Kampf bis zur völligen Erschöpfung: Felix Sturm (li.) und Robert Stieglitz in der Stuttgarter Porsche-Arena Foto: Baumann

Die beiden Ex-Weltmeister zeigen in der Stuttgarter Porsche-Arena, wie Profiboxen in Deutschland funktionieren kann

Stuttgart - Nachdem sie zwölf Runden lang aufeinander eingedroschen und alles aus ihren Körpern herausgeholt hatten, fehl- te Felix Sturm und Robert Stieglitz die Kraft zum Jubeln. Keiner kletterte auf das Ringseil, um sich von den Fans feiern zu lassen, es reichte bei beiden gerade noch, um die rechte Faust nach oben zu recken. Und allen in der Stuttgarter Porsche-Arena war klar: Dieser spektakuläre Kampf hatte keinen Verlierer verdient. Das sahen auch die Punktrichter so, die das Duell unentschieden (115:113, 113:115, 114:114) werteten. Damit konnten alle leben. Denn an diesem Abend war es um mehr als nur ein Ergebnis gegangen.

Der deutsche Boxsport stellt sich derzeit neu auf. Nach dem ZDF zieht sich auch die ARD zurück. Das Modell, dass ein großer TV-Sender (ARD: Sauerland/ZDF: Universum) einen Boxstall finanziert und bis zu zehnmal im Jahr alles überträgt, was ihm der jeweilige Promoter vorsetzt, ist passé. Übrig bleiben RTL mit der One-Man-Show Wladimir Klitschko und Sat 1. Die Münchner haben eines schnell klargemacht: Sie sind bereit zu investieren – aber nur für die Besten. Und die Beteiligten haben die Lektion, wie Boxen in Deutschland künftig funktionieren kann, gelernt. „Es ist nicht wichtig, ob es um eine WM oder sonst einen Titel geht“, sagte Sturm nach dem Remis gegen Stieglitz, während er sich mit einem Taschentuch das Blut abwischte, das aus einer tiefen Wunde an der rechten Augenbraue lief, „Deutschland braucht spektakuläre Kämpfe.“

Spötter könnten nun einwenden, diese Erkenntnis komme bei dem früheren Weltmeister im Mittelgewicht (bis 72,5 kg), der sich für Titelverteidigungen nicht immer die stärksten Kontrahenten ausgesucht hat, reichlich spät. Sie kommt aber zumindest nicht zu spät. Mit Stieglitz (33) einigte sich Sturm (35) auf ein Limit von 75,5 kg, seine Zukunft sieht er im Supermittelgewicht (bis 76,2 kg). Dort steht neben einem Rückkampf gegen Ex-Weltmeister Stieglitz auch das Duell gegen WBO-Weltmeister Arthur Abraham (34) an. In der gemeinsamen Zeit im Mittelgewicht waren sich Sturm und Abraham trotz höchst lukrativer Angebote stets aus dem Weg gegangen. „Jetzt haben wir die einmalige Chance, eine Ära zu prägen“, sagte Sturm über das Trio der Mittdreißiger, „die nächsten zwei, drei Jahre haben wir einen sicheren Arbeitsplatz“.

Dafür wird Sat 1 sorgen, das Verträge mit den Boxställen von Stieglitz (SES) und Abraham (Sauerland) sowie Selbstvermarkter Sturm abgeschlossen hat. Drei Millionen Interessierte sahen am Samstag die Übertragung aus Stuttgart (Marktanteil 15,6 Prozent). Alexander Rösner, Sportchef des Senders, frohlockte: „Wir haben den Kampf des Jahres versprochen – und ihn dann auch gesehen. Für die Zukunft werden wir wieder etwas Schönes zusammenbauen.“

Zunächst wird es wohl das vierte Duell zwischen Abraham und Stieglitz geben, denn Sturm legt nach der bevorstehenden Geburt seines zweiten Kindes eine Pause ein und kehrt frühestens im Sommer 2015 zurück – wahrscheinlich gegen den dann amtierenden WBO-Weltmeister. Gut möglich, dass die Börse in diesem Fall noch ein bisschen höher liegt als nun in Stuttgart. Sturm soll rund 1,2 Millionen Euro erhalten haben, Stieglitz 800 000 Euro. „Dieser Kampf war einer der besten der letzten Jahre“, sagte Sturm-Manager Manfred Meier. Und Stieglitz-Promoter Ulf Steinforth erklärte: „Dieses Duell war voller Energie. Grandios! So etwas gab es schon lange nicht mehr.“

Auch Gennady Golowkin hat der Kampf gefallen. Der WBA-Weltmeister im Mittelgewicht, der in Stuttgart lebt und dessen Kämpfe Sat 1 ebenfalls zeigt, saß in der Porsche-Arena in der ersten Reihe, vor Ehrfurcht erstarrt ist er aber nicht. Der Kasache, der eine K.-o.-Quote aufweist wie kein anderer (31 Kämpfe, 31 Siege, 28 durch Knockout), wusste natürlich genau, dass der bullige Draufgänger Stieglitz und der brillante Techniker Sturm sich auch deshalb zwölf Runden verausgabt hatten, weil keiner über genügend Schlagkraft verfügte, um den Kampf vorzeitig zu beenden. Auf die Frage, ob er sich in die Auseinandersetzung des deutschen Trios einmischen wolle, antwortete er mit einem Lächeln: „Sie sollen erst mal unter sich die Nummer eins ausboxen.“