Im August ist der ehemalige Boxchampion René Weller an den Folgen einer Demenz gestorben. Wie blickt die Witwe Maria Weller auf das Jahr 2023 zurück, das ihr Leben völlig verändert hat?
Das Wohnzimmer sieht unverändert aus: auf dem Buffet die Siegerpokale und die gerahmten Fotos – Erinnerungen an die großen Erfolge des Pforzheimer Profiboxers René Weller. Seine Witwe Maria Weller, 71, sitzt am gläsernen Esstisch, ihr Kleid ziert eine Chanel-Brosche.
Frau Weller, Sie haben Ihren Mann bis zu seinem Tod am 22. August begleitet. Wie war er, als das Ende näher rückte?
René ist genau an dieser Stelle, wo wir nun über ihn reden, in meinen Armen gestorben. Im Frühjahr hatte ich den Tisch weggeräumt, um Platz für sein Pflegebett zu schaffen. In den letzten Monaten vor seinem Tod hat er die meiste Zeit seine Pokale angestarrt. Eines Morgens kam ich ins Zimmer und sah, dass er sich den Boxhandschuh übergestreift hatte, der neben dem Bett an der Wand hing.
Was hat Ihr Mann zu dieser Zeit noch mitbekommen?
Seine Krankheit verlief etwa acht Jahre lang schleichend. Im Sommer 22 verschlimmerten sich die Demenzsymptome plötzlich extrem. Sein Kurzzeitgedächtnis war völlig weg. Ich glaube aber, dass René bis zum Schluss wusste, wer er war.
Gab es einschneidende Momente?
Am bedrückendsten war für mich, als René vor zwei Jahren verstummte. Ich flehte ihn an: „Schatzi, bitte sag doch irgendetwas!“ Doch er reagierte nicht. Dann kam der Punkt, an dem er die Wohnung nicht mehr verlassen wollte. Am 17. Dezember 2022 war ich zum letzten Mal mit meinem Ehemann spazieren. Danach wollte René nicht mehr raus. Sein Arzt in der Uniklinik Heidelberg sagte, dass das typische Folgen davon wären, dass sich seine Gehirnzellen auflösen. Es war hart, mich damit abzufinden.
Wann fühlten Sie sich am Tiefpunkt?
Im Februar, als wir beide gleichzeitig Corona hatten. René musste ins Krankenhaus gebracht werden, weil ein Kreislaufkollaps drohte. Unser Treppenhaus ist zu eng für eine Trage, es blieb nur die Möglichkeit, ihn mit einer Feuerwehrleiter durch das Fenster nach unten zu befördern. René wehrte sich mit seinen letzten Kräften dagegen, er hat sich an mir festgeklammert. Die Ärzte mussten seine Finger wegbiegen, um ihn von mir loszubekommen. René hat vor Angst geschrien und geheult. Und dann durfte ich ihn nicht einmal im Krankenhaus besuchen, weil ich ja auch Corona hatte. Ich war verzweifelt. Es grenzt an ein Wunder, dass ich damals nicht zusammengebrochen bin.
Welche Hilfe bekamen Sie im Alltag?
Ich hatte keinen Pflegedienst, sondern eine Haushaltshilfe. Das war eine bewusste Entscheidung, ich wollte mich selbst um meinen Mann kümmern. Eine gute Freundin, die zwei Häuser weiter wohnt, hat mich tatkräftig dabei unterstützt. Sie kam einmal in der Woche, dann haben wir René von Kopf bis zu den Füßen gewaschen. Am Ende wurde er von einem wunderbaren, empathischen Palliativteam betreut. Sogar außerhalb der Dienstzeit kam ein Arzt, um – wenn es nötig war – René Morphium zu spritzen.
Im Sommer 21 haben Sie die Demenzerkrankung Ihres Mannes öffentlich gemacht. Würden Sie es im Rückblick wieder so machen?
Eindeutig ja, denn es entsprach Renés Wunsch. Bereits 2014, als er mit der Diagnose Demenz konfrontiert worden war, hatte ich ihn gefragt: „Was soll ich machen, wenn du eines Tages schwer krank sein solltest?“ Er sagte: „Hasi, ich möchte, dass du meinen Fans und der Presse immer offen die Wahrheit sagst.“ Als dann im Sommer 21 auf einer Pforzheimer Facebook-Seite das Gerücht verbreitet wurde, dass René Weller Alkoholiker sei, musste ich klarstellen, dass das nicht stimmt und er in Wirklichkeit dement ist.
Später wurden Sie in den sozialen Medien dafür kritisiert, dass Sie die Presse Fotos von Ihrem kranken Mann machen ließen. Es wurde spekuliert, der „schöne René“, wie er früher genannt wurde, hätte nicht gewollt, dass man ihn als dementen Bettlägerigen sieht.
Ich habe immer darauf geachtet, dass Renés Würde gewahrt bleibt. Aber das Leben besteht nun einmal nicht nur aus Glitzer und Glamour, wir leiden und sterben alle irgendwann. Es kommt häufig vor, dass in einer Ehe ein Partner an Demenz erkrankt. Dadurch, dass René ein berühmter Sportler war, hatte ich die Möglichkeit, darüber aufzuklären, wie die Krankheit allmählich alles verändert.
Unter anderem waren Reporter von „Bild“, „Stern“, „Spiegel“, RTL und SWR in dieser Wohnung. Ihr prominenter Ehemann konnte nicht mehr für sich selbst reden, nun waren Sie gefragt. Gefiel Ihnen diese Rolle?
