Labyrinthisch verwunschen: Die Jesuitenbibliothek der Abtei Maria Laach in Deutschland. Foto: Ferdinand Luckner, Büchertempel, gestalten 2021

Bibliotheken sind mehr als Büchersammlungen. Sie sind auch Quellen der Inspiration und architektonische Meisterwerke. Das zeigt auf das Schönste das Buch „Büchertempel“, das Büchereien in Deutschland und der ganzen Welt vorstellt.

Sie scheint aus einer anderen Welt zu sein. Und sie ist es auch. Die „unzensierte Bibliothek“ steht in der digitalen World of Minecraft, also in einem der größten Computerspiele der Welt. Dennoch ist sie weit mehr als reine Fiktion.

Diese digitale Bibliothek nutzen die Reporter ohne Grenzen, um die Zensur autoritärer Systeme zu umgehen: Sie veröffentlichen darin kritische Texte von verfolgten Journalisten weltweit. Das Spiel ist weltweit verfügbar, selbst dort, wo autoritäre Regime das Internet blockieren und Medien zensiert werden.

Wissensdurstige Frauen und an Kuriosem interessierte Männer

Und nun steht sie auch im „Büchertempel“ des Gestalten-Verlags und von der Journalistin Marianne Julia Strauss; das Werk stellt die außergewöhnlichsten, ältesten und ambitioniertesten Bibliotheken der Welt vor: Von barocken Palästen über UNESCO-geschützte Lehmbauten bis zu futuristischen Privatbibliotheken erkundet dieses Buch die Geschichten, die Architektur und die sich wandelnde Aufgabe von Bibliotheken weltweit.

Die älteste Bibliothek ist die Bibliothek von Al-Quarawiyyin in der Altstadt von Fez in Marokko. Gegründet wurde diese im Jahr 859 von Fatima al-Fihri, Tochter einer wohlhabenden Unternehmerfamilie. Sie wird als wissensdurstige junge Frau beschrieben, die den Bau der Bibliothek selbst beaufsichtigte. Im Jahr 2012 wurde die Restaurierung des Bücherorts ausgeschrieben. Den Auftrag gewann eine Frau, die Architektin Aziza Chaouni. Ein Teil ist öffentlich zugänglich – ganz im Sinne von Fatima al-Fihri.

Wissensdurstig, vor allem aber an Kuriosem interessiert, ist auch der US-amerikanische Visionär Jay Walker. Er sammelt in seiner Privatbibliothek neben 30 000 Büchern auch 5000 der „klügsten, skurrilsten und bahnbrechendsten Erfindungen der Menschheit: von der Bedienungsanleitung für die Trägerrakete Saturn V“ bis zu „einer Cocktailserviette, auf der der demokratische US-Präsident Franklin D. Roosevelt seinen Plan für den Sieg im Zweiten Weltkrieg skizzierte“.

Walker hat als Erfinder selbst um die 1000 Patente erhalten, davon hat es bisher aber noch keines in seine „Library of the History of Human Imagination“ geschafft. Die Qualifikationshürde liege höher als das, was er bisher geschafft habe.

Das Buch überzeugt mit vielen wunderbaren Geschichten zu den Bibliotheken, überrascht mit interessanten Anekdoten und spannenden Details und überwältigt mit seinen vielen großformatigen Fotografien. Es ist ein wahrer Rausch, in den man sich hineinlesen und – schauen kann, man meint gar, das Blätterrauschen der Millionen von Büchern zu vernehmen. Und dieses Rauschen kann zum Orkan werden.

Denn Bücher oder Bibliotheken können tatsächlich die Welt verändern. So etwa die Parque Biblioteca Espana im kolumbianischen Medellin. Dort verwandelte der Mathematiker und Bürgermeister Sergio Fajardo mithilfe dieser Bibliothek eines der gefährlichsten Viertel der Stadt zum Vorzeigeprojekt für sozialen Wandel durch Bildung. „Unsere schönsten Gebäude müssen in unseren ärmsten Vierteln liegen“, sagte Fajardo. Mit der Parque Biblioteca Espana ist ganz gewiss ein wunderbares Gebäude mitsamt Blätterrauschen ins Viertel eingezogen.

Info

Buch
Büchertempel. Die schönsten Bibliotheken aus aller Welt. Von Gestalten & Marianne Julia Strauss, Gestalten-Verlag, Berlin. 304 Seiten, 49,90 Euro.