Zwei 24 und 28 Jahre alte Brüder stehen vor dem Landgericht Stuttgart, weil der Jüngere einem Mann am helllichten Tag in Stuttgart-Heumaden in den Hals gestochen haben soll. Bei der Auseinandersetzung soll auch scharf geschossen worden sein.
Stuttgart - Ein Messer, Pfefferspray, ein Teleskopschlagstock und vor allem eine scharfe Pistole – all das ist am 27. April an der Bockelstraße in Heumaden zum Einsatz gekommen. Und zwar gegen 17 Uhr nahe der um diese Zeit von vielen Fahrgästen stark frequentierten Bus- und Stadtbahnhaltestelle. Wegen der brutalen Auseinandersetzung stehen seit Mittwoch zwei Brüder vor dem Landgericht Stuttgart. Dem 24-Jährigen wird versuchter Mord vorgeworfen, seinem vier Jahre älteren Bruder gefährliche Körperverletzung. Die Angeklagten widersprechen der Version des damals lebensgefährlich verletzten Opfers in so gut wie in jedem Punkt.
Laut Anklage habe der jüngere Angeklagte das 28-jährige Opfer an jenem Nachmittag per Telefon nach Heumaden bestellt, weil der Angeklagte von dem Mann noch mehrere Hundert Euro zu bekommen habe. Der angebliche Schuldner tauchte tatsächlich auf, allerdings mit zwei Begleitern. An der Bockelstraße habe der ältere Angeklagte gewartet. Während sich die Männer unterhielten, soll der jüngere Bruder unvermittelt aufgetaucht sein und dem 28-Jährigen mit den Worten „Ich stech dich ab“ ein Messer in den Hals gerammt haben.
Stich in den Hals, Tritte gegen den Kopf
Das Opfer ging zu Boden, die Brüder malträtierten den Kopf des 28-Jährigen mit Tritten, so die Staatsanwältin. Als einer der Begleiter zur Hilfe eilen wollte, sei er von den Brüdern mit Pfefferspray eingenebelt worden. Die Angeklagten sollen auch mit einem Schlagstock um sich geprügelt haben. Erst als einer der Begleiter mit einer Pistole in die Luft schoss, sei dem Opfer und seinen Kumpeln die Flucht in Richtung der dortigen Tankstelle gelungen. Weil die Angeklagten den drei Flüchtenden nachsetzten, habe der Waffenträger in Richtung der Brüder geschossen. Die Kugel durchschlug das Bein des jüngeren Angeklagten. Das alles wegen ein paar hundert Euro?
Fünf Tage nach der Auseinandersetzung nahm die Polizei den 28-Jährigen fest. Sein 24-jähriger Bruder stellte sich schließlich am 10. Mai in Begleitung seines Anwalts der Polizei.
Olaf Panten und Christos Psaltiras, die Verteidiger des jüngeren Angeklagten, sehen es nicht gern, dass das Opfer während der angekündigten Aussage ihres Mandanten im Saal ist. Die Anwälte sehen die Gefahr, der 28-Jährige könne sich mit seinen als Zeugen geladenen damaligen Begleitern absprechen. Da der 28-Jährige aber als Nebenkläger auftritt, wird der Antrag, ihn vor die Tür zu schicken, von der 9. Schwurgerichtskammer abgelehnt.
Aus Angst ein Messer gekauft
Die Verteidiger tragen die Version ihres Mandanten vor. Der 24-Jährige kenne den Nebenkläger seit eineinhalb Jahren. Nicht der Nebenkläger habe ihm Geld geschuldet, sondern der Angeklagte dem Nebenkläger. „600 Euro aus einem Marihuana-Deal“, so die Aussage. Der Nebenkläger habe ihm mehrfach gedroht, er werde sich das Geld holen. Deshalb habe er sich auch das Messer in einem Geschäft auf der Königstraße gekauft – aus Angst, so der des versuchten Mordes Angeklagte.
Er sei mit seiner Verlobten auf dem Heimweg gewesen, als ihn der Anruf des Nebenklägers erreicht habe. Er solle zur Bockelstraße kommen. „Ich dachte, dort sind am Nachmittag viele Leute, da ist es sicher“, so der junge Mann. Trotzdem habe er seinen Bruder ebenfalls dorthin bestellt. Als er sich dem Teffpunkt näherte, habe er seinen Bruder im Streit mit den drei Widersachern gesehen. Dort angekommen habe er sofort einen Stoß bekommen, die drei Männer hätten ihre Waffen gezogen. Zugestochen habe er ungezielt und nur, um einen Angriff abzuwehren. „Einer der Männer hat mehrmals in unsere Richtung geschossen“, so der 24-Jährige. So sei er auch am Bein getroffen worden.
Das Verfahren gegen den Schützen ist eingestellt
Verteidiger Martin Stirnweiß, der den älteren Bruder vertritt, sagt, sein Mandant könne diese Version bestätigen. Einer der Männer habe noch gesagt: „Zur Not knalle ich euch alle ab“, berichtet der Angeklagte.
Das Verfahren gegen den Schützen ist von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Es habe sich um Notwehr gehandelt, so ein Sprecher der Behörde. „Völlig unverständlich“, sagt Verteidiger Psaltiras. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.