Natürlich stand ich lange in Renés Schatten. Ich wurde von vielen Leuten nur als sein Anhängsel wahrgenommen, als das kleine, dumme Blondchen mit aufgeblasenen Lippen an seiner Seite. In den vergangenen Jahren konnte ich mich als die kluge, tatkräftige Frau darstellen, die ich schon immer war. Das Klischee, das es von mir gab, ist widerlegt.
Womöglich hingen die Vorurteile mit Ihrer äußeren Erscheinung zusammen.
So, wie ich lange zu meinen Schönheitsoperationen gestanden habe, sage ich heute, dass ich sie bereue. Am 24. Juli, als mein Mann schon im Sterben lag, musste ich mir Silikonimplantate, die sich teilweise aufgelöst hatten, aus den Brüsten entfernen lassen. Das Zeug hat meinen Körper vergiftet, die Lymphknoten waren stark angeschwollen, und ich hatte am ganzen Körper Ekzeme. Ich warne Frauen davor, sich den Busen mit Implantaten vergrößern zu lassen.
Warum haben Sie das machen lassen?
Weil ich einem Schönheitswahn verfallen war. Ich bin eine zierliche Person und fand als junge Frau meine Formen nicht weiblich genug. Das hat mir damals psychisch schwer zu schaffen gemacht. Jetzt, mit 71 Jahren, finde ich meine kindliche Figur viel hübscher. Ich lasse nichts mehr machen, außer ab und an eine kleine Botoxspritze, um die Zornesfalte an meiner Stirn loszuwerden und meine Migräne zu bekämpfen.
Sie wirken auf mich recht unbeschwert. Hatte der Tod Ihres Mannes nach der langen Leidenszeit auch etwas Befreiendes für Sie?
Zunächst nicht. Nach der Trauerfeier am 1. September bin ich in ein Loch gefallen. Ich hatte jahrelang für René gesorgt. Plötzlich war ich allein und wusste mit mir nichts anzufangen. Ich wurde höchst depressiv, saß nur herum, habe nicht mal die Wohnung aufgeräumt. Ende November wurde mir bewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Seither versuche ich, wieder Freude am Leben zu finden, mich schön anzuziehen, auch mal zu lachen. Ich trage meine Trauer noch im Herzen, aber nicht mehr nach außen.
Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?
Ich will Coachings anbieten. Als René 2003 aus dem Gefängnis kam, hatte er nichts als Schulden – und ich habe ihm wieder auf die Beine geholfen. Jetzt will ich andere Menschen unterstützen, die von den Herausforderungen des Lebens überfordert sind.
Und privat?
Ich werde in dieser Wohnung bleiben, weil sie Renés Geist atmet. Vor Kurzem habe ich mit ihm laut geschimpft, weil er mir auch manches Ärgernis hinterlassen hat – zum Beispiel falsche Freunde, die Unwahrheiten über mich verbreiten. In diesem Moment ist ein gerahmtes Foto von ihm vom Buffet gefallen. Das war nicht das erste Erlebnis dieser Art. Ich bin davon überzeugt, dass mir René aus dem Jenseits regelmäßig Zeichen sendet.
Ist er zufrieden mit dem Bild, das Sie in letzter Zeit von ihm vermittelt haben?
Bestimmt. Nach seiner Verurteilung wegen Hehlerei und Drogenhandel ist er gesellschaftlich geächtet worden. Aber in den vergangenen Jahren, als er schwer krank war und schließlich starb, wurde er von den Medien wieder als außergewöhnliche Sportlerpersönlichkeit gefeiert. René Weller ist als Boxer gegangen. Das war die größte Ehre, die man ihm erweisen konnte.
René und Maria Weller: extravagantes Prominenten-Paar aus Pforzheim
Sportler
René Weller zählt zu den erfolgreichsten deutschen Boxern: Von 55 Profikämpfen gewinnt er 52. Abseits des Rings kultiviert er sein Macho-Image, fährt einen amerikanischen Sportwagen, trägt eine daumendicke Goldkette um den Hals und eine Rolex am Handgelenk. Ende der 90er Jahre wird Weller wegen Drogenhandels und Hehlerei verurteilt, nach viereinhalb Jahren kommt er vorzeitig aus der Haft. 2014 erhält er die Diagnose Mischdemenz. Der einstige Boxchampion entwickelt sich zu einem Pflegefall. Am 22. August 2023 stirbt René Weller mit 69 Jahren in seiner Heimatstadt Pforzheim.
Journalistin
Maria Weller, 1952 als Maria Dörk geboren, wächst als Pflegekind in der DDR auf. Mitte der 70er Jahre darf sie in den Westen ausreisen. Sie macht in Hannover eine Ausbildung zur PR-Fachfrau, arbeitet anschließend für ein Schallplattenlabel und später als Journalistin für ein Luxusmagazin. 1979 lernt sie den Boxer René Weller in einer Promidisco kennen. Sie lässt sich von seinem Charme einfangen. Monate später erfährt sie, dass Weller ein Familienvater ist – und sie nur eine von mehreren Gespielinnen. Die Beziehung scheint für immer vorbei, doch 28 Jahre später steht er wieder vor ihrer Tür.
Ehepaar
Als Maria und René Weller am 21. November 2013 in Pforzheim heiraten, leben sie bereits seit zehn Jahren zusammen. Der Ex-Profiboxer kann mittlerweile wieder gut von seinem Namen leben. Zu verdanken hat er dieses Comeback seiner Frau und Managerin Maria, die ihm PR-Termine und TV-Auftritte verschafft: René Weller bei „Big Brother“, René Weller beim „Perfekten Promi-Dinner“, René und Maria Weller im „Sommerhaus der Stars“. Als sich die Folgen seiner Demenz immer stärker bemerkbar machen, übernimmt sie den Großteil der Pflegearbeit selbst.