. Vor allem die Stimmgewalt des Chores, die sich teilweise von drei Seiten entfaltet, lässt den Saal im Forum vibrieren und erfüllt das Publikum bei der Premiere.

Demgegenüber stehen die plötzlichen Brüche und Kontraste durch moderne Elemente, die das Leitungsteam um Axel Brauch (Regie) und Angelika Rau-Culo (Musik) ausgewählt hat, um die Auswirkungen der Moderne auf die Schöpfung zu zeigen. Sie stellen den Naturszenen Klimawandel und Katastrophen entgegen.

So zerbricht das gerade noch saalfüllende „Heida! Lasst uns fröhlich sein“ des Chores an elektrisch eingespieltem Regenprasseln, Donner und Wind. Oder eine abgehackte Computerstimme kappt die ausgelassene Badestimmung am See, während eine Menschenmenge mit langen Mänteln und Kopftüchern zu elektronischer Musik wackelige Zelte aufbaut. Die Kontraste sind krass und sollen zum Grübeln verleiten.

Das Fazit der Besucher scheint durchwachsen: „Ich habe mehr Musik erwartet“, sagt eine jugendliche Zuschauerin. Vor allem an den Tanzeinlagen, die diese Produktion mehr prägen als die vergangenen, scheiden sich die Geister.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter

Das mag am letzten Teil des Stückes liegen. Dieser zeigt nach dem fröhlichen Frühling und den farbenfrohen Sommermonaten einen durchwachsenen Herbst und düstere Wintertage. An diesen Stellen dehnen sich die Tanzeinlagen. Teilweise sind sie nur untermalt von reduzierter Musik oder einzelnen Geräuschen.

So wiegt sich eine der Tanzgruppen nach einer Jagdszene im Kreis auf dem Boden sitzend hin und her. Die Tänzer tragen schwarze, futuristisch anheimelnde Kleidung, teils mit Plastikröhren verziert. Das Knarzen ihrer Lederstiefel allein durchbricht die Stille. Die Bedeutung solcher Szenen wird nicht immer ganz ersichtlich. Trotzdem gibt es nach der Aufführung auch Lob, abwechslungsreich und kurzweilig ist das Musiktheater auf jeden Fall.