Das Firmenlogo der Stuttgarter Kaufhauskette Breuninger glänzt in der Sonne, finster dagegen ist der Streit um die Unternehmensanteile. Foto: Leif Piechowski

Der Rückzug von Willem van Agtmael als Chef der Kaufhauskette Breuninger fällt in eine Phase des Streits um Anteile. Jetzt ist auch noch die Kritik des Mitgesellschafters bekanntgeworden.

Stuttgart - Für die Nachkommen von Heinz Breuninger ist dieser Mittwoch nicht wie andere. Es der 32. Todestag des früheren langjährigen Firmenchefs. Auch für den Mann, den Breuninger zu seinem Nachfolger an der Unternehmensspitze gemacht hat, ist es kein normaler Mittwoch. Ausgerechnet heute wird Willem van Agtmael 65 Jahre alt – und zieht sich vom Geschäftsführerposten zurück. Damit erfüllt er einen der Wünsche von Wienand Meilicke, Jurist und Testamentsvollstrecker von Heinz Breuninger. Van Agtmaels Rückzug fällt in eine Zeit, in der sich viele fragen, wie sich Breuninger die Zukunft seines Unternehmens vorgestellt hat, als er sein Testament gemacht hat.

Seit 2004 sind van Agtmael und Meilicke Mehrheitseigentümer der Kaufhauskette. Branchenkenner haben deren Erwerb der Mehrheit am Unternehmen 2004 mit Verwunderung beobachtet. Schließlich sollten die Männer das Vermächtnis von Heinz Breuninger verwalten und managen – nicht erwerben. Ruhe ist seit der Übernahme nicht eingekehrt. Derzeit kursiert ein Brief von Meilicke an van Agtmael vom 20. Januar 2010, in dem er herbe Kritik an van Agtmael äußert. Bis hin zu dem Vorwurf, dass van Agtmael Familienmitgliedern, die im Unternehmen beschäftigt waren, ein zu hohes Gehalt gezahlt haben soll. Womöglich sind diese Vorwürfe ein Grund dafür, dass die Führungspositionen im Unternehmen und im Beirat nach van Agtmaels Ausscheiden genau so strukturiert werden, wie es Meilicke in seinem Brief vorzeichnet. Darin schreibt der Jurist über den neuen Breuninger-Chef Willy Oergel als eine Art Übergangslösung, bis die Söhne Jeroen van Agtmael und Harald Meilicke die Leitung übernehmen. Der 60-jährige Oergel ist seit 28 Jahren im Unternehmen.

„Aus heutiger Sicht könnten wir uns für eine Übergangzeit gut Herrn Oergel als CEO vorstellen, bis dann Jeroen und Harald in einer noch zu findenden Zusammenarbeit die aktive Leitung übernehmen“, heißt es in dem Schreiben (CEO ist die englische Abkürzung für Chef einer Geschäftsleitung). Meilicke zeigt sich gegenüber van Agtmael zuversichtlich, „dass die nächste Generation zueinander finden wird, nachdem Sie am 19. September 2012 aus dem Unternehmen ausgeschieden sind und die Gemüter eine Abkühlungsphase durchgemacht haben“.

Meilicke pocht auf Gleichberechtigung seiner Familie im Unternehmen

Dass van Agtmael über seinen 65. Geburtstag hinaus Chef bleibt, bezeichnet Meilicke als nicht zweckmäßig. Der Vertrag von Oergel läuft bis 2017. Was danach werde, könne man noch nicht sagen, teilt ein Sprecher der Gesellschafter mit. Van Agtmael hätte gern seinen Sohn Jeroen zu seinem Nachfolger gemacht. Dies hätte Meilicke jedoch nur gestattet, „wenn Harald sich ebenfalls vollberuflich und gleichberechtigt um unsere Beteiligung bei Breuninger kümmern kann“, schreibt er.

Meilicke nennt 2010 drei Alternativen für die Gestaltung des Managements und des Aufsichtsgremiums nach dem 19. September 2012: Entweder wird die Geschäftsführung von Mitgliedern beider Familien gleichberechtigt ausgeführt, oder „jeder der beiden Familienstämme kontrolliert gleichberechtigt aus dem Beirat einen oder mehrere Fremdgeschäftsführer“. Als dritte Alternative schlägt er vor, dass beide Familien nur aus der Gesellschafterstellung heraus Beirat und Geschäftsführung kontrollieren. Offenbar haben sich die Männer auf die zweite Variante geeinigt. Meilicke tritt nun den Vorsitz des Beirats an seinen Sohn Harald sowie an Jeroen van Agtmael ab, verbleibt jedoch im Aufsichtgremium als normales Mitglied. Auch van Agtmael wechselt in den Beirat. Die Geschäftsführung der Kaufhauskette wird erweitert. Neben Finanzchef Marcus Weller werden die bisherigen Bereichsleiter von Breuninger, Holger Blecker, Uwe Hildebrand und Daniel Ohr neu in die Unternehmensleitung berufen.

