Foto: Achim Zweygarth

Auf die Bewohner des Asemwalds kommen wohl hohe Ausgaben zu. Sie sollen Löcher in ihre Balkonwände schneiden, um einen zweiten Rettungsweg herzustellen.

Asemwald - Die Entscheidung des Regierungspräsidiums (RP) könnte teuer für die Bewohner des Asemwalds werden. Am 20. Dezember 2012 hat die Behörde den Einspruch aus der Wohnstadt abgelehnt. Vor zwei Wochen ist der Brief beim zuständigen Anwalt eingegangen. Der Kern des Schreibens: Beim Brandschutz muss nachgebessert werden. Bislang können sich die Bewohner nur über die Treppenhäuser in Sicherheit bringen. Für den Notfall sollte es noch einen zweiten Rettungsweg geben, so will es das Gesetz, und so will es das Baurechtsamt.

Der zweite Fluchtweg soll 120 mal 40 Zentimeter messen. Von Balkon zu Balkon sollen Durchbrüche mit diesen Maßen in die Betonwände geschnitten werden. Dann könnten sich die Bewohner nicht nur über Flure und Treppenhäuser in Sicherheit bringen, sondern auch außen an der Fassade an einem Feuer vorbeikriechen.

Durchbrüche dieser Art gibt es bereits, aber nur in den Maßen 70 mal 40 Zentimeter. Das Baurechtsamt hatte deshalb schon im Mai 2011 deren Vergrößerung angeordnet. Ein beauftragter Anwalt legte Einspruch ein, im September 2011 wurde der Fall an das RP verwiesen.

Unzureichende Maßnahme

2012 befasste sich im Auftrag der Bewohner zudem ein Ingenieurbüro mit der Anordnung und kam zu dem Schluss, dass durch die Vielzahl der Löcher die Statik des Gebäudes gefährdet sein könnte. Das Baurechtsamts schaltete seinerseits einen Statiker ein, dessen Meinung freilich eine andere war.

„Wir wollen uns auf keinen Fall gegen Dinge sträuben, die unserer Sicherheit dienen“, sagt Richard Neber, der im Asemwald wohnt und der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats ist. Die hohen Kosten seien jedenfalls kein Argument gegen die Brandschutzauflagen, auch wenn dafür mit einem Millionenbetrag zu rechnen sei. Aber „in unseren Augen wäre das eine unzureichende Maßnahme“.

Denn etwa ein Drittel der immerhin 1137 Wohnungen wären an den zweiten Fluchtweg gar nicht angeschlossen. Ihnen fehlen die sogenannten Putzbalkone, in die die Schächte geschnitten werden sollen. Putzbalkone sehen von außen aus wie normale Balkone, sind aber nur einen knappen Meter tief und mit Kies ausgelegt.

Wer auf sie gelangen will, muss zudem erst einmal aus dem Fenster klettern, Türen gibt es nicht. Im Notfall müsste man anschließend durch die Löcher kriechen. „Für ältere Menschen wäre das nicht elegant“, sagt Neber. Dabei hält der Asemwald einen Rekord. 2011 war der durchschnittliche Bewohner 62,6 Jahre alt, der Schnitt in Stuttgart betrug 42,1 Jahre. Für Rollstuhlfahrer kommt dieser Fluchtweg ohnehin nicht in Frage.

Die Bewohner haben bereits 1,5 Millionen Euro investiert

„Da bietet sich keine gute Lösung an, das ist schwierig“, sagt auch Kirsten Rickes, die Leiterin des Baurechtsamts. Aber „das RP teilt unsere Rechtsauffassung, dass unsere Anordnung richtig und erforderlich ist“. Die unteren Stockwerke können zwar über Drehleitern der Feuerwehr erreicht werden, nicht aber die oberen.

Rickes geht vom schlimmsten Fall aus, in dem ein Treppenhaus durch einen Brand nicht benutzt werden kann. Dann wären die Bewohner, die an dieses Treppenhaus angeschlossen sind, abgeschnitten. „Man müsste alternativ schon fast die Nutzung der Wohnungen untersagen“, sagt sie. „Das ist hochproblematisch.“

Dabei haben die Asemwald-Bewohner in den vergangenen Jahren viel in den Brandschutz investiert. Seit 2004 wurden rund 1,5 Millionen Euro unter anderem in eine neue Steuerung für die Aufzüge, Abschottungen von Installationsschächten und neue Brandschutztüren gesteckt.

Nun soll im Auftrag der Bewohner erneut ein Brandsachverständiger eingeschaltet werden. „Wir wollen versuchen, Vorschläge zu machen, wie wir aus dem Dilemma herauskommen können“, sagt Neber. Vorerst werde wohl Klage gegen die Entscheidung eingereicht, die Frist dafür läuft Ende Januar ab. Dadurch lasse sich Zeit gewinnen bis zur Eigentümerversammlung, die Ende März sein soll. „Da gehört das Thema auch auf jeden Fall hin“, sagt Neber.