Auf Wahlkampfreise 1938 in Österreich im Zug: Adolf Hitler (links) und Jakob Werlin (rechts außen). Foto: ullstein bild/Heinrich Hoffmann

Horst J. Rieth arbeitete bei Daimler, danach in eigener Kanzlei. Im Ruhestand entdeckte er die Lust am Schreiben. Durch Recherchen entstand ein Werk über die Unternehmensgeschichte des Konzerns. In dem Buch spielt auch Hitler eine Rolle.

Noch bevor er wusste, was er mal werden will, war sich Horst J. Rieth ganz sicher, welchen Beruf er auf keinen Fall ergreifen möchte: „Lehrer gab es schon bei uns in der Familie, und ich wollte unter keinen Umständen in die gleichen Fußstapfen treten.“ Schlussendlich studierte der heute 72-Jährige dann Rechtswissenschaft und Sozialwissenschaften in Marburg, Freiburg und Konstanz und war seit 1980 bei Daimler beschäftigt – als Arbeitsrechtler, Personalmanager und Bildungsleiter. „Später habe ich mich dann, um mehr Zeit für die Familie zu haben, mit einer Kanzlei selbstständig gemacht.“

 

Im Ruhestand entdeckt Horst J. Rieth die Lust am Schreiben

Im Ruhestand nun kam zu Rieths berufsbedingter Fähigkeit zum Recherchieren noch die Lust am Schreiben dazu. „Nur Rumsitzen ist nicht mein Ding, und Schreiben tut mir gut und ist zu einem wichtigen Lebensinhalt geworden.“ Also beschloss der Mann aus Kernen nach einigen kleineren Arbeiten, ein Buch über Jakob Werlin zu schreiben. Wie er auf den ehemaligen Daimler-Benz-Direktor und engen Hitler-Freund kam, weiß Horst J. Rieth selbst nicht mehr so genau, nur so viel: „Ich habe mich immer für die Unternehmensgeschichte von Daimler interessiert. Da hatte ich viel in den Regalen stehen. In den Büchern bin ich auf Jakob Werlin gestoßen, und irgendwann war mein Interesse geweckt.“

Es folgten viele Tage in Archiven, viele durchblätterte Ordner sowie die eine oder andere Reise. So war der 72-Jährige beispielsweise auf dem Waldfriedhof in Traunstein, wo Jakob Werlin begraben liegt. „Ich habe mich richtig reingewühlt und wurde auch immer geschichtsinteressierter. Insgesamt drei Jahre habe ich von der Idee bis zum fertigen Buch gebraucht“, sagt Rieth, der froh ist, dass er einen Verlag fand, bei dem sein Werk gut ins Konzept passte.

Wer war Jakob Werlin, der eine Freundschaft mit Hitler einging?

Doch wer war der Mann denn nun, den Horst J. Rieth in seinem Buch mit dem Titel „Er war dem Mann restlos verfallen...“ als Unternehmer, Fädenzieher in der Automobilbranche und engen Hitler-Vertrauten porträtiert? Werlin wurde 1886 in Andritz bei Graz geboren, das war das Jahr, in dem in Stuttgart und Mannheim das Automobil „erfunden“ wurde. „Und das hat auch eine Symbolik für Werlins späteren Lebensweg“, sagt Rieth und erläutert in seinem Buch, dass Jakob Werlin aus einer ärmeren Familie kommt. Er absolviert die Schule und ein einjähriges Praktikum und beginnt dann – ohne eine eigentliche Berufsausbildung oder ein Studium – bei dem Fahrradproduzenten Johann Puch zu arbeiten, wo er dann miterlebt und mitbeteiligt ist an der Weiterentwicklung des Betriebes zum Motorrad- und schließlich auch zum Auto-Produzenten. „Er hat nie wirklich einen Beruf gelernt und war vielleicht auch nicht der Intelligenteste, aber er war clever, eine schillernde Gestalt und hat es weit gebracht“, erklärt Horst J. Rieth und fügt hinzu, dass man an ihm wohl ganz exemplarisch sehen könne, was Leute auszeichnete, die damals hochaktiv waren.