Damit sind Meilickes Bedingungen erfüllt, dem es in seinem Brief vor allem darum geht, dass den Familien Meilicke und van Agtmael gleichberechtigte Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten eingeräumt werden: „Bei paritätischer Beteiligung zweier nicht miteinander verwandter oder verschwägerter Familienstämme halte ich die Vermengung von Unternehmensinteressen und Familieninteressen für strukturell leichter vermeidbar, weil jede Familie ein natürliches Interesse daran hat, dass die andere Familie sich nicht zulasten des Unternehmens Vorteile verschafft“, schreibt er.

Und tatsächlich scheint dieses Interesse bei den Familien ausgeprägt zu sein. So moniert Meilicke, dass van Agtmael seinem Sohn ein derart hohes Gehalt gewährt habe, dass dieser als Berufsanfänger aus dem Stand zum viertteuersten Mitarbeiter des Hauses geworden sei. Auch dass van Agtmael angeblich die private Alarmanlage des Sohnes über Firmenmittel finanzieren und seinen anderen beiden Kindern wohl einen Sonderbonus zahlen wollte, kritisiert er.

Das Unternehmen war für eine Anfrage nicht erreichbar.

Breuningers Testament umfasst unzählige handgeschriebene Seiten

Vor allem ältere Stuttgarter, die Heinz Breuninger noch kannten, sind verblüfft über die aktuellen Entwicklungen. „Was würde Heinz dazu sagen?“, fragen die Zeitgenossen und erzählen von dem pietistischen Wertesystem, nach dem die Familie gelebt habe.

Am 19. September 1980 sollte Heinz Breuninger eigentlich aus dem Krankenhaus entlassen werden. Am Morgen dieses Septembertages jedoch verstarb er. Sein Testament hatte er vorbereitet – gemeinsam mit seinem juristischem Berater. In großer Handschrift hat er viele Seiten vollgeschrieben. Bereits 1976 erstellte Breuninger die erste Fassung. Es folgten Nachträge in den Jahren 1976, 1977, 1978 bis zum 8. Juni 1980.

Breuninger hat sich dafür entschieden, das Unternehmen nicht seiner Familie, sondern einer Stiftung zu übertragen: der Heinz-Breuninger-Stiftung. Im Testament bezeichnet er diese als sein Vermächtnis. Im Vorstand der Stiftung befanden sich neben Meilicke und van Agtmael der Jurist Wolfgang Blumers, der Wirtschaftsprüfer Benno Stratmann und Theo Henselijn. 2004 löste der Vorstand die Stiftung auf. Heute streiten sich einige der ehemaligen Stfitungsvorstände juristisch um das Vermächtnis.

Die Geschwister und Nachkommen von Heinz Breuninger sowie deren direkte Verwandtschaft kommen in der Öffentlichkeit nicht mehr vor. Eine Ausnahme bildet Helga Breuninger, Tochter und Alleinerbin des Patriarchen. Sie ist für die gemeinnützige Breuninger-Stiftung GmbH zuständig, die sich um Bildungsprojekte und bürgerschaftliches Engagement kümmert. Deren Geschäftsanteile gehörten bis 2004 der Heinz-Breuninger-Stiftung. Mit deren Aufhebung erlangte Helga Breuninger Eigenständigkeit: Sie wurde Alleingeschäftsführerin der Breuninger-Stiftung GmbH.

Heinz Breuningers Bruder Eduard verkaufte 2001 seinen Anteil am Unternehmen. Dem Verkauf ging eine zähe, juristische Auseinandersetzung mit den Stiftungsvorständen voraus. „Dieser Streit hat die Familie ins Mark getroffen“, heißt es. Mit dem Verkauf gab Eduard Breuninger diesen Kampf auf, „obwohl sich die Familie weiterhin dem Unternehmen verbunden fühlt“. Es gab auch eine Zeit, in der Helga Breuninger versucht hat, juristisch gegen Meilicke vorzugehen. Heute aber sprechen Helga Breuninger, van Agtmael und Meilicke mit einer Stimme.