Wohlgelaunt und um keine Antwort verlegen präsentiert sich Wladimir Putin im Fernsehen. Foto: AP

Der russische Präsident gibt sich versöhnlich gegenüber den internationalen Gegnern. Anders als in den Vorjahren verspricht er keine Wohltaten für das Volk – und bleibt die Antwort schuldig, ob er an eine weitere Amtszeit denkt.

Moskau - Gleich an acht Baustellen wird gehämmert, gebohrt und geschweißt. Wladimir Putin will unter den ersten sein die 2019 über die neue Brücke brettern, die dann die Krim mit dem russischen Festland verbinden soll. Fest versprochen, sagte der Kremlchef und bekam Szenenapplaus. Auf der Baustelle und im Moskauer Kongresszentrum Gostinny dwor.

Gleich zu Beginn von Putins gestriger Bürgersprechstunde schaltete das staatliche Fernsehen, das wie in den Vorjahren in mehreren Regionen Russlands mit Satellitenschüsseln präsent war, auf die Brücken-Baustelle. Vor allem dem Russland-Beitritt der Krim sind die hohen Zustimmungsraten geschuldet, die Putin trotz Wirtschaftskrise weiterhin einfährt. Ob er 2018 für eine weitere Amtszeit kandidieren wird, ließ er indes offen.

Es war die vorletzte der insgesamt knapp hundert Fragen, die der Kremlchef in rekordverdächtigen drei Stunden und 43  Minuten beantwortete. Die Bandbreite war immens: Wirtschaft und Soziales, Korruption und Business, bezahlbarer Wohnraum, die Fußball-WM 2018, pünktliche Zahlung von Löhnen, Gehältern und Renten, schlechte Straßen, Bildung und Gesundheit. Die Preise in den Apotheken seien so inzwischen so hoch wie in Juwelierläden, klagte ein Rentner.

Zwölfjährige fragen zur internationalen Politik

Anders als bei den alljährlichen Pressekonferenzen, wo Putin schon mit forschen außen- und sicherheitspolitischen Statements für internationale Schlagzeilen sorgte, ging es bei der Bürger-Hotline bisher vor allem um das, was den Menschen direkt unter den Nägeln brennt. Doch nun spielt Russland wieder in der Champions-League der Weltpolitik mit. Und hatte auch Folgen für die Hotline. Selbst Schülerinnen brillierten mit ihren Kenntnissen der internationalen Politik.

Wen Putin zuerst retten würde, sollten die Präsidenten der Türkei und der Ukraine –Recep Tayyip Erdoğan und Petro Poroschenko – gleichzeitig ertrinken, wollte eine Zwölfjährige wissen. Putins Antwort darauf war die mit Abstand kürzeste: Wer ertrinken wolle sei nicht zu retten. Ungeachtet aller Probleme, schob er dann versöhnlich nach, sei Russland dennoch „bereit, die Hand der Freundschaft jedem zu reichen, sofern er das will“.

Casting der Fragesteller

Durchaus versöhnlich klang auch, was der Kremlchef auf die Frage einer anderen Zwölfjährigen zu sagen hatte. Die hatte ihren Vater mit den Worten zitiert, mit Amerika könne nur Putin fertig werden. Russland, so dieser, müsse nicht mit Amerika, sondern mit seinen eigenen Problemen fertig werden. Wie, blieb offen.

Putin hatte sich Infotainment verordnet. Ohne konkrete und kostspielige Zusagen und ohne bitteren Wahrheiten. Auch waren die Fragen durchweg wohlwollend. Kritische Beobachter hatten schon in den Vorjahren moniert, die Fragesteller seien im Vorab ausgewählt worden. Glaubt man der Wirtschaftszeitung „rbk“ gab es diesmal sogar eine Generalprobe. Der Kreml hätte am Dienstag mehrere hundert Menschen zu Rollenspielen geladen.

Ein gutes Dutzend der Bestplatzierten sei dann auf die Shortlist der potenziellen Fragesteller gesetzt worden. Mit diesen sei das Training unter verschärften Bedingungen fortgesetzt worden, die restlichen seien als Zuschauer verpflichtet worden und hätten genaue Benimm-Regeln bekommen. „Immer nur lächeln und immer vergnügt“.

Aktive wie Zuschauer, so rbk, hätten zudem die „dringende Empfehlung“ erhalten, bis Ende der Hotline gegenüber jedermann zu schweigen. Auch gegenüber Familienangehörigen.