In einzelnen Kapiteln berichtet Horst J. Rieth in nüchternem Stil von den Stationen in Werlins Leben. Dieser fährt Motorradrennen und wird im Jahr 1910 Puchs Niederlassungsleiter in Budapest. Dort heiratet er die Ungarin Eglantine Baronin von Simonyi. Er beteiligt sich an weiteren Rennveranstaltungen, jetzt auf Puch-Automobilen. Im Ersten Weltkrieg meldet er sich freiwillig für die Bayerische Armee, wo er bei einem Kraftfahrzeugbataillon tätig ist, „denn von Autos versteht er wirklich was“, sagt Horst J. Rieth.

1917 wird der Mann, der in der Biografie von Horst J. Rieth zur Hauptperson wird, von der Armee beurlaubt. Er leitet die Essener Niederlassung von Hansa-Lloyd, dem Autohersteller aus Varel und Bremen und kommt im Jahr 1923 zu der Firma, die er sein Leben lang begleiten wird: Er leitet zunächst die Benz-Niederlassung in München, die dann nach der Fusion zur Mercedes-Benz-Verkaufsniederlassung wird. Inzwischen haben die Werlins vier Söhne.

„Ebenfalls 1923 lernt er Adolf Hitler kennen, verkauft ihm einen Mercedes und besucht Hitler nach dessen Inhaftierung auch in Landsberg im Gefängnis.“ Im Buch ist diese Episode mit „Was Jakob Werlin damit zu tun hatte, dass Adolf Hitler fast drei Monate länger Häftling in Landsberg blieb“ betitelt. Rieth arbeitet heraus, dass die beginnende Freundschaft von Werlin und Hitler bis zu Hitlers Tod anhielt. Ob sie bereits anfangs schon eine politische Haltung Werlins zum Ausdruck brachte, sei unklar. Anfang 1933 tritt er in die NSDAP ein, 1934 wird er SS-Mitglied, so Horst J. Rieth. „Er hat rückblickend nie gesagt, dass er was falsch gemacht hat und wollte nicht wahrhaben, was er getrieben hat und mit wem er da so eng befreundet war“, erklärt Horst J. Rieth.

Jakob Werlin wurde Teil des „Hofstaats“ Hitlers

Jakob Werlin sei schnell Teil des „Hofstaats“ Hitlers geworden, habe ihn auf Reisen begleitet und ihn sogar im Führerhauptquartier Wolfsschanze besucht. „Zudem war er für Daimler-Benz ständig auf Achse und wurde generell zur Allzweckwaffe.“ In einem Kapitel des rund 180 Seiten dicken Buches geht es auch darum, dass Jakob Werlin schon früh – gegen die Interessen der Automobilindustrie – mit Hitler und Ferdinand Porsche an dem Projekt Volkswagen maßgeblich mitbeteiligt ist und Türöffner für Porsche bei Hitler ist. Er wird Mitglied der Geschäftsleitung der Gesellschaft zur Vorbereitung des Volkswagens, reist zu diesem Zweck auch nach Amerika und trifft Henry Ford. „Da liefen so viele Fäden zusammen. Ich habe während der Recherche und während des Schreibens viel gelernt, und es war sehr befriedigend“, erzählt Rieth.

Die Randfigur Jakob Werlin – Daimler-Benz-Direktor, Rennfahrer, SS-Mitglied und Freund Adolf Hitlers – wurde bei ihm als schillernde Unternehmerfigur beleuchtet, die überall mitmischt. „Sonst hätte ich ihn auch nicht so spannend gefunden“, sagt Horst J. Rieth und ist sich sicher, dass das eher knapp und nüchtern geschriebene Buch nicht sein letztes gewesen sein wird. „Ich nehme auch in Schreibwerkstätten teil. Ideen habe ich schon viele, aber festgelegt habe ich mich noch nicht auf ein neues Projekt“, so Rieth.